Erfolg der Proteste von Eltern und SchülerInnen in Baden-Württemberg
Am 20. Oktober gab das baden-württembergische Kultusministerium bekannt, dass die Noten für die Vergleichsarbeiten ab dem Schuljahr 2009/2010 wieder abgeschafft werden. Damit reagierte es auf die immer lauter geäußerte Wut von Eltern und SchülerInnen.
von Tinette Schnatterer, Stuttgart
Vergleichsarbeiten werden zentral in allen Schulen des Landes geschrieben und der Stoff der letzten zwei Jahre abgefragt. In welchen Stufen und in welchen Fächern sie geschrieben werden, hängt vom Schultyp ab. Angeblich dienen sie dazu, sicherzustellen, dass die Bildungsstandards an den Schulen eingehalten werden. Wer in den letzten Jahren einen Fuß in eine Schule gesetzt hat, weiß aber, wie scheinheilig diese Begründung ist. Um Bildungsstandards einzuhalten, braucht man keine zusätzlichen Prüfungen, sondern ausreichend LehrerInnen, kleinere Klassen und eine bessere Ausstattung der Schulen!
Mega-Stress
In der Praxis bedeuteten die Vergleichsarbeiten, dass gestresste Eltern mit gestressten SchülerInnen den Stoff von zwei Jahren pauken mussten. Und das, obwohl der Leistungsdruck in den Schulen, nicht zuletzt durch die Einführung von G8 (Abitur nach acht Jahren Gymnasium), sowieso kontinuierlich gestiegen ist. Die GEW berichtet, dass in Grundschulen SchülerInnen durch den Stress heulend zusammengebrochen sind. Kein Wunder, wenn von Zweitklässlern plötzlich erwartet wird, dass diese eine 90 Minuten dauernde Prüfung schreiben, in der ganz andere Bedingungen gelten, als sie das sonst gewohnt sind.
Ein Brief und seine Wirkung
Im Frühling platzte Ursel Beck, Mutter zweier Gymnasiasten und Mitglied der SAV, der Kragen. In einem offenen Brief forderte sie den Kultusminister Helmut Rau auf, die Vergleichsarbeiten sofort zurück zu nehmen. Für den Fall, dass die Arbeiten nicht abgeschafft werden, stellte sie Rau in Aussicht, dass Eltern ihre Kinder ermutigen könnten, am nächsten Schülerstreik teilzunehmen beziehungsweise einen Boykott der nächsten Vergleichsarbeiten zu organisieren.
Dieser Brief traf die Wut vieler Eltern und schlug große Wellen. Während der Kultusminister sich natürlich nicht dazu äußerte, meldeten sich Eltern und Elterninitiativen aus dem ganzen Bundesland und der Brief wurde in der GEW-Zeitung abgedruckt. Offensichtlich ist auch dem Kultusministerium klar geworden, wie explosiv die Situation in den Schulen gerade ist. Die Wut über steigenden Prüfungsdruck, schlechte Lernbedingungen und die Verkürzung der Schulzeit kommen zusammen. Die Ankündigung, die Noten für die Vergleichsarbeiten zurückzunehmen, kann nur als Angst davor verstanden werden, was passiert, wenn Eltern und SchülerInnen sich gemeinsam wehren.
Für Eltern, LehrerInnen und SchülerInnen ist es allerdings ein ermutigendes Zeichen. Auf dem Schülerstreik am 12. November konnte Ursel Beck den 8.000 streikenden SchülerInnen in Stuttgart deshalb zurufen: „Der Elternprotest und Euer Streik waren es, die dazu geführt haben, dass die Noten für Vergleichsarbeiten abgeschafft wurden. Das zeigt: Widerstand lohnt sich.“ n