Existenzbedrohte US-Autokonzerne wollen Krise auf Beschäftigte abwälzen. Gespräch mit Brett Hoven, Sozialist aus den USA, der an den Diskussionen auf den Berliner Sozialismustagen teilnimmt
Interview: Katie Quarles, zuerst veröffentlicht in der jungen Welt, 18.11.08
Brett Hoven ist Aktivist der US-amerikanischen Automobilarbeitergewerkschaft UAW und arbeitet bei Ford in Minneapolis, Minnesota
Die Krise der Autoindustrie ist in aller Munde. Die USA sind besonders betroffen. Wie ist die Situation?
Die sogenannten »Big Three« – Ford, Chrysler und General Motors – stecken tatsächlich in einer existentiellen Krise, die zum Bankrott eines oder mehrerer dieser traditionsreichen Riesenkonzerne führen könnte. Das ist aber nicht allein auf die aktuelle Finanzkrise zurückzuführen. Der US-Autoindustrie geht es schon seit Jahren nicht gut. Die Unternehmen haben den Markt für Kleinwagen der Konkurrenz aus Japan überlassen. Statt auf den Bau von umweltfreundlicheren Autos oder gar den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel umzustellen, haben sie sich auf spritfressende Minivans, sogenannte Sport Utility Vehicles (SUV) und Pickups konzentriert. Der Markt für solche Großwagen ist eingebrochen. Hinzu kommen die Auswirkungen der Finanzkrise, die es schwerer macht, Kredite zum Autokauf aufzunehmen. Ford zum Beispiel sah sich im Oktober mit dem niedrigsten Absatz seit 25 Jahren konfrontiert.
Welche Folgen hat das für die Beschäftigten?
Seit 2006 sind in der Industrie Zehntausende Arbeitsplätze vernichtet worden. In diversen Betrieben sind die Einkommen der Neueingestellten halbiert worden. Hinzu kommen massive Einschnitte bei der Betriebsrente. In vielen Fällen hat die Gewerkschaft UAW die Verwaltung der Rentenfonds – und damit die Weitergabe künftiger Kürzungen – übernommen.
Das neue Geschäftsmodell der Autoindustrie ist also klar: Die Krise soll durch Angriffe auf die Belegschaften überwunden werden. Die Autokonzerne nutzen diese Drohung mit der Insolvenz, um Tarifverträge einseitig zu ändern und den Widerstand der Gewerkschaften zu bremsen.
Was halten Sie von dem 25-Milliarden-Dollar-Hilfspaket, das die US-Regierung aufgelegt hat?
In der Autobranche stehen über zwei Millionen Jobs auf dem Spiel. Diese müssen erhalten bleiben. Aber einfach Geld der Steuerzahler an die Konzerne zu verschenken, die die Krise selbst mit verursacht haben, macht keinen Sinn. Diese Krise zeigt, daß die Branche so nicht weitermachen kann. Der einzige Weg, die Arbeitsplätze zu retten und dauerhaft zu erhalten, ist die Verstaatlichung der Autoindustrie. So kann ein Teil der Produktion auf den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel und die Herstellung umweltfreundlicherer Autos umgestellt werden.
* Brett Hoven redet bei den von der Sozialistischen Alternative (SAV) organisierten Sozialismustagen am 22./23. November in Berlin (Bürgersaal Stallschreiberstr. 12, Nähe U-Bhf. Moritzplatz): Sa. 18.30 Uhr: Die USA nach der Wahl – Die kapitalistische Krise und ihre Folgen für die arbeitende Bevölkerung. Mit Brett Hoven und Ty Moore (Socialist Alternative); So. 10Uhr: Autoindustrie am Abgrund – Wie können Jobs, Löhne und Arbeitsbedingungen verteidigt werden? Über ein gewerkschaftliches Programm zur Verteidigung gegen die kapitalistischen Krise diskutieren Mustafa Efe, oppositioneller Betriebsrat bei Daimler Berlin, Dogan Börühan, oppositioneller Betriebsrat bei Visteon Berlin, Brett Hoven, Ford-Arbeiter aus Minneapolis, USA, und Daniel Behruzi, Redakteur jW