Etwa 100.000 SchülerInnen waren gestern bundesweit im Streik und zogen durch die Straßen, um ihren Forderungen Gehör zu verschaffen. Überall in Deutschland berichtete auch die Presse über die Forderungen: kleinere Klassen von 20 SchülerInnen, dafür 100.000 LehrerInnen mehr bundesweit, kostenlose Bildung für alle, Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems und ein Ende der sozialen Auslese im Bildungssystem.
In etwa 40 Orten wurde gestreikt, darunter auch viele kleinere Orte, in denen fast die gesamte Schülerschaft in den Ausstand trat. Besonders wo sich unabhängige Schüleraktionskomitees gegründet haben, war der Streik erfolgreich. In Berlin waren von diesen Schulen die größten Gruppen gekommen, mit selbst gemalten Transparenten und Handschildern. An vielen Schulen waren schon seit einigen Wochen solche Aktionskomitees aktiv, hatten mit Flyern und Transparenten in der Schule auf den Streik aufmerksam gemacht. In Hamburg kamen 8000 zur Streikdemo – hier hatten die letzten stadtweiten Treffen bis zu 60 TeilnehmerInnen und bei Straßenaktionen beteiligten sich ebenfalls viele.
Die Anzahl der Streikenden ist besonders deshalb bemerkenswert, weil in den meisten Orten und Schulen verschiedenste repressive Maßnahmen angewandt wurden, um die SchülerInnen vom Streiken abzuhalten. Über die Presse wurde durch offizielle Stellen vieler Landesregierungen verbreitet, ein SchülerInnenstreik sei verboten und es müsse mit Tadeln und Verweisen gerechnet werden. An einigen Schulen wurde von einschüchternden Briefen an die Eltern berichtet. In Rostock und Kassel wurde berichtet, dass SchülerInnen in den Schulen eingeschlossen wurden. In Rostock gelang es, mithilfe der Demo eine dieser Schulen zu „befreien“. Die Größe der Demo dort lag mit 5000 über allen Erwartungen. In München hatte es einen Drohbrief des Kultusministeriums am Tag davor gegeben. Zudem waren viele Klausuren auf den Streiktag gelegt worden. Die Organisatoren hatten deshalb mit nur 1000 TeilnehmerInnen gerechnet. Obwohl es zudem auch noch in Strömen regnete, kamen 4000!
Vielerorts hatte sich die LehrerInnengewerkschaft GEW mit den Streikenden solidarisch erklärt. Leider gelang es in Berlin nicht, die Demo der Schülerlnnen wie vom Schülerbündnis mehrheitlich beschlossen, mit der Demo der Streikenden im Öffentlichen Dienst, unter ihnen auch angestellte LehrerInnen, zusammenzubringen. Ein Zusammenführen von Protesten muss für die Zukunft dringend angegangen werden. In Berlin hätte ein Zusammengehen mit der Demonstration der LehrerInnen ein Gefühl der Stärke und Solidarität vermittelt und wäre auch in der Öffentlichkeit mit viel Sympathie aufgenommen worden. Leider hatten sich besonders AktivistInnen der Antifa, die auch in kleiner Zahl auf der Demonstration vertreten waren, massiv gegen ein Zusammengehen mit den Gewerkschaften gewehrt. Es ist auch sehr schade, dass die an sich gut gemeinte spontane Besetzungsaktion in einem Gebäude der Humboldt-Uni durch das Verhalten einzelner chaotisch verlief. Die Aktionen einzelner Demo-TeilnehmerInnen, die Ausstellung zur Reichsprogrom-Nacht zu zerstören, hat den Zielen der Demo geschadet. Viele SchülerInnen versuchten die Zerstörung zu verhindern oder waren zurecht wütend darüber. Leider wurde in der Berliner Presse dieser Zwischenfall genutzt, um die gesamte Demonstration zu diskreditieren, anstatt über die Forderungen der SchülerInnen zu berichten und auch gegenüber anwesenden Studierenden und Uni-Beschäftigten wurde leider ein schlechter Eindruck hinterlassen.
Insgesamt war der bundesweite Streik ein riesiger Fortschritt – noch nie hat es einen gemeinsamen Streiktag von SchülerInnen in 40 Orten gleichzeitig gegeben! Auch die Tatsache, dass dies vor dem Hintergrund der schwersten drohenden Wirtschaftskrise seit den 30iger Jahren stattfand, ist von Bedeutung. Viele Parolen, richteten sich, dass die Regierung innerhalb weniger Tage 500 Milliarden für die maroden Banken bereitgestellt hat, aber für das marode Bildungssystem nichts dergleichen unternommen wird. Viele Streikende haben deshalb auch die Schlussfolgerung gezogen, dass dieses System im Interesse der Reichen und Konzerne ist. RednerInnen der SAV wiesen daher auf die Notwendigkeit hin, den Kampf für bessere Bildung mit dem Kampf für eine grundlegende Veränderung der Gesellschaft und für Sozialismus zu verbinden.
Dafür ist es notwendig, sich auch jetzt politisch zu organisieren. Die SAV lädt alle Interessierten dazu ein, sich uns in diesem Kampf anzuschließen und bietet in den verschiedenen Orten Veranstaltungen an. Besonders die jetzt stattfindenden regionalen Sozialismustage sind eine gute Gelegenheit, die Ideen und Arbeit der SAV kennenzulernen.