Wird Musharrafs Rücktritt die Krise des Landes beenden?
Als General Musharrafs Rücktritt vom Präsidentenamt bekannt wurde, brachen sofort Jubelfeiern auf den Straßen aus. Die Menschen begannen vor Freude zu tanzen und es wurden tonnenweise Süßigkeiten verteilt – eine Tradition bei Festlichkeiten in Pakistan.
von Khalid Bhatti, Lahore
Innerhalb der Regierungskoalition gibt es tiefe Risse. Der strittigste Punkt zwischen den beiden größten Regierungsparteien PPP (Pakistanische Volkspartei) und der PML-N (Pakistanische Muslimliga – Nawaz) dreht sich um die Wiederherstellung der Judikative. Die PML-N will, dass diese durch eine Rechtsverordnung sofort wieder hergestellt wird. Die PPP unterstützt die Wiedereinsetzung der von Musharraf entlassenen Richter allerdings nur als Teil eines verfassungsrechtlichen Gesamtpakets.
Spannungen in der Regierung
Die Problematik, die zum Bruch der Koalition führen könnte, ist der „Krieg gegen den Terror“. Die PML-N will das militärische Vorgehen in den Stammesgebieten und im Swat-Tal beendet wissen. Doch der US-Imperialismus übt starken Druck auf die Regierung aus, um nicht nur mit den Militäroperationen fortzufahren, sondern diese auch auf andere Gebiete auszuweiten. Die PPP und die Awami National Party (ANP), zwei der Koalitionspartner, möchten die Regierung von George Bush nicht brüskieren und akzeptieren deshalb eine Fortsetzung der US-Militärpolitik.
Es gibt viele Herausforderungen, mit denen die Regierung konfrontiert ist: die Zunahme religiös-extremistischer Militanz in den Stammesgebieten und einem großen Teil der Nordwestgrenzprovinz; der Mangel an Lebensmitteln und eine himmelhohe Inflation; zunehmende Armut und Hunger; eine stagnierende Wirtschaft und fortgesetzte nationalistische Aufstände in Belutschistan.
Die erste Rechtfertigung der Regierung dafür, dass diese Probleme nicht gelöst sind, hat keine Grundlage mehr: Sie hieß „Musharraf“. Die arbeitenden Massen stehen weiterhin über Stunden in Warteschlangen an, um Weizen und Mehl zu kaufen. Die wirkliche Testphase für die Regierung hat eben erst begonnen.
Stimmung unter den Massen
Die Regierung hat leicht an Unterstützung gewonnen, nachdem sie Musharraf aus dem Amt zwang. Trotzdem sind die arbeitenden Massen nicht bereit, der Koalition viel Zeit zu lassen. Vor dem Rücktritt Musharrafs zeigten alle Umfragen einen rapiden Einbruch der Unterstützung der PPP. Kurzfristig wird die PPP etwas Boden gut machen und davon profitieren, dass sie Musharraf von der Macht verdrängte.
Aber weiterhin gibt es Misstrauen unter breiten Schichten der arbeitenden Massen gegenüber sämtlichen politischen Parteien. Wut und Hass auf die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen wachsen.
Während es momentan eine Art Atempause im Kampf der arbeitenden Bevölkerung gibt, haben Teile der Arbeiterklasse – wie beispielsweise die Beschäftigten der Telekom- und der Textilbranche – ihre Stärke gezeigt. Obwohl diese Kämpfe noch verallgemeinert werden müssen, sind sie zukunftsweisend.
Die Arbeiterklasse braucht dringend ihre eigene Partei. Solch eine Partei kann auf der Basis eines radikalen sozialistischen Programms die Massen gegen Ausbeutung, Tyrannei und das verrottete kapitalistische und feudale System mobilisieren.
Khalid Bhatti gehört der Socialist Movement Pakistan (SMP) an. Die SMP ist die Schwesterorganisation der SAV