LINKE-Senator Wolf in Erklärungsnot
von Michael Schilwa, Berlin
Am 17. Juli führte die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Betrieb und Gewerkschaft im Berliner Abgeordnetenhaus eine Veranstaltung zum Thema „Gewerkschaftliche Kämpfe und Regierungspolitik“ durch.
Angesichts der beschäftigtenfeindlichen Politik des SPD/ LINKE-Senats ein durchaus brisantes Thema, das aber kurzfristig noch weiter aufgeheizt wurde, hatte der Senat doch just am Tag zuvor einseitig Einmalzahlungen an die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes in der Hauptstadt beschlossen und die Tarifverhandlungen schlicht für beendet erklärt – ein Tarif- und Lohndiktat à la Roland Koch in Hessen !
Ein halbes Dutzend SAV-Mitglieder beteiligte sich an dieser Veranstaltung und brachte gemeinsam mit ca. 50 GewerkschafterInnen den Herrn Senator und einige LINKE-Funktionäre gehörig in’s Schwitzen.
Wirtschaftssenator Wolf rechtfertigte das skandalöse Vorgehen nicht nur mit dem üblichen Standardargument der „Sachzwänge“, sondern verwies auf das „Spannungsverhältnis“, in dem er und seine LINKE-Senatoren sich befänden:
Zwar stünde auch die Berliner LINKE in „der Tradition der Arbeiterbewegung“ und „habe Sympathie“ für gewerkschaftliche Forderungen, aber in der Regierung „müsse“ die LINKE nun mal auch als „Arbeitgeber“ agieren.
Verdi-Landeschefin Susanne Stumpenhusen bewies in ihrer Erwiderung erstaunliche Langmut – einen Tag nachdem ihre Organisation quasi am Nasenring durch die Manege geführt worden war, erklärte sie „schlechte Laune“ zu haben, begnügte sich ansonsten aber mit der allgemeinen Klage, dass bei der derzeit hohen Inflation den Leuten mit Einmalzahlungen nicht geholfen sei.
Trotzdem wolle sie heute „keine Politikberatung für die LINKE“ betreiben, sondern lieber „Gemeinsamkeiten ausloten“.
Die Frontfrau der ‚Berliner Alternative für Solidarität und Gegenwehr’ (BASG) Lucy Redler erwiderte, dass die Berliner Kolleginnen und Kollegen nicht viel davon merken würden, dass die LINKE Berlin in der Tradition der Arbeiterbewegung stehe. Sie verwies neben dem rot-roten Tarifdiktat auf die Aushebelung des Ladenschlussgesetzes, den Ausstieg des Landes Berlins aus dem Kommunalen Arbeitgeberverband und den Abschluss bei der BVG und forderte DIE LINKE auf, aus dem Senat auszutreten, und sich auf die Seite der Kolleginnen und Kollegen zu stellen, statt mit der SPD gegen sie Politik zu betreiben.
Das rief die Helfershelfer der Veranstaltungsregie auf den Plan, mit solchen Beiträgen „vom extremen linken Rand“ sei eine „konstruktive“ Diskussion nicht möglich.
Die Mehrheit der Anwesenden sah das anders. Besonderen Zorn rief die Erklärung der LINKE-Fraktionschefin im Abgeordnetenhaus Carola Bluhm hervor, die Einmalzahlungen seien „ein Zeichen des guten Willens“ des Senats.
Daniel Behruzi, SAV-Mitglied und Redakteur der Tageszeitung Junge Welt, belegte daraufhin, dass die vermeintlich linkeste Landesregierung Deutschlands objektiv die beschäftigtenfeindlichste Politik betreibt. Fanny Zeise von der LAG Betrieb und Gewerkschaft der Berliner LINKEN warf der Landesregierung vor, im Tarifkonflikt bei den Verkehrsbetrieben (BVG) Alt- und Neubeschäftigte gegeneinander ausgespielt zu haben.
Aber nicht nur die gewerkschaftsfeindliche Politik von Rot-Rot stand in der Kritik, sondern auch ihre immergleiche Rechtfertigung mit dem „Sachzwang der leeren Kassen“.
Die Verdi-Verhandlungsführerin für den Öffentlichen Dienst Berlin, Astrid Westhoff, verwies darauf, dass bei einem prognostizierten Haushaltsüberschuss von 518 Mio. Euro in diesem und 90 Mio. Euro im nächsten Jahr (zu dem die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes durch jahrelangen Lohnverzicht nicht unerheblich beigetragen haben) Einmalzahlungen von 60 Mio. in zwei Jahren wohl kaum die Behauptung Wolfs rechtfertigen, hier würden „Spielräume genutzt“.
Mehrere RednerInnen kritisierten, dass die Sparwut des Senats sich in erster Linie gegen die Ärmsten der Stadt richte, beim „großen Geld“ hingegen der eherne Grundsatz des „Investorenschutzes“ gelte.
Während SPD-Finanzsenator Sarrazin einerseits zehntausende Hartz IV – Empfänger mit seinen zynischen „Diät-Vorschlägen“ verhöhnte und neuerdings eine originelle Lösung für die explodierenden Energiekosten propagiert (einfach dickere Pullover anziehen !), ist der „Sparfuchs“ andererseits offensichtlich noch nicht auf die Idee gekommen, die Schulden der landeseigenen Berliner Immobilien-Holding BIH (in der die Schrott-Immobilien des Bankenskandals gebündelt wurden ) bei der längst verkauften Berliner Landesbank auf Kommunalkredite umzuschulden – damit ließen sich ja auch „nur“ bis zu 340 Mio. an Zinszahlungen pro Jahr einsparen.
Jüngstes Beispiel für die offen pro-kapitalistische Politik dieses Senats ist das „Rettungspaket“ für acht ‚Geschlossene Immobilien-Fonds’ des Baulöwen Klaus Groth in Karow-Nord. Kostenpunkt: ca. 40 Mio. Euro.
Eine Pleite dieser Fonds muss natürlich unbedingt vermieden werden, denn leider hat die landeseigene Investitionsbank Berlin Verträge mit einer „ungewöhnlichen Rechtskonstruktion der Fonds als GmbH & Co OHG“ (Berliner Morgenpost vom 31.7.08) akzeptiert, was dummerweise dazu führt, dass ein „Durchgriffsrecht“ auf die 1659 „vermögenden“ Fonds-Zeichner „vorwiegend aus Süddeutschland“ „nicht gegeben“ sei.
Zumindest die Anwürfe bezüglich der unnötig hohen Zinszahlungen der BIH wollte Harald Wolf nicht auf sich sitzen lassen.
Zunächst erläuterte er dem erstaunten Publikum, dass es hier nicht um „Reform oder Revolution“ gehe, um sich dann ausführlich und souverän das Thema verfehlend zur „Risikoabschirmung“ der ehemaligen Landesbank zu äußern.
In den allermeisten Redebeiträgen wurde gefordert, dass die Berliner LINKE eine Diskussion darüber beginnen muss, wo eigentlich die „Schmerzgrenze“ der eigenen Regierungsbeteiligung liegt.
Einige RednerInnen stellten klar, dass es nicht nur um Berlin ginge, sondern die Politik der LINKE-Senatoren auch das bundesweite LINKE-Projekt beschädige ( „ Wie sollen wir Roland Koch attackieren, wenn wir in Berlin dasselbe machen ?“ ).
Dieser Grundtenor verfehlte seine Wirkung auch auf Ralf Krämer nicht, einen Vordenker der „Sozialistischen Linken“ (einer Strömung innerhalb der LINKEN, die bislang nicht durch übertriebene Konfliktfreudigkeit mit der Parteiführung aufgefallen ist).
Er konstatierte „Partei ist nicht gleich Regierung“ und forderte zumindest eine „Ausstiegsoption“, ohne die man ansonsten endlos erpressbar werde.
Das alles schien bei Moderator Wolfgang Albers nicht angekommen zu sein. In seinem Schlusswort stellte er kategorisch klar: „Die Regierungsbeteiligung in Berlin steht nicht zur Disposition.“
Um dann noch einen draufzusetzen: „Rot-Rot ist eine bundesweite Option, so, wie wir es hier in Berlin vormachen.“
Dazu darf es genau nicht kommen. Um zu verhindern, dass die LINKE den desaströsen Weg von ‚Rifondazione Communista’ in Italien geht, müssen marxistische Kräfte in der LINKEN den Druck massiv erhöhen