„Bei uns steht heute die Produktion weil die halbe Belegschaft hier steht“, so IGM-Betriebsrat Peter Hanle von Foxboro–Eckardt in Stuttgart. Was für Foxboro-Eckardt galt, galt am 26.5. auch für einige andere Betrieben im Mittleren Neckarraum, so zum Beispiel für Bosch Wernau oder WMF Geislingen.
von Ursel Beck, Stuttgart
Die Friedenspflicht ist zwar noch nicht zu Ende, einige Belegschaften und viele Kollegen hatten wegen Pfingstferien bis zum Wochenende Urlaub und trotzdem bot die IG Metall (IGM) Baden Württemberg diesen Montag 2.500 Kolleginnen und Kollegen zu einer Kundgebung vor dem Gebäude des Südwestmetall-Arbeitgeberverbands in Stuttgart-Degerloch auf. Sogar aus mehr als hundert Kilometer entfernten Städten, wie Heidelberg und Freudenstadt gab es Delegationen.
Anlass war die dritte Verhandlungsrunde zur Altersteilzeit. Bisher konnten die Metallerinnen und Metaller ohne allzu große Einbußen früher in Rente gehen. Dieses Modell funktioniert nicht mehr, weil die Bundesregierung die Rente auf 67 erhöht und gleichzeitig die Zuschüsse für die Altersteilzeitregelung durch die Bundesagentur für Arbeit gestrichen hat. Eine Vertreterin der IGM machte deutlich, was es bedeutet, wenn es keine Anschlussregelung gibt: Metallerinnen und Metaller könnten künftig erst mit 63 und nur mit Abschlägen in die Rente gehen. Dazu dürfe es nicht kommen. Die IGM verlangt eine neue Alterszeitregelung mit erzwingbaren Betriebsvereinbarungen und einer besseren materiellen Ausstattung für die unteren Lohngruppen. Im kampfstarken Südwesten will man darüber einen Pilotabschluss durchsetzen.
Doch bisher mauern die Arbeitgeber. Laut Bezirksleiter Jörg Hofmann hätten die Arbeitgeber bei den bisherigen Verhandlungen einen „Mentalitätswandel“ für spätere Verrentung eingefordert. Früher in die Rente gehen soll nur noch „wer mit dem Kopf unter dem Arm beim Chef erscheint“. So interpretierte Jörg Hofmann in seiner Rede die Position der Arbeitgeber, dass sie allein bestimmen wollen, wer früher gehen darf. Und oben drauf soll die Altersteilzeit von einer Pflichtleistung der Arbeitgeber zur Selbstfinanzierung durch Eigenbeteiligung werden. Das sei für die IGM nicht akzeptabel und wenn sich hier am Verhandlungstisch nichts bewege, werde der Druck erhöht werden. Roland Saur, Betriebsrat bei Bosch-Feuerbach machte deutlich, dass die Situation in den Betrieben nach einer früheren Verrentung schreit. Die Humanisierung der Arbeitswelt sei längst zu einem Fremdwort geworden. Die Leute würden sich unter den heutigen Bedingungen frühzeitig kaputt arbeiten. Gleichzeitig würde die Erhöhung des Renteneintrittsalters und die bisherige Regelung der Altersteilzeit bei Bosch dazu führen, dass bei den Angelernten nur noch 1/3 der Berechtigten in Altersteilzeit gehen. Die Mehrheit könne es sich wegen der hohen Abschläge nicht leisten.
Rente ab 60 nötig!
Als einziger Redner erklärte Roland Saur, dass für Gewerkschafter der Kampf um die Altersteilzeit nicht heißen dürfe, dass die Rente mit 67 akzeptiert werde. Dass er damit die Meinung der IGM-Basis vertrat, zeigte sich daran, dass viele Kolleginnen und Kollegen ihre Buttons von den Protestaktionen Anfang 2007 trugen auf denen eine durchgestrichene 67 bzw. „Rente mit 67 ist Blödsinn“ stand. Kollegen von Daimler Sindelfingen und von Festo in Esslingen hatten Transparente und Plakate auf denen sie die volle Rente mit 60 und feste Jobs für die Jugend einforderten.
Andre Halfenberg, Betriebsrat der IGM-„Alternative“ argumentierte in die gleiche Richtung: „Die Rente mit 67 ist der Hohn. Bei uns im Betrieb sind vielleicht von 500 Kollegen eine Handvoll über 60. Jeden älteren Kollegen, der es nicht mehr packt, drängen sie raus. Wir brauchen in jedem Fall die Rente mit 60“. Dass mit dem Thema Rente auch die Jugend mobilisiert werden kann, hat die große Zahl der demonstrierenden Azubis bewiesen.
Der JAV-Vorsitzende von Bosch Feuerbach, Mustafa Kalai erklärte in seiner Kundgebungsrede: „Damit die Jugend einsteigen kann, müssen ältere Kollegen aussteigen können“.
Wenn es nach den Worten der IGM-Funktionäre geht, dann kommt es nach Ablauf der Friedenspflicht am 3. Juni in Stuttgart zu Warnstreiks und notfalls zum Erzwingungsstreik. Denn Ziel sei es vor den Sommerferien einen Abschluss zu kriegen. Im Herbst steht in der Metallindustrie die Gehaltstarifrunde auf der Tagesordnung.