Krankenhausbeschäftigte werden beim Tarifergebnis im öffentlichen Dienst benachteiligt. Ein Gespräch mit Dieter Janßen
von Daniel Behruzi, zuerst veröffentlicht in der jungen Welt, 7.4.08
Dieter Janßen ist Personalrat, ver.di-Vertrauensmann im Klinikum Stuttgart und aktiv im »Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di«
Ziel der »Arbeitgeber« im Tarifkonflikt für die rund 2,1 Millionen Beschäftigten bei Bund und Kommunen (inklusive Eigenbetriebe) war es, die Krankenhausbelegschaften von der allgemeinen Lohnentwicklung abzukoppeln. Ist das gelungen?
Ja und nein. Wir haben – auch durch die sehr gute Beteiligung an den Warnstreiks in den Kliniken – eine dauerhafte Abkopplung verhindert. Allerdings erhalten die nichtärztlichen Krankenhausbeschäftigten den Großteil der Einkommenssteigerung von insgesamt durchschnittlich 7,9 Prozent nicht in diesem, sondern erst im kommenden Jahr. Neben dem Sockelbetrag von 50 Euro bekommen sie 2008 nur 1,6 Prozent mehr. Für alle anderen Beschäftigten bei Bund und Kommunen sind es 3,1 Prozent. Durch eine größere Lohnsteigerung schließen die Klinikmitarbeiter 2009 wieder auf, dennoch gehen ihnen 2008 mehrere hundert Euro verloren. Ich halte diese Ungleichbehandlung für nicht akzeptabel.
Wie erklärt die Gewerkschaftsspitze diese Regelung?
Erstaunlich ist, daß ver.di nach eigener Aussage diese Schlechterstellung selbst vorgeschlagen hat. Es wird argumentiert, daß die Krankenhausfinanzierung in diesem Jahr auf den Prüfstein gestellt wird, so daß die Kostensteigerung ab 2009 eingerechnet werden könne. Bislang haben wir aber immer umgekehrt argumentiert: Wir wollten mit einer möglichst hohen Lohnsteigerung dafür sorgen, daß es unmöglich wird, die Deckelung der Krankenhausbudgets beizubehalten. Davon, daß das erst 2009 geschehen soll, war nie die Rede.
Regt sich wegen der Benachteiligung der Klinikmitarbeiter Unmut?
Das Problem ist, daß dieses »Sonderopfer Krankenhäuser« kaum bekannt ist. Und in den ver.di-Flugblättern zum Tarifergebnis wird diese Tatsache, gelinde gesagt, auch nicht sonderlich deutlich. Ich bin der Meinung: Die Mitglieder müssen über alle Aspekte des Kompromisses – und nicht nur über die Schokoladenseite – informiert werden. Nur so haben sie tatsächlich die Möglichkeit, bei der Befragung, die bis Freitag in den Betrieben läuft, eine eigenständige Entscheidung zu treffen.
Auch wenn es die erwartete Mehrheit für das Ergebnis geben wird, müssen die ver.di-Vertreter in den Redaktionsverhandlungen, bei denen die Details des Tarifvertrags geklärt werden, unbedingt dafür sorgen, daß dieses Sonderopfer ausgeglichen wird.
Wird die Schlechterstellung bei der Bezahlung nicht dadurch kompensiert, daß die Krankenhäuser von der Arbeitszeitverlängerung ausgenommen sind?
Nein. Erstens gilt hier in Baden-Württemberg auch an den Kliniken die 39-Stunden-Woche weiter. Zweitens müssen die Beschäftigten kommunaler Krankenhäuser in den anderen Bundesländern die Beibehaltung der 38,5 Stunden durch Lohnverzicht bezahlen: Ihnen wird die sogenannte Leistungsvergütung von einem Prozent gestrichen und die Krankenhauszulage um zehn Euro im Monat gekürzt.
Wie bewerten Sie das Gesamtergebnis der Tarifverhandlungen?
Die Lohnerhöhung von 7,9 Prozent klingt zunächst gut. Aufs Jahr gerechnet ist das aber gerade etwas mehr als ein Ausgleich der Preissteigerung. Positiv ist der Sockelbetrag von 50 Euro, der den Kolleginnen und Kollegen in den unteren Einkommensgruppen zugute kommt. Das sollte von nun an in allen Tarifrunden eine Rolle spielen. Grundsätzlich wäre es richtig, statt prozentualer Erhöhungen eine Steigerung der absoluten Beträge zu vereinbaren. So könnten wir dafür sorgen, daß die Differenz zwischen unteren und oberen Lohngruppen nicht noch größer wird.
Das Hauptproblem an der Potsdamer Vereinbarung ist aber die Arbeitszeitverlängerung. Baden-Württemberg ist davon zwar größtenteils nicht betroffen, weil hier nach neunwöchigem Streik 2006 bereits die 39-Stunden-Woche vereinbart wurde. Dennoch ist es insgesamt – auch für andere Branchen – eine Katastrophe, daß ver.di und die anderen Gewerkschaften eine Arbeitszeitverlängerung ohne Kampf zulassen. Nötig ist nämlich das genaue Gegenteil: eine radikale Verkürzung der Arbeitszeiten, weil nur so dem ausufernden Streß begegnet und die Arbeitslosigkeit bekämpft werden kann. Wenn wir in dieser Frage endlich wieder in die Offensive kommen wollen, dürfen wir in einer Tarifrunde mit einer solch guten Ausgangssituation nicht einfach kampflos nachgeben.