Urabstimmung und Vollstreik für die volle Durchsetzung der Forderungen!
Mit einer angeblichen Erhöhung der Löhne um 8 Prozent versucht Lothar Späth (CDU), Vorsitzender der Schlichtungskommission, der Öffentlichkeit weis zu machen, dass es sich hier um ein faires Angebot für die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst handelt.
Scheinbar versucht er Bahnchef Mehdorn mit seinem gescheiterten Versuch, plumpe Mogelpackungen für echt zu verkaufen, noch zu überbieten. In Wirklichkeit bedeutet der Schlichterspruch zum Beispiel für 2008 eine lineare Erhöhung der Löhne und Gehälter um 2,6 Prozent für die unteren Einkommensgruppen und 1,7% für die oberen Einkommensgruppen. Das ist ohne die Arbeitszeitverlängerung auf 39,5 gegenzurechnen!
von Angelika Teweleit, Berlin
Denn für die ersten drei Monate 2008 soll es gar keine Erhöhung geben, und die Laufzeit soll insgesamt 24 Monate betragen. Für die Beschäftigten in den Krankenhäusern sollen 35 Euro Pflegezulage von 2006 angerechnet werden. Wie ver.di Chef Bsirske sagt, wäre das nicht einmal Inflationsausgleich.
Wie erwartet, haben sich die Arbeitgeber in der so genannten Schlichtung mit ihrem Ziel der weiteren Arbeitszeitverlängerung durchgesetzt. Damit würden weitere zehntausende von Stellen abgebaut.
Die Bundestarifkommission muss diesen Schlichterspruch klar ablehnen und die Verhandlungen am Samstag müssen sofort für gescheitert erklärt werden. Die Beschäftigten haben gezeigt, dass sie kampfbereit sind. Es gibt keinerlei Veranlassung, von den aufgestellten Forderungen abzurücken. Es ist möglich, die Forderungen voll durchzusetzen. Von der ver.di-Führung muss das klare Signal ausgehen – es wird keinerlei Kompensationen geben.
200 Euro voll durchsetzen
Mindestens 200 Euro bei 8% für alle, bei 12 Monaten Laufzeit, ist das Minimum, was in dieser Tarifrunde durchgesetzt werden muss. Durch den TVöD und drei Nullrunden haben die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes seit 2004 23% Reallohn verloren. 180.000 Kolleginnen und Kollegen von Bund, Ländern und Kommunen verdienten 2007 so wenig, dass sie Hartz-IV-Aufstockung in Anspruch nehmen mussten. Der öffentliche Schuldenabbau wurde zum Schuldenberg der Krankenpfleger, Müllwerker und Erzieherinnen. Viele Beschäftigte kommen nur mit einem Zweitjob über die Runden. Nicht umsonst wurden in den Betrieben und unteren ver.di-Gliederungen Forderungen nach 250 bis 350 Euro aufgestellt. Die 200 Euro Festgeldforderung sind somit für viele Beschäftigte schon der Kompromiss.
Schotten dicht bei Arbeitszeit und Einruppierung
Die Frage der Eingruppierung ist beim Schlichterspruch noch offen. Damit droht, dass bei den erst nach der Tarifrunde stattfindenden neuen Eingruppierungen massive Verluste auf die KollegInnen zukommen! Daher darf es keinen Abschluss geben ohne die Fortsetzung der Übergangsregelungen bei den Entgeltgruppen zu vereinbaren, bis eine bessere Regelung gefunden wird, die keinerlei Verschlechterungen beinhaltet.
Die Arbeitgeber haben zudem klar gemacht, dass sie es mit ihrem erklärten Ziel, die Arbeitszeiten zu verlängern, ernst meinen. Damit wollen sie auch ein Signal für andere Bereiche wie die Postdienste, das KfZ-Handwerk und die IG-Metall-Tarifrunde im Herbst setzen. Jede Minute Arbeitszeitverlängerung bedeutet weiteren Stellenabbau. Ver.di darf sich hier auf keinen Kompromiss einlassen – nicht 39,5 Stunden und auch nicht 39 Stunden. Was wir eigentlich brauchen, ist Arbeitszeitverkürzung, damit neue Stellen geschaffen werden, und um die Übernahme von Auszubildenden im erlernten Beruf zu erreichen. Daher muss ver.di der Provokation der Arbeitgeber endlich eine offensive Forderung nach Arbeitszeitverkürzung entgegenstellen – die Vereinheitlichung auf 38,5 Stunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich für alle. Damit könnte die Gewerkschaft den Kampf für weitere notwendige Arbeitszeitverkürzung und die 35-Stunden-Woche endlich wieder auf die Tagesordnung setzen. Eine offensive Gegenforderung in der Frage der Arbeitszeit wäre das klare Signal an die Arbeitgeber: hier wird es kein Abrücken der Gewerkschaft geben. Es hätte auch eine mobilisierende Wirkung auf die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst, an der Frage der Arbeitszeit wieder in die Offensive zu kommen. Denn die KollegInnen brauchen Arbeitszeitverkürzung, um den gewachsenen Arbeitsdruck und gestiegenen Stress auszugleichen.
Bei 12 Monaten Laufzeit bleiben!
Mit den vorgeschlagenen zwei Jahren Laufzeit wollen sich die Arbeitgeber den Rücken freihalten, um im Wahljahr 2009 nicht erneut den Unmut der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst zum Ausbruch kommen zu lassen. Diesen Gefallen dürfen ihnen die Gewerkschaften nicht machen. Die Beschäftigten müssen in die Lage versetzt werden, nächstes Jahr auf einem Erfolg von 2008 aufzubauen. Sind die Wahlen erstmal vorbei, dann sind die öffentlichen Arbeitgeber in einer viel besseren Position. Doch mit Streiks vor der Bundestagswahl könnte man sie viel leichter in die Knie zwingen. Dazu kommt, dass die Tarifverträge der Landesbeschäftigten ebenfalls zum 31.12.2008 auslaufen. Somit wären die Tarifrunden für die Beschäftigten von Bund, Kommunen und Ländern wieder zeitgleich und die Kampfkraft nochmals gestärkt. Auch unter den Bedingungen von wirtschaftlicher Instabilität, wie sie sich klar abzeichnet, muss die Laufzeit auf ein Jahr begrenzt bleiben, um in der Lage zu sein, weiteren Verlusten durch das Erkämpfen von besseren Löhnen und kürzeren Arbeitszeiten entgegenzuwirken.
Ver.di muss hart bleiben
Die beiden Warnstreikwellen im Februar/März haben eine enorme Kampfbereitschaft gezeigt. Ein bundesweiter Vollstreik von KrankenpflegerInnen, MüllwerkerInnen, StraßenbahnfahrerInnen, ErzieherInnen, Flughafenbeschäftigten, SchleusenwärterInnen und allen anderen Beschäftigten bei Bund und Kommunen wird die Arbeitgeber in die Knie zwingen. Die LokführerInnen haben mit einem 62-stündigen Vollstreik und der Androhung eines weiteren unbefristeten Erzwingungsstreiks 11% mehr Lohn und eine Stunde weniger Arbeitszeit erkämpft. Allein mit dem Bestreiken der Flughäfen, der Binnenschifffahrt und des Nahverkehrs haben die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst schon ein weitaus höheres Druckmittel als die Lokführer. Mit der Urabstimmung muss ein Vollstreik eingeleitet werden. Der Verhandlungsführer für die Kommunen, Thomas Böhle (SPD) behauptet, ein Streik ließe sich locker aussitzen. Doch man stelle sich mal eine Woche Vollstreik vor. Alle Kitas bleiben geschlossen, kein Müll wird entsorgt, Busse und Bahnen stehen still, kein einziges Flugzeug kann starten oder landen, der Güterverkehr auf den Flüssen findet nicht statt und so weiter. Damit könnten die Konzerne massiv getroffen werden und das gesamte öffentliche Leben wäre lahm gelegt. Daher muss die selbstbewusstse Strategie von ver.di und den anderen Gewerkschaften lauten: unbefristeter Vollstreik – bis die Arbeitgeber einlenken.
Alle gemeinsam!
Zusätzlich ist die Ausgangsposition so günstig wie selten, weil sich nicht nur die 2,6 Millionen Beschäftigten in Bund und Kommunen in einer Tarifauseinandersetzung befinden, sondern darüber hinaus auch Beschäftigte beim Einzelhandel, bei der Post, im KfZ Handwerk, die Landesbeschäftigten in Berlin und Hessen, die BVG Berlin. Das schreit nach gemeinsamen Aktionen. Wir schlagen daher zusätzlich vor: als Auftakt für einen Vollstreik einen gemeinsamen Streik- und Protesttag aller Beschäftigten, die sich in Tarifauseinandersetzungen befinden.
Die Ver.di Führung gibt sich kämpferisch. Damit das so bleibt, organisiert das „Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di“ Druck von unten für einen unbefristeten Vollstreik.