Die kleine Mittelmeerinsel Zypern, mit 750.000 Einwohnern südlich der Türkei gelegen und geteilt in einen griechischen Süden und einen türkischen Norden, mit Stacheldraht durch die Hauptstadt Nikosia, EU-Mitglied mit dem Euro als Währung, hat Geschichte geschrieben. Zum ersten Mal in seiner und in der EU-Geschichte wurde ein Kandidat einer Kommunistischen Partei in freien Wahlen zum Präsidenten gewählt.
von Hubert Schönthaler, Köln
Der Generalstekretär der kommunistischen Fortschrittspartei des Arbeitenden Volkes (AKEL) Dimistris Christofias gewann im zweiten Wahlgang am Sonntag, 24.2.2008 deutlich mit 53,36 % der Stimmen vor dem bürgerlichen, rechten und neoliberalen Kandidaten von der Partei Demokratischer Alarm (DISY), dem ehemaligen Außenminister Ioannis Kassoulidis, der 46,64 % erhielt. Christofias hatte dabei die Unterstützung der sozialdemokratischen Partei EDEK und der Mitte-Rechts-Partei DIKO.
Zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit der Insel 1960 war die AKEL, die größte zyprische Partei, mit einem eigenen Kandidaten angetreten. Bisher hatte sie immer im Namen der „nationalen Einheit“ einen bürgerlichen Kandidaten unterstützt.
Die Freude bei den Anhängern der AKEL war riesig. Tausende feierten mit Flaggen der Republik Zypern, Che-Guevara-Bildern und roten Gewerkschaftsfahnen den Sieg. Nur eine einzige griechische Fahne, Symbol des griechischen Nationalismus, war zu sehen (TAZ, 26.2.2008). Auch Zyperntürken waren aus dem Norden gekommen und feierten mit (Ethnos Website 25.2.2008).
Dies war ein Ausdruck der Stimmung gegen den Nationalismus, den von rechts geschürten Antikommunismus und den Neoliberalismus. Der sehr polarisierte Wahlkampf fand in einem „Klima des Bürgerkrieges“ (Ethnos am Sonntag, 24.2.2008) statt. Die Woche vor der Wahl war geprägt durch „vulgäre antikommunistische Argumente der 50er Jahre“ (Ethnos Website, 25.2.2008), durch den Versuch der Einschüchterung der AKEL-Wähler und der Schlammschlacht gegen die Partei (Rizospastis, 24.2.2008). Die zyprische griechisch-orthodoxe Kirche, die sich auszeichnet durch Obskurantismus und „Kommunismusphobie“ (Ethnos am Sonntag, 24.2.2008), unter Erzbischof Chrysostomos rief die Gläubigen zur Wahl von Kassoulidis auf und warnte vor dem „Atheismus“ der AKEL.
Christofias stellte sich jedoch dem Nationalismus und der religiösen Stimmungsmache entgegen, indem er erklärte, die Parole eines „Zypern der griechischen Christen“ sei gefährlich. Stattdessen sagte er, bereit auf die Zyperntürken zuzugehen: „Wir haben eine edle Vision, Zypern wiederzuvereinigen, es zu befreien von der Besetzung und ihren Folgen, es zu einem glücklichen Vaterland für alle seine Kinder zu machen, sein Volk zu vereinen, Zyperngriechen und Zyperntürken“ (Eleftherotypia, 25.2.2008).
Dabei wird er es jedoch nicht nur mit den Zyperntürken zu tun haben, sondern auch mit den aus Anatolien angesiedelten Türkeitürken und der im Nordteil der Insel stationierten türkischen Armee.
Neben der nationalen Frage, der Teilung, war ein Hauptthema seines Wahlkampfes die Schaffung einer „gerechteren Gesellschaft“ – nicht einer „gerechten“, sondern nur einer „gerechteren“, seine Antwort auf die sozialen Probleme infolge des Kapitalismus und auf die neoliberale Politik seines Vorgängern Tassos Papadopoulos. Denn während dessen Präsidentschaft sahen die Arbeitnehmer, wie ihre Löhne eingefroren wurden, wie das Renteneintrittsalter um drei Jahre angehoben wurde, die Studenten sahen sich durch die Gründung von drei Privatuniversitäten mit erhöhten Studiengebühren konfrontiert.
Papadopoulos´ Regierung, an der die AKEL allerdings vier Jahre lang beteiligt war, hatte überdies versucht, ein autoritäres Regime zu errichten, indem sie jeden politischen Gegner mehr oder weniger als „Verräter“ stigmatisierte und jeder Art von Nationalisten, „Patrioten“ und Faschisten freien Aktionsspielraum gab.
Die Erwartungen der arbeitenden Menschen und der Jugend an Christofias sind hoch. Sie erwarten von ihm, dass er die von der EU unterstützten Angriffe des Kapitals auf den Lebensstandard zumindest abschwächt, dass er gegen den Nationalismus Front macht, dass die beiden Gemeinschaften der griechischen und der türkischen Zypern einander näher kommen und eine gerechte und lebensfähige Lösung des Zypernproblems gefunden wird.
Diese Erwartungen werden nur erfüllt werden können, wenn er es wagt, mit den Kapitalisten, dem Establishment und der EU den Konflikt einzugehen.
Dies ist jedoch nicht zu erwarten. Denn: „In der praktischen Politik hat sie (die AKEL) längst ihren Frieden mit der Marktwirtschaft (sprich dem Kapitalismus) geschlossen“ (TAZ, 23./24.2.2008). Mit ihm sind „keine sozialistischen Experimente zu erwarten“ (TAZ, 26.2.2008). Schon vor der Wahl hatte auch Georgios Vassiliou, ehemaliger Präsident, Manager und einer der wohlhabendsten Bürger des Landes, gemeint: „Christofias hat niemals angekündigt, irgendetwas zu verstaatlichen. Man kann ihn am besten mit einem skandinavischen Sozialdemokraten vergleichen“ (TAZ, 23./24.2.2008).
Ein weiterer Grund, nicht allzu viel von Christofias zu erwarten, ist seine Zusammenarbeit mit einer Reihe bürgerlicher Parteien in einer Koalitionsregierung. Die AKEL vertritt die „Etappentheorie“, d.h. man müsse erst einmal demokratische, nationale Probleme wie die Teilung lösen und dies im Bündnis mit der „fortschrittlichen Bourgeoisie“, erst später stünde der Sozialismus auf der Tagesordnung.
Teilnehmen wird an dieser Koalitionsregierung die Mitte-Rechts-orientierte Demokratische Partei (DIKO) des im ersten Wahlgang gescheiterten bisherigen Präsidenten Tassos Papadopoulos, der fünf Jahre lang jede Lösung der Zypernfrage blockiert und diese in eine ausweglose Sackgasse manövriert hatte. Diese wird den Parlamentspräsidenten sowie drei Ministerien stellen, darunter vermutlich auch den Außenminister. Ebenfalls wird die sozialdemokratische Partei EDEK mit zwei Ministern vertreten sein.
Auch wenn Christofias in seiner Propaganda auf den Druck der arbeitenden Menschen und der armen Schichten reagiert, da diese die soziale Basis der AKEL sind, ist ein Konflikt zwischen ihm und der Arbeiterklasse vorprogrammiert. Denn durch seine Weigerung mit dem Kapitalismus zu brechen und sein Bündnis mit bürgerlich-kapitalistischen Kräften verpflichtet er sich den Profitinteressen der Kapitalisten.
Trotz dieser Beschränkungen wird die arbeitende Bevölkerung und die Jugend den Wahlsieg der AKEL als ihren Sieg verstehen und sich bestärkt fühlen, ihre Interessen in der Gesellschaft und der Politik zur Geltung zu bringen – auch gegen die neue Regierung.
Die zyprische Sektion des CWI, die nicht nur aus Zyperngriechen besteht, sondern auch ausgezeichnete Beziehungen mit kurdischen Kämpfern auf der Insel, die dort als Flüchtlinge leben sowie mit Organisationen im türkischen Norden besitzt, und die Organisation „Jugend gegen den Nationalismus“ griffen in den Wahlkampf ein mit der Parole „Wir wählen Dimitris Christofias. Wir kämpfen für eine neue Linke“. Dies konnte jedoch nur eine kritische Unterstützung sein. Die Unterstützung deshalb, weil Christofias der einzige Kandidat war, der im Namen der Arbeitnehmer und der Linken sprach, also unter den gegebenen Bedingungen der beste Vorschlag war.
Dabei machten sie jedoch klar, dass Christofias und die AKEL nicht die Probleme lösen werden und nicht die Linke sind, die konsequent die Arbeiterinteressen und die sozialistische Perspektive verteidigen. Dafür ist eine neue wahrhaft sozialistische und internationalistische Linke notwendig, die die Fehler des Stalinismus und der Sozialdemokratie vermeidet.
Und die Genossen werden weiterhin Druck machen für die Umsetzung einer antinationalistischen Politik im Interesse der Arbeiterklasse und Jugend und von Christofias, dem linken Präsidenten, eine linke Politik einfordern.