Nach der Hamburg-Wahl suchen die Herrschenden nach neuen Regierungsoptionen
Die Schlagzeile von BILD einen Tag nach der Hamburg-Wahl drückte die Sorge der Herrschenden aus: „Macht Lafo Deutschland unregierbar“? Spätestens mit der Hamburg-Wahl ist klar: DIE LINKE verändert die Parteienlandschaft nachhaltig. Sie zieht in der Hansestadt mit 6,4 Prozent ein. Stabile bürgerliche Zweierkoalitionen jenseits der Großen Koalition gehören der Geschichte an.
von Lucy Redler, Berlin
Der Niedergang von CDU und SPD setzte sich in Hamburg fort. Die CDU verlor die Alleinherrschaft. Die SPD legte trotz eines verbal linkeren Wahlkampfes nur drei Prozentpunkte zu und fuhr ihr zweitschlechtestes Ergebnis in der Nachkriegszeit ein. Die FDP scheiterte an der Fünf-Prozent-Hürde.
BILD, Financial Times Deutschland (FTD) und auch der CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla machten aus ihrem Wunsch einer schwarz-grünen Regierung nach der Wahl keinen Hehl.
Schwarz-Grün
Mit Schwarz-Grün würde in Hamburg ein Bündnis der Wahlverlierer geschmiedet. Auch die Grünen sackten in Hamburg um knapp drei Prozent ab. Trotzdem erscheint einem Großteil der Herrschenden Schwarz-Grün als das Beste, um sich vor der Bundestagswahl 2009 eine weitere Koalitionsmöglichkeit zu eröffnen. Möglicherweise als Vorstufe zu „Jamaika“, also einer Koalition von CDU, Grünen und FDP.
LINKE auf Erfolgskurs
DIE LINKE zog mit Hamburg in das zehnte Landesparlament ein und ist in Umfragen auf Bundesebene drittstärkste Kraft. Anne Will widmete der LINKEN am Wahlabend sogar eine ganze Sendung. Trotzdem: DIE LINKE hat ihr Potenzial in Hamburg nicht ausgeschöpft. Mit 6,5 Prozent konnte sie gerade mal das Niveau von der Bundestagswahl halten. Auch die niedrige Wahlbeteiligung von 63 Prozent sollten ihr zu denken geben. Sicher haben der LINKEN die Aussagen und die Kampagne gegen Christel Wegner geschadet. Aber entscheidend ist, dass DIE LINKE in den letzten Monaten unzählige Möglichkeiten verpasst hat, um politisch in die Offensive zu kommen. Sie hat den zentralen Kampf der Lokführer schlicht ignoriert und politische Steilvorlagen wie die Debatte um die Agenda 2010 oder den Steuerhinterziehungsskandal um Klaus Zumwinkel nicht genutzt. Damit wurden auch wichtige Chancen versäumt, mehr Mitglieder zu gewinnen und sich stärker zu verankern.
Und Rot-Rot-Grün?
Alle Parteien müssen auf die Linksverschiebung und DIE LINKE reagieren. In der SPD ist jetzt am Beispiel Hessen ein offener Richtungsstreit entbrannt, wie sie sich zur LINKEN verhalten soll. LINKE-Parteivorstandsmitglied Bodo Ramelow bot jüngst eine auf sechs Monate befristete Tolerierung einer SPD-geführten Regierung an (FTD vom 25. Februar). Solche Aussagen müssen entschieden bekämpft werden. DIE LINKE wird nicht durch Anpassung an die SPD, sondern nur mit einem knallharten Oppositionskurs gegen jeglichen Sozialkahlschlag und einem klaren sozialistischen Programm weiter aufbauen können.
Auch wenn DIE LINKE einen Beitrag in Hessen leistet, Roland Koch abzuwählen, darf sie keine einzelne unsoziale Maßnahme von Andrea Ypsilanti tolerieren. Entscheidend ist, dass DIE LINKE ihre Wahlerfolge nutzt, um den Widerstand gegen Sozialkürzungen aufzubauen. Dafür muss sie in Hessen ihrem Beschluss für eine Demo am 5. April gegen Tarifflucht und Studiengebühren endlich eine Mobilisierungskampagne folgen lassen. DIE LINKE in Hamburg sollte ihre bereits angekündigten fünf ersten parlamentarischen Initiativen ebenfalls mit einer kämpferischen Kampagne verbinden.
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Lucy Redler ist Mitglied der SAV-Bundesleitung und im Vorstand der Berliner Alternative Solidarität und Gegenwehr (BASG)