Nokia Bochum: Druckpotential ungenutzt

Keine weiteren Proteste zum Erhalt des Bochumer Nokia-Werks geplant. Linke Gewerkschafter kritisieren zögerliche Haltung der IG-Metall- und Betriebsratsspitzen


 

von Daniel Behruzi, zuerst veröffentlicht in der jungen Welt, 14.2.08

Der Kampf um den Erhalt des Bochumer Nokia-Werks ist offenbar beendet, bevor er richtig begonnen hat. Am Dienstag hatte die Konzernspitze bei einem Treffen mit Belegschaftsvertretern sämtliche Vorschläge zur Fortführung der Produktion rundweg abgelehnt und lediglich zugesagt, in Gesprächen nach »innovativen Lösungen für die Beschäftigten in Bochum« zu suchen. Dennoch erklärte die IG Metall am Mittwoch, man wolle vorerst nicht zu weiteren öffentlichkeitswirksamen Aktionen für den Erhalt der Fabrik aufrufen.

»Im Moment sind keine Proteste geplant – allerdings unter dem Vorbehalt, daß Nokia seine Zusage, sich für den Erhalt der Arbeitsplätze einzusetzen, auch tatsächlich einhält«, erklärte IG-Metall-Sprecher Wolfgang Nettelstroth am Mittwoch auf jW-Nachfrage. Am heutigen Donnerstag wollen sich Vertreter des Unternehmens und der nordrhein-westfälischen Landesregierung zu einem Gespräch treffen. Und am kommenden Mittwoch beginnen die Verhandlungen zwischen Management und Betriebsrat über einen Interessenausgleich. Solange mit diesen Gesprächen etwas zu erreichen sei, werde die Gewerkschaft nicht mobilisieren. »Die Frage ist jetzt, ob Nokia dieses Vertrauen rechtfertigt«, so Nettelstroth. Die IG Metall sei zwar beteiligt, die Verhandlungen würden aber vom Betriebsrat geführt, berichtete er. Anders als bei AEG in Nürnberg oder bei Bosch-Siemens in Berlin sei im Falle von Nokia derzeit nicht geplant, die Forderung nach einem »Sozialtarifvertrag« aufzustellen – für den die IG Metall zum Streik aufrufen könnte.

Kritik an dem zögerlichen Vorgehen von IG-Metall- und Betriebsratsspitzen kommt von linken Gewerkschaftern aus der Region. Michael Gerber, ehemaliger Betriebsrat des ebenfalls nach längerer Auseinandersetzung geschlossenen Siemens/BenQ-Handywerks im nordrhein-westfälischen Kamp-Lintfort, meinte gegenüber jW: »Leider verzichtet man darauf, die vorhandene Wut und die große Solidarität der Region weiter als Druckmittel gegenüber Nokia einzusetzen.« Es sei unverständlich, daß Gewerkschaft und Betriebsrat die Aktionen noch vor der offiziellen Aufsichtsratsentscheidung am 28. Februar einstellten. »Allein in Kaffeerunden wird man keine größeren Zugeständnisse erreichen«, zeigte sich Gerber überzeugt. Wenig Hoffnung setzt der Gewerkschafter auf die Suche nach ernsthaften Käufern für das Bochumer Werk. »Unsere Erfahrung bei BenQ ist: Jetzt werden sich potentielle Investoren die Klinke in die Hand geben, mit dem einzigen Ziel, millionenschwere Subventionen zu kassieren.« Er befürchte, daß die Belegschaft in den kommenden Wochen zwischen Hoffnung und Enttäuschung zerrissen werde, so Gerber.

Ähnlich sieht dies Andreas Felder, Betriebsrat der Gruppe »Gegenwehr ohne Grenzen« (GoG) im nahegelegenen Opel-Werk. Im jW-Gespräch sagte er: »Die Welle der Solidarität war super. Ich persönlich meine aber, daß die Nokia-Kollegen – wie wir im Jahr 2004 – die Arbeit hätten niederlegen sollen. Das ist das einzige, was in einem solchen Fall helfen kann.« Als »Heuchelei« kritisierte der Gewerkschafter die zur Schau gestellte Betroffenheit von CDU- und SPD-Politikern. »Die haben die Freiräume für das Kapital doch erst selbst geschaffen«, so Felder.