Afrika: Proteste gegen EPA-Abkommen mit der EU

Am 7. und 8. Januar fanden in vielen afrikanischen Ländern Proteste und Demonstrationen gegen das geplante Wirtschaftspartnerschaftsabkommen EPA (Economic Partnership Agreements) statt. In Dakar demonstrierten 50.000 Menschen, in Ougadougou gingen einige tausende auf die Strasse, in Mauretanien und Bamako fanden große Sozialforen statt.


 

von Tinette Schnatterer

Insgesamt protestierten Menschen in 20 betroffenen Staaten gegen das Abkommen, das eine weitere Stufe der neoliberalen Liberalisierung bedeutet.

Nach dem Willen der EU hätte das EPA-Abkommen bereits bis zum 31.12.07 verabschiedet werden sollen. Wegen dem wachsenden Protest der betroffenen Staaten konnte diese Frist allerdings nicht eingehalten werden. Bisher haben erst einzelne Staaten das Abkommen unterzeichnet.

Die EPA-Verhandlungen laufen sei 2002 im Rahmen der Cotonou- Verhandlungen, auf Grundlage der Regeln der WTO (Welthandelsorganisation). Betroffen sind 77 Länder in Afrika, der Karibik und dem Pazifik. Bei Nichtunterzeichnung hat die EU bereits mit schwerwiegenden Sanktionen gedroht. Das EPA soll damit den seit den 70er Jahren bestehenden sogenannten Präferenzhandel ersetzen durch den die Länder (größtenteils ehemalige Kolonien) kleinere Exportvorteile geschaffen wurden.

EPA = Verarmungsprogramm

Die Auswirkungen des EPA für die afrikanischen Länder sind verheerend, da sie die heimischen Produktionen weiter den Profitinteressen westlicher Konzerne ausliefern würden. So würde das Verbot von Exportrestriktionen dazu führen, daß die ohnehin kaum vorhandenen Quoten für Rohstoffe die im Land bleiben müssen aufgehoben werden müssen. Die Landwirtschaft, in der in vielen der betroffenen Gebieten die Mehrheit der Bevölkerung arbeitet (z.B. Burkina Faso 80 %, Mali 70%), ist doppelt betroffen. Nach dem EPA-Abkommen dürfen weder Steuern auf Importe erhoben werden noch die eigene Landwirtschaft subventioniert werden. Das führt dazu, dass die afrikanischen Märkte weiter mit Billiggemüse, Eiern, Fleisch,… aus dem europäischen Ausland überschwemmt werden.

Bereits in den letzten Jahren haben diese viele heimische Produkte verdrängt. So ist es in Mali, einem Land in dem an fast jeder Straßenecke ein Kuh steht, fast unmöglich geworden Milch zu kaufen. Stattdessen gibt es nun billigeres Milchpulver von Nestle. Kaffee aus dem nahe gelegene Côte d"Ivoire wird höchstens in Touristencafes getrunken, die Bevölkerung selbst trinkt Nestcafe. In Ghana nahm der Import von Tomatenpaste zwischen 2002 und 2004 von 26000 auf 40000 Tonnen zu.

Durch diese Entwicklung wird nicht nicht nur die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung weiter von EU-Konzernen abhängig werden, es wird auch die Existenzgrundlage vieler Bauern zerstören. Aus diesem Grund erklärte Aminata Traoré, Sprecherin des Forums für ein anderes Mali, auf einer Pressekonferenz in Bamako: "Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem EPA und der Immigration. Indem es die Arbeitsplätze vieler junger Menschen vernichtet, werden neue Immigrationsgründe geschaffen."

Auch der Staat verliert durch den Wegfall der Steuereinnahmen auf Importe eine seiner wichtigsten Einnahmequellen. Unter Druck geraten, sicherte die EU den Staaten nun zu, diese Ausfälle zu ersetzen. Aber erstens glaubt niemand daran, dass sie dies auf Dauer tun wird und zweitens wäre dies nichts anderes als ein direktes Geschenk an die europäischen Großkonzerne, die keine Einführzölle mehr zahlen müssen.

Auch die Dienstleistungen und das, was vom öffentlichen Dienst noch übrig ist, soll vollends für europäische Konzerne geöffnet werden. Dabei wurde in den letzten Jahren, unter dem Druck der Strukturanpassungsprogramme, schon fast alles privatisiert das in irgend einer Form Profit verspricht. In Bamako bleibt seit der Privatisierung der Müllabfuhr der Müll häufig liegen und muss von Stadtteilinitiativen wieder per Eselskarren eingesammelt werden.

Wachsende Konkurrenz um den afrikanischen Markt

Hinter den EPA-Verhandlungen steht die wachsende Konkurrenz um den afrikanischen Markt. Vor allem China hat in den letzten Jahren eine wichtige Rolle im Handel mit Afrika eingenommen. Im Zuge der Anfang Januar stattfindenen Afrikareise des chinesischen Außenministers Yang Jiechi gab China bekannt, der chinesische Handel mit Afrika sei alleine im letzten Jahr um über 30% auf 50 Mia. Euro gestiegen ist. Mit 41 Staaten hat China mittlerweile ein Meistbegünstigtenabkommen abgeschlossen, mit Südafrika verhandelt es zur Zeit sogar ein Freihandelsabkommen. Die EU versucht deshalb ihren Einfluß in Afrika zu sichern.

Aber die europäischen Länder konkurrieren untereinander um Handelsanteile. So erklärte das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) bei einem gemeinsamen Konkress mit der Handelskammer:

"Das Engagement der deutschen Wirtschaft angesichts der vielfältigen sich bietenden Marktchancen in Afrika sollte noch weitaus stärker sein" (weltonline 16.1.08)

Gewerkschaften und Arbeitgeber gemeinsam?

Das geplante EPA-Abkommen geht jetzt so weit, dass selbst neoliberale Politiker wie der senegalesische Präsident Wade dagegen protestieren. Demonstrativ verließ er das Treffen in Lissabon im Dezember und veröffentlichte einen offenen Brief gegen das Abkommen, der auch vom südafrikanischen Präsidenten unterzeichnet wurde. Neben dem Protest von Gewerkschaften und Bauernverbänden exisitiert auch eine Unterschriftensammlung namhafter afrikanischer Unternehmer. Die senegalesische Regierung ließ kostenlose T-Shirts gegen das Abkommen verteilen und viele Regierungsmitglieder nahmen an der Demonstration am 7.1. teil. Während Regierung und Unternehmer empört sind, dass nur die Interessen von EU-Konzernen verfolgt werden und nicht die von senegalesischen Unternehmern und Angst haben um die Staatsfinanzen, sind es die Beschäftigten und Bauern die bereits seit Jahren unter der neoliberalen Politik von der eigenen Regierung auf der einen Seite und der EU auf der anderen, leiden. Aus diesem Grund war für den 9.1.08 auch ein Generalstreik gegen steigende Lebenshaltungskosten im Senegal vorgesehen, der wegen der EPA-Demonstration von der Gewerkschaft abgesagt wurde. Sie hat der Regierung ein Spielraum bis März für neue Verhandlungen gelassen. Zu denken, die Regierung könne ein verlässlicher Partner im Kampf gegen das Abkommen werden ist allerdings ein Fehler. Stattdessen hätte der Generalstreik genutzt werden müssen um den Druck auf beide, Regierung und EU, zu erhöhen. Ein Beispiel für die neoliberale Politik der Regierung sind die Universitäten: die Studierenden im Senegal haben im letzten Jahr monatelang gegen Platzmangel an den Universitäten und gegen eine geplante Unireform gestreikt, die ihnen unter anderem Studiengebühren bescheren soll.

Afrikanischer Markt als Gegengewicht?

Viele Gegner der EPA-Verhandlungen setzen Hoffnungen in die Schaffung eines afrikanischen Marktes als Gegengewicht zu EU, USA und China, der die Entwicklung einer eigenständigen Wirtschaft und eine Steigerung des Lebensstandarts bewirken soll.

Natürlich ist es widersinnig wenn afrikanisches Obst nach Europa exportiert wird obwohl ein lokaler Markt vorhanden wäre. Natürlich müssen alle Versuche, den afrikanischen Kontinent weiter im Interesse europäischer Profitinteressen auszubeuten, bekämpft werden. Die Rolle und Bedeutung des derzeitigen Protestes ist in diesem Zusammenhang nicht zu unterschätzen. Allerdings ist es eine Illusion zu glauben ein solcher solidarischer, afrikanischer Markt könnte kreiert werden. Die starken Wirtschaftsmächte EU, USA und China werden niemals zulassen, dass sich ihr wirtschaftlicher Hinterhof in eine starke Konkurenz verwandelt. Das haben sie aktuell mit ihren Drohungen gegen die Nichtunterzeichner deutlich gemacht, in der Vergangenheit haben sie aber auch immer wieder bewiesen, dass sie nicht davor zurückschrecken Konflikte und Kriege zu schüren wenn dies ihren Interessen entspricht. Aber auch die Motivation der afrikanischen Länder ist nicht ein harmonischer afrikanischer Markt. Südafrika zum Beispiel, das mit dem Senegal den offiziellen Protest anführt, hat sich eine Rolle als lokaler Imperialist aufgebaut. In Ländern wie Namibia werden fast nur Produkte "made in SA" verkauft und diesen Markt möchte es verständlicherweise nicht an Europa abtreten.

Ein Teil der Bewegung gegen das EPA-Abkommen hat deshalb bereits die Schlussfolgerung gezogen, dass sie sich andere Bündnispartner suchen muss. Bei einer Konferenz in Bamako betonten Sprecher verschiedener Bauernorganisationen und Gewerkschaften, dass auch in Europa Proteste gegen neoliberale Politik stattfinden und erwähnten konkret die Proteste gegen Angriffe auf die Rente in verschiedenen europäischen Ländern. Aminata Traore, Sprecherin des Forums für ein anderes Mali, verglich das EPA-Abkommen mit dem undemokratischen Versuch eine EU-Verfassung einzuführen und sagte " Wir brauchen eine Koalition mit anderen Kräften im Norden, die wissen dass dieses Wirtschaftssystem eine Sackgasse ist."