Der Streik von einigen Tausend GDL-Mitgliedern hat die Republik polarisiert wie lange kein Arbeitskampf. Welche Rolle hat DIE LINKE dabei gespielt?
von Heino Berg, Bremen
Die enorme öffentliche Wirkung des Streiks hat vor allem zwei Gründe: Erstens kämpfen die Lokführer gegen einen Bahnvorstand, der öffentliches Eigentum zu einem Spottpreis an private Investoren verscherbeln will. Zweitens wollen die Lokführer die Lohnverzichtspolitik durchbrechen, die den ArbeitnehmerInnen seit Jahren nicht nur von Regierung und Kapital, sondern auch von der Führung der eigenen Gewerkschaften verordnet worden ist.
Monatelanges Abwarten
Die Unterstützung, auf die der Lokführerstreik spontan in der Bevölkerung gestoßen ist, spiegelt die Umfragemehrheiten gegen die Großen Koalition und gegen die Hartz- und Rentengesetze. Und weist damit auf die großen Möglichkeiten der einzigen Partei hin, die sich im Bundestag gegen diese Gesetze ausgesprochen hat. DIE LINKE hatte seit Sommer die Chance und damit auch die politische Verpflichtung, die Solidarität der Bevölkerung für den Lokführerstreik nicht mit Worten, sondern auch mit praktischen Aktionen zum Ausdruck zu bringen, um so auf einen Durchbruch gegen die allgemeine Privatisierungs- und Lohnraubwelle hinzuwirken.
Tatsache ist jedoch, dass die Bundesführung der LINKEN diese Gelegenheit bisher verpasst hat. Seit der Urabstimmung für den Streik sind Monate vergangen, ohne dass Oskar Lafontaine oder Gregor Gysi zu den Streikenden gegangen und dort aufgetreten sind, wie das noch beim letzten Streik von ver.di oder beim Kampf der Belegschaften von AEG in Nürnberg oder Bosch-Siemens-Hausgeräte in Berlin der Fall war. Was damals den KollegInnen Mut gemacht hatte und in der Bevölkerung als Antwort auf die Profitgier der Konzerne Hoffnungen ausgelöst hatte, blieb beim Kampf der Lokführer bisher aus. Stattdessen aus Rücksicht auf die sozialdemokratischen Gewerkschaftsführer lange Zeit betretenes Schweigen oder sogar – wie bei den Vorstandsmitgliedern Ulrike Zerhau oder Bodo Ramelow – indirekte Unterstützung für die Streikbrecherrolle der Transnet-Führung.
Druck auf die Parteispitze
Diese Position stieß besonders in den westlichen Landesverbänden der LINKEN auf massiven Widerstand – was unterstreicht, dass sie sich dort unter dem Einfluss der früheren WASG von Berlin und Ostdeutschland unterscheiden. Die Landesverbände von Bremen und Nordrhein-Westfalen waren die ersten, die sich – nicht zuletzt durch Initiativen von Mitgliedern der SAV und der Antikapitalistischen Linken – für eine uneingeschränkte Solidarität mit dem GDL-Streik ausgesprochen und daraus praktische Konsequenzen durch Veranstaltungen und Unterschriftensammlungen gezogen hatten. Andere Gliederungen folgten, vor allem im Jugend- und Studentenbereich sowie in Hessen und Hamburg, wo Wahlkämpfe stattfinden.
Unter diesem Druck musste im November sogar der Bundesvorstand der LINKEN nachgeben und zumindest formal ein Bekenntnis zur Solidarität mit dem Streik ablegen. Auch wenn sich das nicht auf die Forderung der Streikenden nach einem eigenständigen Tarifvertrag erstreckte, ist der Beschluss ein Erfolg für die Streikenden und für die antikapitalistische Opposition innerhalb und außerhalb der Partei DIE LINKE.
Erklärungen sind Silber…
Klar ist aber auch, dass es nicht bei Lippenbekenntnissen bleiben darf. Daraus müssen endlich praktische Konsequenzen gezogen werden, gemeinsam mit den GDL-KollegInnen und allen Gewerkschaftern, die durch die Unterstützung des Streiks eine Wende in der Lohnpolitik herbeiführen wollen.
DIE LINKE mit ihren über 60.000 Mitgliedern sollte – solange die Lokführer ihren Kampf fortsetzen – mit Massenflugblättern, Plakaten, Unterschriftensammlungen und öffentlichen Auftritten für das Fahrpersonal der Bahn eintreten. Wir brauchen gemeinsame Aktionen und Diskussionen mit den VertreterInnen anderer Gewerkschaften – um eine bundesweite Solidaritätskampagne aufzubauen. DIE LINKE sollte ihren Einfluss geltend machen und Initiativen zur Ausweitung der Unterstützung, möglicherweise über Aktionstage eine bundesweite Demonstration und Streikmaßnahmen für die Lokführer und gegen die Bahn-Privatisierung, ergreifen.