Betriebsbesetzung Nordhausen: Rote Räder

War die Schließung von Bike-Systems zu verhindern?


 

Am 31. Oktober endete die Betriebsbesetzung von Bike-Systems im thüringischen Nordhausen. Trotz monatelangem Kampf und der Herstellung von „Strike-Bikes“ in Eigenregie reichte es leider nicht für die Weiterführung der Produktion.

von Michael Koschitzki, Berlin

Am 10. Juli platzte den KollegInnen der Kragen. Bike-Systems wurde von der „Heuschrecke“ Lone Star aufgekauft. Im Interesse der Konkurrenz, die zu einem großen Teil auch Lone Star gehört, sollte die Fabrik geschlossen werden. Die Besetzung war die spontane Reaktion.

„Die Stärke, die wir zusammen haben, ist enorm – so etwas haben wir hier noch nicht erlebt“, meinte ein Kollege. In Form einer „andauernden Betriebsversammlung“ hielten die KollegInnen 114 Tage und Nächte durch.

Die Belegschaft stand nicht allein. Die gesamte Stadt solidarisierte sich. Zahlreiche Solidaritätsschreiben gingen ein. Allerdings nutzte die IG Metall ihren Apparat nicht, um bundesweit breite Öffentlichkeitsarbeit und wirksame Solidaritätsaktionen zu organisieren.

Produktion unter Arbeiterregie

Ein Ausdruck für die Sympathien sind die Bestellungen der „Strike-Bikes“. „Wir sind gar nicht mehr mit dem Bearbeiten nachgekommen“, erklärte Betriebsrätin Manuela Fischer. Innerhalb von zwei Wochen waren die 1.800 Bestellungen eingetroffen, die nötig waren, um die Produktion nochmal starten zu können.

Die „Strike-Bikes“ sind von den Beschäftigten selbst hergestellte Fahrräder. Eine Idee, die auch mit Zutun der anarcho-syndikalistischen Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter Union (FAU) umgesetzt wurde. Die Aufschrift „Strike-Bike“ prangt auf dem roten Rahmen. „Es ist eine schöne Signalfarbe“, sagte der Schlosser Jens Müller, „und sie ist verbunden mit den Begriffen Arbeit und Arbeiterbewegung“.

Die eigene Fahrrad-Produktion schloss eine Reihe von Aktionen, Demonstrationen, ein Kinderfest und vieles mehr ab. Zu Redaktionsschluss sah es so aus, als hätten sie damit zumindest eine höhere Abfindung rausholen können.

Investorensuche – warum?

Mit dem 1. November beginnt aber leider die Arbeitslosigkeit auf Raten in der Auffanggesellschaft. Die KollegInnen wollten mit den „Strike-Bikes“ eigentlich zeigen, dass sie wirtschaftlich arbeiten können – um einen Investor zu finden.

Ein privater Investor hat aber in der Regel zu viel Angst vor Belegschaften, die sich zur Wehr setzen. Vielleicht wehren sie sich als Nächstes gegen seine Pläne zur Profitmaximierung. Das spricht nicht gegen die Belegschaft, sondern dagegen, auf private Investoren zu bauen.

Die KollegInnen haben schon mit der Produktion des „Strike-Bikes“ bewiesen, dass sie auch ohne Chef produzieren können. Warum dann einen Neuen suchen?

Überführung in öffentliches Eigentum?

Allerdings kann man die Fabrik auch nicht genossenschaftlich auf die Belegschaft aufteilen. Selbst wenn sich alle Genossenschaftsanteile leisten könnten: Warum und wie soll ein Arbeiter für die Risiken der chaotischen und von Krisen geprägten Marktwirtschaft aufkommen?

Es wäre nur die Überführung des gesamten Betriebes durch das Land Thüringen in öffentliches Eigentum als Ausweg geblieben. So hätten nötige Investitionen durch den Staat erfolgen können. Der Betrieb hätte kostenfrei übernommen werden müssen (Lone Star hat genug Gewinne eingefahren und ist nicht bedürftig). Anschließend hätte gemeinschaftlich die gesamte Produktion von Fahrrädern, sinnvoll auf den Bedarf abgestimmt, organisiert werden können. Die Kontrolle durch die Belegschaft hätte dabei aufrecht erhalten werden müssen.

Diese Forderung wurde leider nicht ernsthaft aufgeworfen. Die Losung nach Überführung in öffentliches Eigentum hätte die entscheidende Klammer sein können, die vorhandene Solidarität zu bündeln und in eine erfolgreiche Kampagne umzuwandeln.