90 Jahre nach der Russischen Revolution: Einige Lehren des Roten Oktober

Die russische Oktoberrevolution des Jahres 1917 war das größte und bedeutendste Ereignis der bisherigen Menschheitsgeschichte. Heute vertreten nur die wenigen Marxistinnen und Marxisten diese Ansicht. Für die offizielle bürgerliche Geschichtsschreibung – die in der Schule gelehrt und in den Massenmedien verbreitet wird – war die Oktoberrevolution ein kommunistischer Putsch, ein abenteuerliches Experiment, ein Schritt zur stalinistischen Diktatur. Für uns jedoch ist sie der Beweis, dass eine von den Massen der Arbeiterklasse und Bauernschaft getragene sozialistische Revolution möglich ist und sie birgt zahlreiche Lehren für die heutigen und zukünftigen Klassenauseinandersetzungen weltweit.


 

von Sascha Stanicic

Dieser Artikel wird versuchen, einige der wichtigsten Lehren der Oktoberrevolution zu benennen und auf die heutige Situation anzuwenden. Er verzichtet daher auf eine Darstellung der Ereignisse der Russischen Revolution. Der Leser und die Leserin seien auf die verschiedenen Artikel, die die SAV zum Verlauf der Revolution publiziert hat (zu finden auf www.archiv.sozialismus.info/1917) und auf das die Ereignisse des Jahres 1917 behandelnde Buch von Wolfram Klein verwiesen (siehe Anzeige in diesem Magazin).

„Alle Macht den Räten“

Die revolutionären Ereignisse des Jahres 1917 begannen mit der spontanen Erhebung der Massen, die als Februarrevolution in die Geschichte einging. Kriegsmüde und von den Entbehrungen der Kriegsjahre und der zaristischen Unterdrückung nieder gedrückt, erhoben sich die ArbeiterInnen Petrograds. Ihre Klassenbrüder und -schwestern im ganzen Zarenreich folgten ihnen. Die Februarrevolution stürzte Zar Nikolaus II., sie beendete aber weder den Krieg, noch löste sie die Landfrage oder hob den Lebensstandard der verarmten und hungernden Massen. Sie leitete eine Übergangsphase ein, die mit der Machteroberung der Sowjets im Oktober ihr Ende fand.

Die ArbeiterInnen Petrograds und anderer Städte, die Soldaten an der Front und, mit etwas Verzögerung, auch die bäuerlichen Massen knüpften mit der Februarrevolution an die gescheiterte Russische Revolution des Jahres 1905 an, die von dem Führer der bolschewistischen Partei Lenin als Generalprobe für die Oktoberrevolution bezeichnet wurde. Im Jahre 1905 wurden erstmals in der Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung Räte gebildet, im Russischen heißt Rat „Sowjet“. Diese Räte waren Kampf- und Machtorgane der Arbeiterklasse in einem.

Nach dem Februar ging nichts ohne die sofort ins Leben gerufenen Räte, aber sie bildeten nicht die neue Regierung des Landes. Diese wurde von den bürgerlichen Parteien in Kooperation mit den gemäßigten Arbeiterparteien – den Menschewiki und Sozialrevolutionären – gebildet. Es gab eine Doppelherrschaft zwischen Sowjets und der offiziellen Regierung. Diese aufeinander folgenden so genannten provisorischen Regierungen, die kaum Anstalten machte einen Endpunkt ihrer vorübergehenden Amtszeit zu benennen, führte den Krieg fort, widersetzte sich dem Acht-Stunden-Tag, verhinderte die Verteilung des Landes auf die bäuerlichen Massen und dachte gar nicht daran, die im Nationalitätengefängnis des großrussischen Reiches eingesperrten unterdrückten Nationen in die Freiheit zu entlassen.

Die gemäßigten Linken beteiligten sich an der Regierung, mit Kerenski sollte sogar ein Mitglied der sozialrevolutionären Partei zum Ministerpräsidenten mit diktatorischen Ansprüchen werden. Sie taten dies, weil sie davon ausgingen, dass dem Sturz des Zaren die Herrschaft der Bourgeoisie folgen müsse, eine kapitalistische parlamentarische Republik. In den Sowjets hatten diese Linken, Menschewiki und Sozialrevolutionäre, in den ersten Monaten nach der Februarrevolution die übergroße Mehrheit. Sie sahen die Sowjets als ein Mittel, um Druck auf die provisorische Regierung auszuüben. Gleichzeitig nutzten sie ihre Position in den Sowjets, um die ArbeiterInnen von einer Steigerung des Kampfes zurück zu halten und faktisch die Auflösung der Sowjets als Kampf- und Machtorgane vorzubereiten.

Wie verhielt sich der linke Flügel der russischen Arbeiterbewegung – die Partei der Bolschewiki? Tatsächlich fanden innerhalb der bolschewistischen Partei zwischen Februar und Oktober nicht wenige heftige politische Richtungsstreits statt. Ein Teil der alten Garde der Partei – namentlich Kamenew, Sinowjew und in den ersten Monaten auch Stalin – ging nicht in prinzipielle und scharfe Opposition gegenüber der provisorischen Regierung, sondern verfolgte eine Politik der kritischen Unterstützung von außen. Selbst eine Vereinigung mit den Menschewiki wurde von einigen bolschewistischen Führern nicht ausgeschlossen. Eine sozialdemokratisch-reformistische Strömung existierte in der Partei der Oktoberrevolution. Es bedurfte eines bewussten und heftig geführten Kampfes von Lenin, um die Partei für eine revolutionäre Politik unter der Parole „Alle Macht den Sowjets“ zu gewinnen. Noch vor seiner Rückkehr nach Russland telegrafierte er aus der Schweiz an die Partei: „Unsere Taktik: kein Vertrauen; keine Unterstützung für die neue Regierung; misstraut besonders Kerenski; die Bewaffnung der Arbeiterklasse ist die einzige Garantie; (…) keine Annäherung an andere Parteien. (…) Die geringste Unterstützung für die Provisorische Regierung ist Verrat.“

Die Politik der Menschewiki und des rechten Flügels der Bolschewiki findet heute ihre Entsprechung in der Politik der Koalitionsregierungen mit bürgerlich-kapitalistischen Parteien, wie sie von „linken“ und „sozialistischen“ Parteien in vielen Ländern verfolgt werden. Ob es sich um die Partito Rifondazione Comunista in Italien, die Partei DIE LINKE im Berliner Senat oder die Regierung von Lulas PT (Arbeiterpartei) in Brasilien handelt: sie alle betreiben die falsche menschewistische Politik der Klassenzusammenarbeit mit den Kapitalisten und der Politik des so genannten „kleineren Übels“. Es soll Druck ausgeübt werden auf die Parteien der bürgerlichen Mitte, auf die Kapitalisten und ihre Banken und Konzerne. Aber ihr System, ihre Institutionen der Macht und ihr Eigentum an den Banken und Konzernen wird nicht angetastet. Dabei heraus kommen Privatisierungen, Sozialabbau, Lohnkürzungen, Stellenabbau und Unterstützung von kapitalistischen Militäreinsätzen (wie im Fall der italienischen Truppen in Afghanistan und der brasilianischen Intervention auf Haiti) – genauso, wie die provisorische Regierung nach der Februarrevolution unter dem Banner der Vaterlandsverteidigung den Krieg fortsetzte, das Land nicht an die Bauern und Bäuerinnen verteilte und sich weitgehenden Sozialreformen widersetzte.

Die Permanente Revolution

Der Verlauf der Russischen Revolution war kein historischer Zufall. Revolutionen haben Gesetzmäßigkeiten. Die Basis ihrer Entwicklung wird von objektiven Faktoren geleitet, wenngleich subjektive Faktoren – also handelnde Individuen und Gruppen von Individuen – eine entscheidende Rolle für den Ausgang der Ereignisse spielen können.

Zu den objektiven Bedingungen zählen wir den Stand der Produktivkräfte, also die ökonomische Situation einer Gesellschaft und deren Folgen auf das Bewusstsein der unterschiedlichen Gesellschaftsklassen, auf die Kämpfe dieser Klassen und die Verhältnisse zwischen den Nationen (im Falle der Russischen Revolution war der Erste Weltkrieg ein entscheidender objektiver Faktor). Einige MarxistInnen haben entscheidende Faktoren des Verlaufs der Russischen Revolution vorhergesehen. Insbesondere Leo Trotzki hat mit seiner 1906 entwickelten Theorie der Permanenten Revolution vorausgesagt, dass in einer Revolution in Russland die Arbeiterklasse die führende Rolle übernehmen wird, dass sie selber die Macht ergreifen muss und dass sie neben den noch nicht erfüllten Aufgaben der bürgerlichen Revolution auch an sozialistische Aufgaben herangehen wird.

Dies war für so Manchen ein geradezu unfassbarer Bruch mit dem offiziellen Marxismus. Dieser ging, einige von Marxens Aussagen zu einem schematischen Dogma erhebend, davon aus, dass ein halbfeudales Land, wie Russland es war, eine Phase bürgerlich-kapitalistischer Demokratie durchlaufen muss, um die Basis für eine sozialistische Revolution zu schaffen. Diese wiederum könne nur in entwickelten kapitalistischen Ländern vollzogen werden. Wie Trotzki, so hatte auch Lenin schon zu Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts erkannt, das die russische Bourgeoisie unfähig war, eine revolutionäre Rolle gegen die Selbstherrschaft des Zaren und gegen den Feudalismus zu spielen. Doch er ging nur so weit, die allgemeine Formel von der „demokratischen Diktatur der Arbeiter und Bauern“ zu prägen. Diese erkannte zwar, dass die ArbeiterInnen und Bauern/Bäuerinnen im Kampf gegen die Kapitalisten die führende Rolle in der Revolution spielen müssen, aber beantwortete nicht die Frage, welche Aufgaben diese lösen sollten und welchen Charakter (proletarisch oder bäuerlich) die Revolution genau haben wird.

Doch mit dem Ausbruch der Februarrevolution handelte Lenin getreu seiner Aussage „Nicht den alten Formeln, sondern der neuen Wirklichkeit muss man sich anpassen.“ Als er im April 1917 in Russland ankam begrüßte ihn ein junger Marinekommandeur mit den Worten, er hoffe, „dass Lenin Teil der Provisorischen Regierung werde“. Lenin wandte diesem Würdenträger den Rücken zu und sprach zu den ArbeiterInnen am Bahnhof: „Die Russische Revolution, die Ihr erreicht habt, hat eine neue Epoche eröffnet. Lang lebe die sozialistische Weltrevolution!“

Er veröffentlichte seine Aprilthesen, in denen er zur Machtergreifung durch die Arbeiterklasse und zur Bildung einer Arbeiterdemokratie aufrief. Unter anderem schreib er: „Nicht parlamentarische Republik – eine Rückkehr von den Arbeiterdeputiertenräten zu dieser wäre ein Schritt rückwärts –, sondern eine Republik von Arbeiter-, Landarbeiter- und Bauerndeputiertenräten im ganzen Lande, von unten bis oben. Abschaffung der Polizei, der Armee, des Beamtentums. Entlohnung aller Beamten, die durchweg wählbar und jederzeit absetzbar sein müssen, nicht über den Durchschnittslohn eines qualifizierten Arbeiters.“

Damit übernahm er faktisch Trotzkis Konzept der Permanenten Revolution.

Dieses erkannte an, dass in einem wirtschaftlich rückständigen, halbfeudalen Land die nationale Bouregoisie zu schwach ist und zu stark mit der Klasse der Großgrundbesitzer einerseits und dem ausländischen Imperialismus andererseits verbunden ist, um eine revolutionäre Rolle spielen zu können. Die ungelösten Aufgaben der bürgerlichen Revolution – Landverteilung, Demokratie, Entwicklung einer nationalen Industrie, reale nationale Unabhängigkeit – können in diesem Fall nicht unter Führung der Kapitalistenklasse in einer bürgerlichen Demokratie erreicht werden. Die Arbeiterklasse muss die Führung der Nation übernehmen und mit den Fesseln von Großgrundbesitz und Monarchie auch die Fesseln des kapitalistischen Privateigentums abstreifen und in einem „ununterbrochenen“ (oder eben „permanenten“) Prozess von der bürgerlichen in die sozialistische Revolution übergehen. Genau dies geschah im Jahr 1917 in Russland.

Auch einen weiteren Aspekt der Theorie der Permanenten Revolution machte Lenin sich zu eigen und auch dieser wurde, wenn auch negativ in den Jahren nach der Oktoberrevolution bestätigt: der Gedanke, dass der Aufbau des Sozialismus nicht isoliert in einem Lande siegen kann, sondern aufgrund der Ausdehnung des Kapitalismus zum Weltsystem und Weltmarkt eine internationale Abschaffung des Kapitalismus die Voraussetzung für eine sozialistische Entwicklung ist.

Dieser Gedanke würde auch nach einer sozialistischen Revolution in einem entwickelten kapitalistischen Land zutreffen. Im rückständigen Russland galt er in gewisser Hinsicht doppelt, denn dessen schwache ökonomische Basis erschwerte selbst den Aufbau einer Arbeiterdemokratie auch nur für eine längere Übergangsphase bis zur internationalen Ausdehnung der Revolution. Lenin und die Bolschewiki setzten in den Jahren nach dem Oktober alle Hoffnungen auf den Sieg der Revolution in anderen Ländern, vor allem in Deutschland. Sie hofften, dass eine siegreiche Arbeiterklasse in einem oder mehreren entwickelteren kapitalistischen Ländern, ihnen wirtschaftlich und politisch zur Hilfe eilen könnte. Die Entartung der Revolution zur stalinistischen Diktatur und die kapitalistische Restauration nach siebzig Jahren bestätigten Trotzkis und Lenins Annahme von der Unmöglichkeit eines „Sozialismus in einem Lande“.

Diese Fragen haben nicht nur einen historischen Charakter, sie sind brandaktuell. Insbesondere für diejenigen Regionen, in denen die Aufgaben der bürgerlichen Revolution noch nicht vollständig gelöst sind, die in imperialistischer Abhängigkeit und mit starken Elementen von Großgrundbesitz existieren – Afrika, Asien, Lateinamerika.

Ein Blick nach Nepal oder Venezuela reicht, um zu erkennen, dass die Arbeiterbewegung dort vor ganz ähnlichen Fragen steht, wie die Arbeiterbewegung Russlands im Jahr 1917. Aber heute gehen die Kommunistischen Parteien Nepals und Venezuelas, aber auch die Regierung von Hugo Chávez nicht den Weg von Lenin und Trotzki (auch wenn Chávez sich auf Trotzki positiv bezieht), sondern folgen der politischen Logik der Menschewiki, die wiederum in den dreißiger Jahren von der stalinisierten Kommunistischen Internationale mit der so genannten „Etappentheorie“ wieder aufgewärmt wurde. Diese besagt, dass in Ländern, in denen die Aufgaben der bürgerlichen Revolution noch nicht vollendet sind, erst eine Etappe kapitalistischer Demokratie nötig sei, bevor eine sozialistische Revolution möglich wird. Die aus dieser Theorie entsprungene Politik der „Volksfront“, des Bündnisses der Kommunistischen Parteien mit bürgerlich-kapitalistischen Parteien zur Verteidigung des kapitalistischen Parlamentarismus unter Verzicht auf den Kampf für die sozialistische Revolution, führte seit der Mitte der dreißiger Jahre in einem Land nach dem anderen zu Niederlagen und Katastrophen für die revolutionäre Arbeiterbewegung – ob in der Spanischen Revolution 1936-39, der Nachkriegsperiode in Griechenland, Italien und anderen Ländern, in Indonesien in den 60er Jahren oder im Iran 1979.

Heute tritt die maoistische KP Nepals trotz der Tatsache, dass sie große Teile der ländlichen Gebiete des Landes kontrolliert und trotz der revolutionären Massenbewegung in den Städten im letzten Jahr in eine kapitalistische Koalitionsregierung ein und verzichtet auf die Machtergreifung. Die Folge ist, dass die kapitalistischen und halbfeudalen Strukturen, die das Elend der nepalesischen Massen zu verantworten haben, nicht zerschlagen werden und der revolutionäre Aufschwung dieser Massen nicht genutzt wird, um ein sozialistisches Signal auszusenden, dass auf den indischen Subkontinent, Südostasien und den Mittleren Osten ausstrahlen könnte.

Ebenso verzichtet Hugo Chávez, trotz aller Rhetorik vom Sozialismus des 21. Jahrhunderts, darauf, Maßnahmen einzuleiten, die einen tatsächlichen Bruch mit dem Kapitalismus bedeuten würden. MarxistInnen unterstützen jede fortschrittliche Maßnahme der Regierung Chávez – die verschiedenen Sozialprogramme, den Anspruch eine sozialistische Massenpartei zu schaffen, die Verstaatlichungen einzelner Unternehmen. Aber diese bisherigen Schritte stellen Macht und Eigentum der venezolanischen Bourgeoisie noch nicht grundlegend in Frage. Die Verstaatlichungen betreffen einen relativ kleinen Teil der Wirtschaft. Von demokratischer Kontrolle und Verwaltung der verstaatlichten Betriebe durch die Beschäftigten oder durch demokratisch gewählte Arbeiterräte kann, trotz aller Experimente mit unterschiedlichen Formen von Arbeiter-Mitbestimmung, keine Rede sein. Der Staatsapparat hat sich, trotz gewisser personeller Veränderungen, seit dem Regierungsantritt von Chávez 1998 nicht grundlegend verändert.

Wie wir an anderer Stelle geschrieben haben, gilt: „Nötig wäre stattdessen ein Programm, das die wirtschaftliche und politische Macht in die Hände der Arbeiterklasse bringt und die Überwindung der kapitalistischen Verhältnisse sich zum Ziel setzt.

Dazu wäre vor allem die Verstaatlichung der entscheidenden Bereiche der Wirtschaft nötig, der Banken, Lebensmittelindustrie, verarbeitenden Industrie und der Medienkonzerne (die Ölindustrie befindet sich weitgehend in staatlicher Hand).

Gleichzeitig muss ein Kampf gegen die Bürokratie geführt werden, die ein wachsendes Problem darstellt. Dies wäre durch die Bildung von Selbstverwaltungsorganen auf allen Ebenen möglich: Betriebskomitees, Nachbarschaftskomitees und Milizen. Diese könnten den kapitalistischen Staats- und Verwaltungsapparate, der ja weiterhin existiert und mehrheitlich aus Gegnern von Chávez besteht, ersetzen.

Ein solches Programm kann nur durch die unabhängige Aktion der Arbeiterklasse erreicht werden, Dazu braucht sie ihre eigenen unabhängigen Organisationen – Gewerkschaften und eine revolutionär-sozialistische Arbeiterpartei. Auch wenn es von Chávez viele Ankündigungen in diese Richtung gegeben hat, ist praktisch bisher wenig geschehen und vollziehen sich die Prozesse in der Arbeiterbewegung bisher stark von oben nach unten.“1

Das wäre die Anwendung der Lehren der Oktoberrevolution auf die heutige Lage. Ohne sie bleibt die Gefahr eines Siegs der Reaktion in Venezuela groß. Dass diese Lehren nicht gezogen werden, hat etwas mit einer weiteren Lehre des Oktobers zu tun: der Rolle der revolutionären Partei.

Ohne Partei kein Sieg der Revolution

Revolutionen sind das, was MarxistInnen „objektive“ Prozesse nennen. Sie werden nicht gemacht, sondern erwachsen aus den Klassenwidersprüchen, sind Folge von Krisen, Kriegen und Klassenkämpfen, die sich zuspitzen. Revolutionen gibt es auch ohne revolutionäre Organisationen. Oftmals in der Geschichte waren gerade die (selbsternannten) revolutionären Organisationen nicht auf der Höhe der Zeit, wurden von revolutionären Massenbewegungen überrascht und standen nicht an ihrer Spitze, sondern trabten ihnen hinterher.

In mancherlei Hinsicht galt das auch für den Februar 1917. Die ArbeiterInnen bildeten die Sowjets auf eigene Initiative und trieben die Arbeiterparteien in diese hinein. Die damalige Inlandsführung der bolschewistischen Partei war, wie oben erwähnt, anfangs nicht auf der Höhe der Zeit und vertrat kein Programm, das den Ansprüchen und Erwartungen der Massen an die Revolution genügt hätte.

Aber der Sieg der Revolution im Oktober 1917, die Machtergreifung der Sowjets und die Verteidigung dieser Macht in den darauf folgenden Jahren des Bürgerkriegs und der vielfältigen Versuche der Konterrevolution wären ohne die bolschewistische Partei nicht möglich gewesen.

In seiner berühmten Kopenhagener Rede aus dem Jahr 1932 spricht Trotzki von acht geschichtlichen Voraussetzungen für die Oktoberrevolution. Dazu zählte er unter anderem den spezifischen Charakter der herrschenden Klassen Russlands, den revolutionären Charakter der Bauernfrage und des Proletariats der unterdrückten Nationen, die zur Bildung von Sowjets führende Lehre der Revolution von 1905 und die Verschärfung aller Gegensätze durch den Krieg. Nach der Aufzählung von sieben Bedingungen dieser „objektiven“ Art fügte Trotzki hinzu: „Doch alle diese Bedingungen, die vollständig genügten für den Ausbruch der Revolution, waren ungenügend, um den Sieg des Proletariats in der Revolution zu sichern. Für dessen Sieg war noch eine Bedingung nötig:

8.Die Bolschewistische Partei.

Wenn ich diese Bedingung als letzte in der Reihenfolge aufzähle, so nur, weil dies der logischen Konsequenz entspricht und nicht, weil ich der Partei der Bedeutung nach die letzte Stelle zuteile.

Nein, ich bin weit entfernt von diesem Gedanken. Die liberale Bourgeoisie, ja, sie kann die Macht ergreifen und hat sie schon mehr als einmal ergriffen als Ergebnis von Kämpfen, an denen sie nicht teil gehabt hatte: sie besitzt hierzu auch prachtvoll entwickelte Greiforgane. Die werktätigen Massen befinden sich indes in einer anderen Lage: Man hat sie daran gewöhnt, zu geben und nicht zu nehmen. Sie arbeiten, dulden so lange es geht, hoffen, verlieren die Geduld, erheben sich, kämpfen, sterben, bringen den anderen den Sieg, werden betrogen, verfallen in Mutlosigkeit, wieder beugen sie den Nacken, wieder arbeiten sie. Dies ist die Geschichte der Volksmassen unter allen Regimen. Um fest und sicher die Macht in seine Hände zu nehmen, braucht das Proletariat eine Partei, die die übrigen Parteien an Klarheit des Gedankens und an revolutionärer Entschlossenheit weit übertrifft.“

Spontan können Regierungen zu Fall gebracht werden und können Situationen der Doppelherrschaft, wie sie zwischen Februar und Oktober 1917 in Russland bestand, entstehen. Dafür gibt es unzählige Beispiele in der Geschichte: von der Spanischen Revolution 1936 über den Mai 1968 in Frankreich bis zu den Massenaufständen in Argentinien im Jahr 2001, die innerhalb weniger Wochen vier Präsidenten stürzte. In all diesen Fällen lag die Macht regelrecht auf der Straße, aber die revoltierenden Massen hatten keine organisierte Kraft, die diese hätte aufnehmen und organisieren können.

Trotzki benutzt in seiner „Geschichte der Russischen Revolution“ ein passendes Bild für die Rolle der Partei. Er schreibt: „Ohne eine leitende Organisation würde die Energie der Massen verfliegen wie Dampf, der nicht in einem Kolbenzylinder eingeschlossen ist. Die Bewegung erzeugt indes weder der Zylinder noch der Kolben, sondern der Dampf.“

Was heißt das konkret? Ohne eine Partei, die eine genaue Vorstellung von den Zielen der Revolution und von den notwendigen Mitteln zur Erreichung der Ziele hat, haben die Massen kein geeingnetes Instrument, um die vielfältigen Versuche der Reformisten und Konterrevolutionäre, die Revolution – oftmals mit den revolutionärsten Reden – abzulenken, zu begegnen. So geschehen zum Beispiel in der Russischen und auch in der Spanischen Revolution mit der Bildung von Koalitionsregierungen, die als Verteidiger der Masseninteressen präsentiert wurden.

Ohne eine Partei sind notwendige Schritte der Koordination unmöglich – so geschehen zum Beispiel im Mai 1968 in Frankreich, als es keine Schritte gab, die spontan entstandenen Arbeiterkomitees landesweit zu vernetzen und zu einer alternativen Machtstruktur auszubauen.

Ohne eine Partei ist auch ein revolutionärer Aufstand nicht erfolgreich zu organisieren. Trotzki hat in seinen Texten über die Oktoberrevolution immer wieder darauf hingewiesen, dass der Aufstand eine Kunst mit eigenen Regeln und Gesetzen ist. Diese Kunst muss sich eine revolutionäre Partei aneignen, die Regeln und Gesetze aus dem Studium der Geschichte und der praktischen Partizipation im Klassenkampf erlernen. Die Partei ist auch ein Gedächtnis der Arbeiterbewegung, ohne sie würden viele historische Erfahrungen in Vergessenheit geraten. Nicht zuletzt ist ohne eine Partei das richtige und notwendige Timing kaum einzuhalten – und die richtige Aktion zum richtigen Zeitpunkt durchzuführen, spielt keine kleine Rolle in revolutionärer Politik. Im Juli 1917 drängten die ArbeiterInnen Petrograds zum Aufstand. Die Bolschewiki erkannten, dass dies verfrüht war, da die Massen im Rest des Landes Petrograd noch nicht folgen würden. Sie sprachen sich für Zurückhaltung aus. Kurze Zeit später hatte sich die Lage geändert und Lenin erkannte, dass die Chance zum Sieg für eine Massenbewegung nur in einer sehr kurzen Zeitspanne vorhanden sein kann. Nicht zuletzt deshalb drängte er ab September 1917 so sehr darauf, an die Organisierung des Aufstands zu gehen.

Das Gesagte ändert nichts an der Tatsache, dass die Partei letztlich nur die Rolle einer Geburtshelferin spielt. Sie macht die Revolution nicht, sie verhilft ihr „nur“ zum Erfolg. Träger der Revolution ist die Arbeiterklasse und andere unterdrückte Bevölkerungsteile, die sich Organe schaffen, mit denen sie ihren Kampf führen und ihre Macht ausüben können.

Diese Organe waren in der Russischen Revolution und in vielen anderen Revolutionen Räte. Aus der historischen Erfahrung heraus sehen MarxistInnen eine Räterepublik als die ideale Form der Organisierung einer Arbeiterdemokratie, also der nach-revolutionären Übergangsgesellschaft zum Sozialismus. Das bedeutet jedoch nicht, dass MarxistInnen einen Fetisch aus den Räten als Kampforgan für die erfolgreiche Durchführung einer Revolution machen. Gerade die russische Erfahrung des Jahres 1917 zeigt dies. In den Händen der reformistischen Parteien gab es auch die Gefahr, dass die Räte nicht zum Instrument der Machteroberung der ArbeiterInnen und Bauern/Bäuerinnen wurden (so wie dies auch im Deutschland der Jahre 198/19 der Fall war). Es war gerade Lenin, der diese Gefahr sah und zeitweilig dafür argumentierte, nicht auf die Räte, sondern auf die Gewerkschaften oder die Fabrikkomitees zu setzen, da diese zwischenzeitlich die revolutionäre Dynamik der Arbeiterklasse besser zum Ausdruck brachten.

Auch heute wäre es ein Fehler, wenn MarxistInnen die Bildung von auf den Betrieben basierenden Räten zu einem Dogma erheben würden. Es ist zum Beispiel in den revolutionären Prozessen in Lateinamerika sehr wohl möglich bzw. es ist der Fall, dass solche betrieblichen Räte nur eine von verschiedenen Organisationsformen einer revolutionären Bewegung sind. Nachbarschaftskomitees, gewerkschaftliche Kampfstrukturen, Selbstorganisationen der indigenen Bevölkerung können weitere sein. Eine Rätestruktur kann also möglicherweise auch erst nach einer erfolgreichen sozialistischen Revolution geschaffen werden.

Die Nationalitätenpolitik als Voraussetzung des Erfolgs

Es gibt viele weitere Aspekte der Russischen Revolution, die eine Erwähnung und genauere Untersuchung verdienen würden. Die bolschewistische Bauernpolitik wäre einer davon. Der Bauernaufstand, der sich im Herbst 1917 über das ganze Land ausbreitete, war eine wichtige Triebkraft der Revolution. Aufgrund der Weigerung bzw. Unfähigkeit der bürgerlichen Klasse Russlands, die Agrarfrage zu lösen, blieb der Bauernschaft nichts anderes übrig als das Bündnis mit der Arbeiterklasse zu suchen. Eine sensible Herangehensweise der Bolschewiki an die Bauernfrage war jedoch eine notwendige Voraussetzung dafür, dass dieses Bündnis hielt und zum Erfolg der Oktoberrevolution entscheidend beitrug. Entscheidend hierbei war nicht zuletzt, dass die Bolschewiki erkannten, dass sie eine sozialistische Agrarpolitik – die Verstaatlichung des Landes und dessen Verwaltung und Bearbeitung durch die Bauernräte – vorübergehend zurückstellen mussten und sich die – bürgerliche – Forderung nach der Aufteilung des Landes auf die Bauernmassen zu eigen machten. Diese Politik machte die Landbevölkerung zur Partnerin in der sozialistischen Revolution.

So konnte der Feudalherr Boborkin nur jammern: „Ich bin Gutsbesitzer und es will mir nicht in den Kopf, dass ich meinen Boden verlieren soll und noch dazu für ein unglaubliches Ziel, für das Experiment der sozialistischen Lehre.“ Trotzki kommentierte diesen Ausspruch mit der Feststellung, dass „Revolutionen eben die Aufgabe haben, das zu vollbringen, was in die Köpfe der herrschenden Klassen nicht hinein will.“2

Genauso wenig wollte in die Köpfe der großrussischen Chauvinisten, dass sie ihre Macht über die unterdrückten Nationen des Zarenreiches verlieren sollten. Diese bildeten 57 Prozent der Bevölkerung des Staates.

Diese Massen mussten in den Monaten zwischen Februar und Oktober die Erfahrung machen, dass die bürgerlichen und reformistischen Kräfte nicht vor hatten, ihnen ein Recht auf Selbstbestimmung zu gewähren. Genau für dieses Recht waren Lenin und die Bolschewiki immer eingetreten, was ihnen im Laufe des Jahres das Vertrauen der Massen der unterdrückten Nationen einbrachte.

Die Forderung nach dem Recht auf nationale Selbstbestimmung inklusive des Rechts auf staatliche Lostrennung ist eine wichtige Waffe im Arsenal revolutionärer Politik. Sie ermöglicht es, das durch Jahrzehnte und oftmals Jahrhunderte der nationalen Unterdrückung geschaffene Misstrauen der ArbeiterInnen und Bauern/Bäuerinnen der unterdrückten Nationen gegenüber den ArbeiterInnen und Bauern/Bäuerinnen der unterdrückenden Nation ab zubauen.Nur wenn die Arbeiterbewegung der unterdrückenden Nation, im Falle von 1917 die russische, deutlich erklärt, dass sie keinerlei Ansprüche auf das Territorium, die Bodenschätze, die Arbeitskraft der unterdrückten Gebiete hat, können die unterdrückten Massen lernen, zwischen Arbeiterklasse und herrschender Klasse der unterdrückenden Nation zu unterscheiden. Dies wiederum wird ihnen auch dabei helfen in ihrer eigenen Nation zwischen Großgrundbesitzern und Kapitalisten auf der einen Seite und der Masse der ArbeiterInnen und Bauern/Bäuerinnen auf der anderen Seite zu unterscheiden.

Das Programm des Marxismus ist nicht das der staatlichen Lostrennung, sondern des Rechts darauf, sollte die Mehrheit einer Nation dies wünschen. Dies wäre aus Sicht der Arbeiterklasse ein zeitweiliger Umweg, um auf der Basis neuen Vertrauens Arbeitereinheit zu schaffen.

Eines der ersten Dekrete der neuen Sowjetregierung rief dementsprechend zu einem „freiwilligen und ehrlichen Bündnis der Völker Russlands“ auf und erklärte unter anderem die „Gleichheit und Souveränität der Völker Russlands“ und „das Recht der Völker Russlands auf freie Selbstbestimmung bis zur Lostrennung und Bildung eines selbständigen Staates“.

Diese Politik des Rechts auf freie Selbstbestimmung bei gleichzeitiger Propagierung eines revolutionären Bündnisses der Völker führte gerade nicht zum Zerfall Russlands, sondern zur Bildung der freiwilligen Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, dem größten Völkerbündnis, das die Menschheitsgeschichte kennt. Dass die Bolschewiki ihre Forderung nach dem Selbstbestimmungsrecht ernst meinten, zeigt das Beispiel Finnland. Die Finnen wurden in die staatliche Unabhängigkeit entlassen, obwohl die sozialistische Revolution hier nicht gesiegt hatte.

Zweifellos kann es und hat es Situation gegeben, in denen die Interessen der Arbeiterklasse und der sozialistischen Revolution nicht mit nationalen Unabhängigkeitsbestrebungen einher gingen, insbesondere in solchen Fällen, in denen reaktionäre Nationalisten versuchten das Nationalbewusstsein und die Frage der Unabhängigkeit gegen die Arbeiterklasse zu richten. Es ist in diesem Artikel nicht der Platz, um diese Spezifika auszuführen. Es muss reichen, die grundsätzliche Bedeutung der marxistischen Nationalitätenpolitik für den Erfolg der Oktoberrevolution zu betonen und darauf hinzuweisen, dass dies keine Frage ist, die nur von historischem Interesse ist.

Die nationale Frage ist in vielen Staaten der Welt auch heute nicht gelöst. Die 90er Jahre zeugten blutig davon, dass auch der Stalinismus nicht in der Lag war die nationale Frage tatsächlich zu lösen. Der Zerfall der Sowjetunion und Jugoslawiens belegen dies. In diesen Fällen nutzten die aufstrebenden nationalen kapitalistischen Klassen das Gefühl der nationalen Diskriminierung, um die Arbeiterklassen der verschiedenen Nationalitäten gegeneinander aus zuspielen und einen möglichst großen Teil des zu verteilenden Kuchens der nun zu privatisierenden Volkswirtschaften ab zubekommen.

Das Fehlen einer starken Arbeiterbewegung und einer marxistischen Partei ermöglichten es den Nationalisten, Teile der Arbeiterklasse zeitweilig hinter sich zu sammeln. Doch MarxistInnen hätten in diesen Auseinandersetzungen zu Beginn der 90er Jahre die nationale Frage nicht ignorieren und das Selbstbestimmungsrecht nicht negieren können, sondern hätten dies mit der Notwendigkeit des Sozialismus verbinden müssen.

Auch heute gilt zum Beispiel im Kosova, dass die Forderung nach dem Recht auf Selbstbestimmung ein Bestandteil eines marxistischen Programms sein muss, denn die Bevölkerung kann nicht frei darüber entscheiden, in welchem Staat sie leben will und es werden ihr die grundlegendsten demokratischen Rechte vorenthalten. Sie muss aber einher gehen mit zwei ebenso zentralen Forderungen: erstens der Verteidigung der Rechte aller nationalen Minderheiten, namentlich der SerbInnen, Roma und anderen. Zweitens der Forderung nach einem sozialistischen Kosova und einer freiwilligen sozialistischen Föderation der Balkan-Länder, um deutlich zu machen, dass unter der Führung der rechts-nationalistischen bürgerlichen Kräfte, ein unabhängiges, kapitalistisches Kosova weder tatsächliche nationale Selbstbestimmung genießen würde (aufgrund des Fortbestehens ökonomischer Abhängigkeit vom Imperialismus) noch die sozialen Probleme der Bevölkerung lösen könnte und diese auch nur durch regionale und internationale Kooperation gelöst werden können.

Auch in anderen Ländern müssen MarxistInnen heute auf das Bewusstsein nationaler Minderheiten eingehen, deren Selbtbestimmung fordern und ggf. sogar eine staatliche Lostrennung auf sozialistischer Grundlage unterstützen. Dies gilt zum Beispiel für Schottland, wo die dortige Schwesterorganisation der SAV, die International Socialists, für ein unabhängiges sozialistisches Schottland und für die Bildung einer freiwilligen sozialistischen Föderation von Schottland, England, Wales und Irland eintreten. Letzteres, um deutlich zu machen, dass Kleinstaaterei keinen Weg hin zu ökonomischer und sozialer Entwicklung weist, sondern Kooperation auf sozialistischer Basis eine Notwendigkeit ist.

Dass jedoch nicht in jeder Situation Forderungen nach Unabhängigkeit oder Autonomie unterstützt werden können, zeigt das heutige Bolivien. Hier führen die Kapitalisten und reaktionäre Kräfte eine Kampagne gegen die links-reformistische Regierung der MAS (Bewegung zum Sozialismus) von Evo Morales unter dem Banner der Autonomie bzw. Lostrennung der ökonomisch entwickeltesten Region um Santa Cruz. Diese Forderung drückt weniger die ehrlichen nationalen Bestrebungen einer unterdrückten Minderheit aus, als vielmehr einen Versuch die Sozialreformen der Morales-Regierung zu sabotieren. In diesem Fall hat also das Streben nach Unabhängigkeit keinen fortschrittlichen Kern, sondern eine rein konterrevolutionäre Charakter.

Revolutionen studieren

Die Oktoberrevolution von 1917 ist reich an Lehren für die sozialistische Bewegung. Nicht weniger reich ist die Geschichte der gescheiterten Revolutionen, wie in Deutschland zwischen 1918 und 1923, China 1927, Spanien 1936 usw.

Revolutionen gehören nicht der Vergangenheit an. Lateinamerika durchläuft einen lang gezogenen revolutionären Prozess, Nepal hatte im letzten Jahr die Möglichkeit einer sozialistischen Revolution. Die Lehren des Oktober sind wichtig für die Ausarbeitung eines sozialistischen Programms für diese Länder. Ebenso wichtig sind sie für die Herausbildung einer neuen Generation von Marxistinnen und Marxisten, die in Deutschland und international, den Kämpfen und dem Wiederaufbau der Arbeiterbewegung ihren Stempel aufdrücken können. In diesem Sinne wiederholen wir Trotzkis Aufruf aus dem Jahre 1924: „Es ist notwendig, den Oktoberumsturz zu studieren.“

Lesehinweise:

1. Leo Trotzki – Geschichte der Russischen Revolution (Neuauflage ist im Arbeiterpresse Verlag geplant)

2. Leo Trotzki – Von der Oktoberrevolution zum Brester Friedensvertrag (Neuer ISP-Verlag)

3. John Reed – 10 Tage, die die Welt erschütterten (Dietz-Verlag, nur antiquarisch erhältlich)

4. Wolfram Klein – Die Russische Revolution 1917 (herausgegeben von der SAV)

5. Daniel Behruzi – Die Sowjetunion 1917-1924 (Neuer ISP-Verlag)

6. Artikel auf www.archiv.sozialismus.info/1917