Vorschläge der SAV zur Konferenz antikapitalistischer Linker am 14.10.07

Für eine handlungsfähiges sozialistisches Oppositions-Netzwerk!


 

[Aufruf zur Konferenz antikapitalistischer Linker]

Am 14.10. treffen sich AntikapitalistInnen aus verschiedenen Zusammenhängen, um über eine kontinuierliche Zusammenarbeit sozialistischer Kräfte innerhalb und außerhab der Partei DIE LINKE zu beraten. SAV-Mitglieder gehören zum Einladerkreis zu dieser Konferenz. Die SAV propagiert schon seit circa einem Jahr die Bildung eines oppositionellen Netzwerks, das antikapitalistische AktivistInnen verbinden könnte, unabhängig davon, ob sie in DIE LINKE eingetreten sind oder nicht. Wir unterstützen die Idee eine Sozialistische Koordination zu bilden.

In den Diskussionen im Einladerkreis hat sich jedoch heraus gestellt, dass es unterschiedliche Vorstellungen darüber gibt, was eine Sozialistische Koordination sein soll und sein kann. Aus unserer Sicht laufen einige geäußerte Überlegungen darauf hinaus, dass aus der Beratung am 14.10. keine politisch handlungsfähige Kraft heraus kommt, sondern ein Debattier- und Selbsterfahrungsclub der sozialistisch-revolutionären Linken. Dazu sehen wir keinen Bedarf.

Deshalb wollen wir hier einige Vorschläge machen, die aus unserer Sicht einen notwendigen Minimalkonsens für eine Sozialistische Koordination darstellen könnten.

Die Hauptakteure, die am 14.10. zusammen kommen, haben in der WASG einen gemeinsamen Kampf gegen die politische Anpassung, gegen Akzeptanz von Regierungsbeteiligungen in Koalitionen mit der SPD und für die Verteidigung der Berliner WASG geführt. Sie waren sich einig in der Perspektive auf die Schaffung einer neuen Massenpartei, die die Interessen von ArbeiterInnen, Erwerbslosen, Jugendlichen und RentnerInnen vertritt und eine sozialistische Alternative zu Neoliberalismus und Kapitalismus anstrebt. Auf dieser Basis sollten wir weiter machen.

Ein neues oppositionelles Netwerk ist nötig, weil die Politik der Partei DIE LINKE – trotz aller radikalen Rhetorik eines Oskar Lafontaine – antikapitalistischen und sozialistischen Ansprüchen nicht genügt, weil in der Partei die Macht der Bundestags- und Landtagsfraktionen, des Apparates und der Rosa-Luxemburg-Stiftung im Vergleich zur Macht der Basis viel zu hoch ist und weil sich daraus die Gefahr ableitet, dass aus dieser neuen Partei eine weitere Enttäuschung für die Arbeiterklasse und die Jugend wird – so wie sie es in Berlin und weiten Teilen Ostdeutschlands als reine Fortsetzung der alten PDS schon ist.

Ein neues oppositionelles Netzwerk ist auch notwendig, weil es zur Zeit keine demokratisch organisierte, politisch handlungsfähige und programmatisch klar antikapitalistische Struktur innerhalb der Partei gibt, die politische und personelle Alternativen zu den beiden dominierenden Flügeln um Lafontaine/Maurer einerseits und Gysi/Bisky andererseits formulieren könnte.

Ein neues oppositionelles Netzwerk ist drittens nötig, weil sich die oppositionellen Kräfte in der WASG, welche sich weitgehend um die Unterstützung der eigenständigen Kandidatur der Berliner WASG sammelten, in verschiedene Richtungen entwickelt haben. Einige, vor allem im Westen, sind den Weg in die Partei gegangen; andere, so die BASG in Berlin, haben sich unabhängig organisiert. Ein neues Netzwerk muss aus unserer Sicht einen Weg finden, diese Kräfte zusammen zu bringen – es sollte AntikapitalistInnen, die sich sowohl in Opposition zur Parteiführung als auch in gesellschaftlicher Opposition befinden vernetzen und organisieren, egal ob sie Mitglied der Partei DIE LINKE sind oder nicht.

Das bedeutet aus unserer Sicht aber nicht, dass es eine Beliebigkeit in der Herangehensweise an die Partei DIE LINKE in einer möglicherweise zu bildenden Sozialistischen Koordination geben darf.

Wir wollen keine Fixierung auf DIE LINKE. Wir denken aber, dass Basis einer praktischen Zusammenarbeit sein muss, anzuerkennen, dass DIE LINKE in Westdeutschland zum Bezugspunkt für viele AktivistInnen aus Gewerkschaften und sozialen Bewegungen geworden ist und die wachsenden Umfragewerte ausdrücken, dass sich in einem Teil der Bevölkerung Hoffnungen in diese Partei entwickeln. Eine Sozialistische Koordination sollte sich deshalb auf die Partei beziehen und versuchen auf sie Einfluss zu nehmen und in ihr zu wirken. Das würde beinhalten, dass man in Anwendung dessen, was MarxistInnen Einheitsfrontmethode nennen, Vorschläge an die Partei richtet und zu gemeinsamen Aktivitäten bereit ist. Das würde beinhalten, dass man in den Fällen, in denen DIE LINKE keine offene Politik des Sozialabbaus betreibt und/oder es keine substanzielle sozialistische Alternative zu ihr gibt, auch zur Wahl für sie aufruft, so wie dies in Bremen richtig war. Das würde auch beinhalten, dass man sich – zumindest im Westen – innerhalb der Partei konstituiert, politische Initiativen in der Partei (z.B. für Kampagnen, Positionsbestimmungen etc.) ergreift und KandidatInnen für Parteigremien aufstellt. Sie müsste tatsächliche Opposition sein und dürfte nicht als Tiger losspringen, um als Bettvorleger des Parteivorstandes zu landen. Konkret hieße das zum Beispiel keine Unterordnung unter die "Parteidisziplin" in prinzipiellen politischen Fragen zu akzeptieren oder im Falle von Wahlen z.B. in Berlin wieder eine linke Alternative zur Senats-LINKEN zu unterstützen, sollte eine solche antreten.

Dies steht nicht im Widerspruch dazu, auch solche Kräfte zu sammeln, die sich zwar außerhalb der Partei befinden, aber anerkennen, dass diese zur Zeit der entscheidende politische Bezugspunkt auf der Linken bundesweit ist und die die Zielsetzung der Bildung einer antikapitalistischen/sozialistischen Massenpartei teilen. Eine Sozialistische Koordination könnte innerhalb und außerhalb der Partei agieren, je nach Region mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung.

Die mittlerweile von einigen EinladerInnen vertretene Position „innerhalb der Partei die AKL aufbauen – außerhalb eine SoKo als Zusammenschluss aller sozialistischen Kräfte bilden“ teilen wir nicht.

Die AKL hat sich in der Vergangenheit als zahnlose Opposition herausgestellt. Da wo es ernst wurde, hat sie gekniffen. Sie hat die Berliner WASG-Kandidatur nicht nur nicht unterstützt, sondern auch darauf bestanden sich von dieser zu distanzieren und dadurch schon bei ihrer Konstituierung einen großen Teil linker Oppositioneller in der WASG ausgegrenzt. Mittlerweile hat sie erklärt, dass sie keine demokratisch organisierte Struktur bilden will. Die AKL ist eine Pressure Group einer Gruppe von FunktionärInnen und Abgeordneten der LINKEN. Wir sehen in der AKL kein attraktives Angebot zur Organisierung einer sozialistischen Opposition innerhalb und außerhalb der LINKEN. Deshalb muss eine Sozialistische Koordination auch innerhalb der Partei agieren. Das bedeutet natürlich nicht, dass AKL-GenossInnen in einer solchen Koordination nicht willkommen wären. Die konstruktive Zusammenarbeit von SAV und AKL in Bremen könnte in einer Sozialistischen Koordination fortgesetzt werden, ohne dass die verschiedenen Komponenten ihre eigenen Identitäten und Strukturen aufgeben müssten.

Auf der anderen Seite wird die Bildung einer Sozialistischen Koordination, die von NLO, DKP und Interventionistischer Linken auf der einen Seite bis zur AKL auf der anderen Seite reicht, keine politische Handlungsfähigkeit erreichen können. Unter den gegebenen Bedingungen wäre eine solche Koordination dazu verdammt, den Charakter eines Diskussionsclubs anzunehmen. Da es mit der Marxismuskonferenz und dem Leverkusener Dialog aber schon Angebote in dieser Richtung gibt, sehen wir überhaupt keinen Sinn darin, diesen Weg zu beschreiten.

Wir schlagen deshalb vor:

1. Den ursprünglichen Aufrufentwurf von Angela Klein, Michael Schilwa und Sascha Stanicic (siehe unten) – ggf. mit Änderungen – am 14.10. zu verabschieden und damit eine Sozialistische Koordination zu gründen.

2. Auf dieser Basis eine Redaktionsgruppe zur Erarbeitung eines programmatischen Selbstverständnistextes zu bilden.

3. Auf dieser Basis einen siebenköpfigen Koordinationskreis zu wählen.

4. Auf dieser Basis an die Organisierung örtlicher und ggf. landesweiter Treffen der Sozialistischen Koordination zu gehen.

5. Im Januar/Februar zu einem nächsten bundesweiten Treffen zusammen zu kommen.

Sollte es keine Einigung in dieser Richtung geben, warnen wir davor die Gründung einer unverbindlichen Sozialistischen Koordination zu proklamieren. Dies würde Erwartungen wecken, die nur enttäuscht werden könnten. Stattdessen würden wir in diesem Fall die Durchführung regelmäßiger halbjährlicher Beratungen der anwesenden Kräfte vorschlagen, um einen offenen Diskussionsprozess zu ermöglichen.

Anhang: Aufruf zur Beratung über eine Sozialistische Koordination

Entwurf von Angela Klein, Michael Schilwa, Sascha Stanicic

Am16.Juni 2007 ist die Partei „Die Linke“ offiziell aus der Taufe gehoben worden. Ihre steigenden Umfragewerte drücken das gesellschaftliche Potenzial für eine linke und antikapitalistische Partei aus: Nach einer politischen Kraft, die konsequent die Interessen der Beschäftigten und Erwerbslosen vertritt und Auslandseinsätze der Bundeswehr ablehnt, besteht großer Bedarf.

Viele Menschen setzen große Hoffnungen in eine vereinigte Linke, die auf Massenebene wirksam ist. Zu Recht fürchtet die SPD eine weitere Abwanderung ihrer AnhängerInnen zur neuen Partei – insbesondere unter Gewerkschaftsmitgliedern. Die SPD übt nicht mehr uneingeschränkt die politische Hegemonie über die Gewerkschaften aus – dies ist ein historischer Fortschritt.

Trotz ihrer programmatischen und praktischen Beschränkungen ist es außerdem für Gewerkschaften, soziale Bewegungen und die Klasse der Lohnabhängigen wichtig, eine Vertretung im Parlament zu haben, die ihre Anliegen aufgreift.

Der Wahlerfolg für „Die Linke“ in Bremen zeigt – zumal im Vergleich zum Wahldebakel der Linkspartei.PDS in Berlin – dass eine konsequente, radikale Opposition zu den etablierten Parteien „Die Linke“ stark macht.

„Die Linke“ beginnt ihre Existenz jedoch mit einem großen Widerspruch: Auf der einen Seite gehen von ihr Signale aus, dass sie bestimmte Forderungen der sozialen Bewegungen und der Gewerkschaften aufgreift – unter anderem wirft sie die Frage des Generalstreiks und des Gesellschaftssystems auf. In der Öffentlichkeit verbinden sich solche Positionen vor allem mit Oskar Lafontaine und dem linkskeynesianischen Flügel, der ihn unterstützt.

Dem steht jedoch die politische Praxis in Berlin und in ostdeutschen Ländern gegenüber, die von der Mehrheit der bundesweiten Parteiführung mitgetragen wird. Dort trägt sie in Gemeinden und Landesregierungen prokapitalistische und neoliberale Politik mit – z.B. indem sie der Privatisierung öffentlichen Wohnungseigentums, Tarifflucht oder der Flexibilisierung der Beschäftigungsverhältnisse zustimmt.

Die Parteiführung selbst ist nicht homogen. So falsch es jedoch wäre, der neuen Partei und auch ihrer Führung einheitlich eine neoliberale Orientierung zu unterstellen, so wenig kann man die Augen davor verschließen, dass die Mehrheit im Parteivorstand, in der Bundestagsfraktion, im Hauptamtlichenapparat und auch die Mehrzahl der Amts- und Mandatsträger vor Ort und in den Ländern anstreben, auch im Bund „regierungsfähig“ zu werden und in Koalitionen mit SPD und ggf. Grünen auch unter Preisgabe wichtiger politischer Grundsätze mitzuregieren.

Die Hoffnungen, die viele in „Die Linke“ setzen, können nur erfüllt werden, wenn die Partei in allen Fragen unmissverständlich auf der Seite der abhängig Beschäftigten und Erwerbslosen steht. Ihre gesamte Aktivität, auch die in den Parlamenten, muss im Dienst der Ermutigung und Beförderung von Massenmobilisierungen, Streiks und der Eigenaktivität von unten stehen. Was zählt, sind nicht Reden oder Programme, sondern die politische Praxis: Nur wenn "Die Linke" sich einer Politik des Sozialabbaus, der Privatisierungen, Arbeitsplatzvernichtung und des Lohnraubs hartnäckig verweigert und die Millionen Menschen, die von diesen Maßnahmen betroffen sind, dazu ermutigt und befähigt, sich ihnen aktiv entgegen zu stellen, kann sie mehr werden als nur eine Hoffnung: sie kann dann tatsächlich eine politische Alternative für eine sozial gerechte, ökologische, auf Kooperation orientierte Gesellschaft sein.

Ob „Die Linke“ sich so entwickelt, ist noch offen. Um für einen solchen Kurs auf die Partei Druck aufzubauen, bedarf es einer starken antikapitalistischen Opposition innerhalb und außerhalb der Partei.

AntikapitalistInnen verschiedener Richtungen haben auf die Gründung der Partei "Die Linke" unterschiedlich reagiert. Insbesondere in Berlin und Ostdeutschland haben viele den Schritt in die neue Partei nicht vollzogen, weil diese dort direkt an Sozialabbau und Privatisierungen beteiligt ist. In Berlin hat die Mehrheit der Aktiven des WASG-Landesverbands mit der BASG eine neue politische Organisation des sozialen Widerstands gegründet. In Westdeutschland haben sich viele entschieden, den Kampf gegen den Anpassungskurs innerhalb der Partei zu führen.

Weder können die einen sich damit begnügen, in der neuen Partei bereits den fertigen Rahmen einer neuen Kraft links von der SPD zu sehen, noch kann den anderen gleichgültig sein, wohin diese Partei treibt, denn sie ist zur Zeit die einzige Kraft mit einem antikapitalistischen Anspruch mit Massenbasis.

Die neue Partei muss mit der Linken außerhalb ihrer Reihen zusammen arbeiten, sie hat, entgegen ihrem selbst gewählten Namen, kein Monopol auf das Linkssein; die antikapitalistischen Kräfte, die der neuen Partei skeptisch gegenüber stehen, müssen Wege der Zusammenarbeit mit ihr suchen, um linke Positionen in ihr und den sozialen Widerstand in der Gesellschaft zu stärken. Dies betrifft Kampagnen zu einzelnen Fragen, es betrifft aber auch die Wahlen zu Parlamenten oder Gemeinderäten. Die Teilnahme an solchen Wahlen spielt für die Bildung eines Massenanhangs auch einer antikapitalistischen Partei einer herausragende Rolle. Die Entscheidung wird dabei im Einzelfall zu treffen sein: So wie es richtig war, in Berlin eine Wahlalternative zur Partei „Die Linke.PDS“ zu bilden, so richtig war es in Bremen – und wäre es unter den gegebenen Bedingungen auch bei einer Bundestagswahl – zur Wahl der „Linken“ aufzurufen.

Sozialistische Positionen innerhalb der Partei müssen dabei mehr sein, als verbale Kritik. Sie müssen sich in praktischer Opposition aller auf Anpassung und Regierungsbeteiligung orientierten Kräfte und Maßnahmen ausdrücken und dürfen keine Unterordnung unter eine "Parteidisziplin" in Fragen der politischen Prinzipien praktizieren.

Wir sehen daher die Notwendigkeit, oppositionelle antikapitalistische Kräfte innerhalb und außerhalb der neuen Partei, die eine sozialistische Orientierung verfolgen, zusammen zu führen und zu koordinieren. Wir schlagen vor, über die Bildung einer ständigen Sozialistischen Koordination (SoKo) zu beraten und laden dazu für den 14. Oktober ins Berliner Haus der Demokratie ein.

Das Treffen wird von 10 Uhr bis 16 Uhr stattfinden und es wird folgende Tagesordnung vorgeschlagen:

1. Allgemeine Aussprache über die Einschätzung der Partei DIE LINKE und den Vorschlag einer Sozialistischen Koordination

2. Diskussion über eine (noch zu erarbeitende) Gründungserklärung

3. Diskussion über Struktur und Selbstverständnis einer Sozialistischen Koordination

Berlin, 8.7.2007

[Aufruf zur Konferenz antikapitalistischer Linker]