Das Schicksal der United Auto Workers (UAW), der einstmals mächtigen und kämpferischen US-amerikanischen Automobilarbeitergewerkschaft, ist besiegelt. Mit dem am Mittwoch nach nur zwei Streiktagen präsentierten Kompromiß mit General Motors mutiert die UAW faktisch von einer Industriegewerkschaft zum Management eines Versicherungsunternehmens.
von Daniel Behruzi, zuerst veröffentlicht in der jungen Welt, 28.9.07
An der Wall Street und in der Detroiter GM-Konzernzentrale dürften die Champagnerkorken geknallt haben. Unmittelbar nach Bekanntgabe des Ergebnisses schnellte der Kurs des angeschlagenen Autogiganten um sechs Prozent in die Höhe. Der Grund: Mit der Ausgliederung der betrieblichen Krankenversorgung für rund 340 000 ehemalige Beschäftigte und deren Familien bereinigt der Konzern nicht nur seine Bilanzen. Er reicht auch die Verantwortung für künftige Beitragserhöhungen oder Rentenkürzungen an die UAW weiter. Denn der Konzern kommt seinen Verpflichtungen, die sich auf 50 bis 55 Milliarden Dollar belaufen, nur zu 70 Prozent nach. Die Verwaltung des Fonds, in den dieses Geld eingezahlt wird, übernimmt die UAW. Die Folge: Bei den in der Zukunft sicher auftretenden Zahlungsschwierigkeiten müssen die Beschäftigten und Rentner nicht mehr am Konzernsitz, sondern vor dem Hauptquartier ihrer Gewerkschaft demonstrieren. Selbst eine Insolvenz des »Voluntary Employee’s Beneficiary Association« (Veba) genannte Fonds ist möglich.
Die weiteren Details des Vertragswerks sind noch nicht veröffentlicht. Aber das Bekannte ist schon schlimm genug. So sieht die Vereinbarung einem Bericht der Detroit News zufolge nicht nur den Verzicht auf Lohnerhöhungen für die kommenden vier Jahre vor. Nach dem Vorbild hiesiger zum Beispiel bei Daimler geschlossener »Dienstleistungstarifverträge« sollen die Einkommen der Neueingestellten, die nicht direkt in der Produktion beschäftigt sind, gegenüber dem bisherigen Tarif halbiert werden. Wie auch hierzulande in solchen Fällen üblich, werden die Zugeständnisse mit der erreichten »Beschäftigungssicherung« gerechtfertigt. Die Schließung von zwölf Fabriken und die Vernichtung von 34 000 Arbeitsplätzen hatte die UAW allerdings zuvor bereits abgesegnet.
Der Schritt zum Versicherungsunternehmen ist letztlich nur die konsequente Fortsetzung der UAW-Politik der vergangenen Jahrzehnte – wenn auch ein qualitativer Sprung. Dabei war die US-Automobilarbeitergewerkschaft dereinst aus den militanten Arbeitskonflikten der 1930er Jahre entstanden und für ihre progressive Haltung – zum Beispiel gegenüber afro-amerkanischen Arbeitern – bekannt. Doch das ist längst Geschichte. Seitdem die US-Autokonzerne ab Ende der 1970er in die Krise schlitterten, sorgte die UAW-Spitze nur noch für die weitgehend friedliche Umsetzung des Abbaus – begleitet von entsprechenden Mitgliederverlusten und der Abspaltung der fortschrittlicheren kanadischen Sektionen zur CAW im Jahr 1985. Zumindest ihre eigenen Jobs haben die UAW-Apparatschiks mit dem jetzigen Coup aber gerettet.