Streit um Lokführer-Tarifvertrag
von Daniel Behruzi, zuerst veröffentlicht in der jungen Welt, 22.9.07
Es ist schon eine reichlich absurde Komödie, die das Ensemble aus Bahnvorstand, den Gewerkschaften Transnet und GDBA sowie einem Großteil der Medien derzeit aufführt. Als seien sie von kollektivem Alzheimer befallen, scheinen diese Akteure die vor wenigen Wochen in den Moderationsgesprächen gefundene Einigung »vergessen« zu haben. In dieser war der Fahrpersonalgewerkschaft GDL zugebilligt worden, einen eigenständigen Tarifvertrag über Arbeitszeit und Entgelt für die knapp 20000 Lokführer der Bahn AG – von denen die GDL rund 80 Prozent vertritt – auszuhandeln. Jetzt heißt es, zuvor müsse die GDL mit den beiden anderen im Konzern vertretenen Gewerkschaften eine schriftliche Vereinbarung treffen. Im Ergebnis der Moderation war davon zwar nicht die Rede, aber so wird aus einem Konflikt zwischen Bahn-Spitze und Lokführern flugs eine Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Gewerkschaften – und hierfür haben auch politisch progressiv eingestellte Menschen gemeinhin kein Verständnis. Als solcher sieht sich vielleicht auch Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD), der von einem »schweren Rückschlag für die Gewerkschaftsbewegung« spricht, aber wohl eher weitere Schwierigkeiten für seine Privatisierungspläne befürchtet.
Nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch die Mitglieder seiner eigenen Gewerkschaft zum Narren halten will offenbar Transnet-Chef Norbert Hansen. Er warf der GDL am Freitag erneut vor, ihre »unglaubliche Forderung« auf Kosten anderer Beschäftigtengruppen durchsetzen zu wollen. Dabei stimmt das genaue Gegenteil: Sollte die GDL für die Lokführer Verbesserungen herausschlagen, besteht für die DGB-Gewerkschaft die vertraglich garantierte Möglichkeit, ähnliches auch für andere Teile der Belegschaft zu erreichen. Transnet-Mitglieder haben also allen Grund, die GDL bei ihren angekündigten Streikaktionen nicht nur nicht zu behindern, sondern sie auch aktiv zu unterstützen.
Hansen vertritt mit seinen Äußerungen nicht die Interessen seiner Mitglieder, sondern lediglich seine eigenen. Deutlich wird dies auch in seinem Vorwurf, die GDL wolle Lohnerhöhungen für die Lokführer »zu Lasten der Arbeitsplatzsicherheit und des betrieblichen Friedens« durchdrücken. Diese Logik – daß Streiks und Lohnsteigerungen Arbeitsplätze gefährden – wird anderen DGB-Gewerkschaftern bei so ziemlich jedem Arbeitskampf entgegengehalten. Aus dem Mund eines Gewerkschaftsführers ist eigentlich etwas anderes zu erwarten.
Die GDL täte gut daran, in der öffentlich inszenierten Intrigenkomödie nicht mehr lange mitzuspielen. Die Ankündigung vom Freitag, sich auf weitere Streiks vorzubereiten, ist die richtige Antwort. Allerdings sollten sich die Lokführer und ihre Gewerkschaft klar darüber sein, daß die Phalanx aus Bahnvorstand, Politik, Wirtschaft und Transnet-Spitze alles daransetzen wird, dies zu verhindern. Es geht schließlich darum, das reibungslose Funktionieren der Profitmaschinerie zu garantieren. Und diesem Ziel sind all diese Herren verpflichtet.