Berliner Tarifrunde: Nagelprobe für DIE LINKE

Im öffentlichen Dienst des Landes Berlin ging am Mittwoch vormittag nicht mehr viel. Knapp 10000 Beschäftigte hatten nach Angaben der Gewerkschaft ver.di die Arbeit niedergelegt, um für die Übernahme der in fast allen anderen Ländern und Kommunen vereinbarten Lohnerhöhungen auch in der von SPD und Die Linke regierten Bundeshauptstadt zu demonstrieren.


 

von Daniel Behruzi, zuerst veröffentlicht in der jungen Welt, 20.9.07

»Wir haben mit wesentlich weniger gerechnet – das ist eine hervorragende Beteiligung«, erklärte Astrid Westhoff, Verhandlungsführerin der Tarifgemeinschaft aus ver.di, GEW, GdP und IG BAU, gegenüber jW. Die Gewerkschaften fordern drei Einmalzahlungen von jeweils 300 Euro. »Das ist bescheiden genug und nur das, was anderswo längst vereinbart wurde«, so Westhoff.

Seit 2003 müssen Berlins Arbeiter und Angestellte nicht nur auf acht bis zwölf Prozent ihres Einkommens verzichten – eine Folge des seinerzeit geschlossenen »Anwendungstarifvertrags«. Zudem hat es in dieser Zeit keinen Cent mehr Geld für sie gegeben. »Ich habe die Nase voll bis ganz oben, alles wird immer teurer, und wir haben immer weniger Geld«, schimpfte die 64jährige Ingeborg Müller, die seit 31 Jahren als Reinigungskraft in einer Neuköllner Kita arbeitet. Ganz genauso sieht es Volkmar Schöne, der im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg als Sachbearbeiter tätig ist: »Seit 2003 wird uns das Geld nur so aus der Tasche gezogen, ich selbst habe durch den Anwendungstarifvertrag 255 Euro brutto im Monat verloren.« Einige hätten seinerzeit geglaubt, die Zustimmung zum Lohnverzicht werde den Senat von weiterem Personalabbau abhalten. »Passiert ist aber das genaue Gegenteil– und das unter rot-rot. Für mich als Gewerkschafter ist das eine schallende Ohrfeige«, erklärte er.

Zumindest in einer der Senatsparteien, der Linken, regt sich aber offenbar Widerstand gegen den – auch von den Senatoren der Linksfraktion abgesegneten – harten Kurs der Landesregierung. »Die Forderungen der Gewerkschaften sind richtig, und es ist wichtig, hierfür auf der Straße Druck zu machen«, so die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei Nele Hirsch, die sich an der Demonstration beteiligte. »Ich hoffe sehr, daß Die Linke in Berlin diesen Protest als Chance begreift, in der Koalition mit einer ganz anderen Stärke aufzutreten«, erklärte sie auf jW-Nachfrage. Auch die AG Betrieb und Gewerkschaft der Partei nannte es angesichts erheblich verbesserter Steuereinnahmen »ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit, die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von diesen Mehreinnahmen nicht auszuschließen«. »Wir fordern von den Senatoren unserer Partei die Forderungen der Gewerkschaften zu unterstützen«, heißt es in einer Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft. Die gewerkschaftspolitischen Sprecher des Parteivorstands, Heidi Scharf und Michael Schlecht, erklärten ebenfalls ihre Unterstützung für den Arbeitskampf, ohne allerdings auf die Rolle der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus einzugehen. »Die Solidarität von der Bundesebene der Linkspartei tut gut, aber deren Senatoren sollten sich auch entsprechend verhalten – von Solidarität alleine kann man sich keine Schrippe kaufen«, kommentierte der Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft GdP, Eberhard Schönberg, die Äußerungen.

In der Senatspolitik hat sich die Kritik bislang nicht niedergeschlagen. Auch bei den Verhandlungen am Mittwoch lehnten die Regierungsvertreter jegliche Lohnerhöhung kategorisch ab. Ver.di-Funktionärin Westhoff erneuerte im Anschluß an das Gespräch ihre Forderung an den Senat, endlich ein verhandlungsfähiges Angebot vorzulegen. Für die kommenden Wochen kündigte sie weitere Warnstreiks an.