Die Zukunft Afghanistans muss Sache der arbeitenden Bevölkerung sein
Die Afghanen haben genug von den Besatzern. Aber Taliban, Monarchisten oder Warlords sind nicht die Kräfte, die Frieden sichern können. Auch das Karsai-Regime stellt keine Alternative dar – abgesehen davon, dass es sich ohne die Besatzer keine Woche halten würde.
von Gaetan Kayitare, Aachen
Die Besatzungskräfte werden von ihren eigenen wirtschaftlichen und politischen Zielen geleitet. Auch Taliban und Warlords streben nach Macht. Karsai ist selber Unternehmer (in den neunziger Jahren zog er in den USA eine Restaurantkette hoch). Ihre Interessen sind allesamt unvereinbar mit den Interessen der verarmten Massen in Afghanistan.
Selbstverteidigungskomitees
Die von der militärischen Gewalt durch Besatzer, Taliban und Warlords Betroffenen sollten sich in den Stadtteilen, in Dörfern und auf anderen Ebenen zusammen tun. Am Besten, in organisierter Form – also durch die Bildung von Verteidigungskomitees zum Schutz, aber auch zur Organisierung des öffentlichen Lebens. Paschtunen, Tadschiken, Hazara und die anderen ethnischen Gruppen sollten gemeinsame Strukturen bilden, auf jeden Fall aber zusammenarbeiten.
In den Medien heißt es, dass alle Oppositionellen zur Taliban gehören würden. Demgegenüber berichtete die SAV-Schwesterorganisation in Pakistan, dass es diverse Jugendgruppen gibt, die unabhängig von der Taliban gegen die Besatzer kämpfen.
Die unterdrückten Massen müssen zum einen die Taliban und sonstige reaktionäre Kräfte zurückschlagen und zum anderen den Abzug aller Besatzungstruppen erzwingen. Dabei können weltweit linke Organisationen (in Deutschland allen voran die Partei DIE LINKE) genauso wie Gewerkschaften einen Beitrag leisten, indem sie Druck für den Rückzug der Besatzer machen und den afghanischen Massen Unterstützung zusichern.
Arbeitereinheit
Die jüngere Geschichte Afghanistans ist nicht nur von Fremdherrschaft und den Stammesfürsten geprägt. Es existierten bis zum Einmarsch der Sowjetunion 1979 einflussreiche linke Organisationen, darunter die Kommunistische Partei. Heute sind die Arbeiterorganisationen zerrieben.
Nicht viel mehr als 20 Prozent der 25 Millionen Afghanen leben in Städten. Allerdings ist Kabul eine Großstadt mit über drei Millionen Menschen. In Kabul und in den anderen Städten können im Kampf gegen Privatisierung und andere brennende Fragen wieder Arbeiterorganisationen gestärkt werden. Bereits heute kommt es in der Hauptstadt regelmäßig zu Protesten gegen Arbeitslosigkeit oder Versorgungsnöte.
Darüber kann das Verständnis über die eigenen Interessen geschärft werden. ArbeiterInnen und Jugendliche können mit ihrem Kampf auch auf die benachteiligte Bauernschaft einwirken und ihnen zeigen, wie Widerstand gegen Unterdrückung und Verarmung geleistet werden kann.
Im Nahen Osten waren die Gewerkschaften oft der Ort, wo sich Angehörige verschiedener ethnischer oder religiöser Gruppen gemeinsam organisierten. Neben der zentralen Rolle der Gewerkschaften sind aber auch Schritte in Richtung einer Arbeiterpartei erforderlich. Eine solche Organisation könnte den sozialen mit dem politischen Protest verbinden, Alternativen diskutieren und ein Programm gegen Kapitalismus und Feudalherrschaft entwickeln.
Natürlich ist es in Afghanistan heute kein Leichtes, für seine Rechte zu steiten. Aber auch im Libanon war es zum Beispiel am Ende des Bürgerkrieges 1990 möglich, über religiöse Grenzen hinweg einen Generalstreik durchzuführen. Die Probleme, die die Herrschenden zu verantworten haben, zwingen zur Gegenwehr. Darüber können auch die Traditionen der Arbeiterbewegung wieder lebendig werden.
Sozialistischer Ausweg
Weder in Afghanistan noch in der gesamten Region kann es, wie die Erfahrung zeigt, dauerhaften Frieden, umfassende demokratische Rechte und soziale Verbesserungen auf kapitalistischer Basis geben.
Es stimmt, dass durch den Stalinismus sozialistische Ideen diskreditiert wurden. Aber der Kapitalismus diskreditiert sich heute täglich. Dadurch und über das Wiedererstarken von Arbeiterorganisationen werden sozialistische Ideen erneut an Bedeutung gewinnen.