Vor 40 Jahren ermordet: Che Guevara – Revolutionär und Internationalist
„Wir haben den Papst!“ funkte ein bolivianischer Oberst am 8. Oktober 1967 an das Hauptquartier seiner Armee. Auf diese Meldung hatten unzählige lateinamerikanische Militärs und CIA-Agenten gewartet. Denn sie hieß nichts anderes, als dass das bolivianische Militär Che Guevara gefangen genommen hatte. Am nächsten Tag wurde er ohne Gerichtsurteil erschossen. Sie wollten Che nicht lebend davon kommen lassen, denn sein Kampf steht für den internationalen Kampf gegen Krieg, Ausbeutung und Hunger, für eine sozialistische Gesellschaft.
von Steve Kühne, Dresden
Ernesto Guevara, der spätere Che, wurde am 14. Juni 1928 im argentinischen Rosario geboren. Er wuchs bis zu seinem siebzehnten Lebensjahr in Alta Gracia auf, da er schon früh an Asthma erkrankte und das trockene Klima in diesem Bergort ihm Linderung verschaffte.
Studium und Reisen
Wahrscheinlich war es die schwere Krankheit seiner Oma, die Che dazu brachte, Medizin zu studieren. Die Konzentration auf das Studium ließ bald nach und wich einer anderen Leidenschaft, dem Reisen.
Zusammen mit seinem Freund Alberto Granados machte er sich im Dezember 1951 auf, den lateinamerikanischen Kontinent zu entdecken. Schon bald beschäftigte beide nicht nur die Landschaft, sondern auch die enorme Armut. Als Ernesto in der chilenischen Stadt Valparaiso eine Frau behandelte, die zu arm war, sich einen Arzt zu leisten, war er von deren Situation entsetzt. Er schrieb in seinem Reisebericht: „Dies sind die Fälle, da sich ein Arzt seiner ganzen Ohnmacht gegenüber dem sozialen Milieu bewusst wird, er wünscht sich eine Änderung der Verhältnisse.“
1954 machte er sein Staatsexamen und seinen Doktor, aber nur um direkt danach Lateinamerika nochmals zu bereisen. Diesmal hatte er von Anfang an einen anderen Blick: Ihn interessierte die bolivianische Revolution. Er reiste weiter nach Guatemala, wo unter dem Präsidenten Arbenz Maßnahmen gegen Armut ergriffen wurden. Die von dieser Regierung durchgeführte Landreform erschütterte die Interessen der US-amerikanischen Konzerne. Folglich wurde sie durch einen von der CIA inszenierten Putsch gestürzt.
Ernesto war erschrocken über die geringe Bereitschaft von Arbenz, die Revolution zu verteidigen. Diese Lehre sollte ihn weiterhin begleiten: Wer eine Revolution machen will, muss sich bewaffnen und sich gegen jeden Widerstand durchsetzen. Noch etwas war in Bolivien und Guatemala mit Ernesto Guevara geschehen: Er war Sozialist geworden.
Kubanische Revolution
Die CIA und die neuen guatemaltekischen Machthaber verfolgten Che, er floh nach Mexiko. Nach langer Suche arbeitete er im Krankenhaus von Mexiko-Stadt, wo er Bekanntschaft mit einigen Exilkubanern schloss, die den kubanischen Diktator Batista stürzen wollten. Über sie lernte er auch den Kopf der Unternehmung, Fidel Castro, kennen, der ihn schließlich zur Teilnahme an einer Guerillakampagne überzeugte. Im Dezember 1956 setzten die Guerilleros nach Kuba über.
Der ganze Plan schien in einem Fiasko zu enden. Ein von Castro-Anhängern begonnener Aufstand, der die Landung begleiten sollte, wurde noch vor dem Eintreffen der Guerilleros niedergeschlagen. Als diese auf Kuba landeten, wurden sie nach einigen Tagen fast vernichtet und mussten sich in das Gebirge Sierra Maestra zurückziehen. In dieser Zeit erhielt Guevara seinen Spitznamen. Da er als Argentinier den in seinem Land üblichen Ausdruck „Che“ gebrauchte, der so viel bedeutet wie „hey“ oder auch „hallo“, wurde er von seinen Mitkämpfern bald so genannt.
Langsam wandelte sich die Lage zu Gunsten der Revolutionäre. Kubas Diktatur war reif für den Sturz. Überall brodelte es. Es kam zu Studentenunruhen und Streiks. Politisch waren die daran beteiligten Gruppen sehr heterogen. Auch die von Castro geführte Bewegung des 26. Juli war keineswegs einheitlich und schon gar nicht marxistisch. In einem Interview mit dem argentinischen Reporter Masetti sagte Che hierzu: „Fidel ist kein Kommunist. […] Und derjenige, der am häufigsten des Kommunismus bezichtigt wird, bin eigentlich ich.“
Bis Mitte 1958 errang die Guerilla unter Castro die Führung über alle oppositionellen Gruppen in Kuba. Vor diesem Hintergrund begann die Schlussoffensive, die von Che geführt wurde. Ende Dezember 1958 nahm seine Kolonne Santa Clara ein. Batista floh am Neujahrstag in die Dominikanische Republik. Daraufhin rief die Bewegung des 26. Juli zum Generalstreik auf, der breite Unterstützung fand. Auf den Straßen feierten die Massen das Ende der Batista-Diktatur.
Als Castro kubanischer Ministerpräsident wurde, wollte er alles andere als eine sozialistische Entwicklung. Er versuchte sich mit den USA auszusöhnen und versprach, den Besitz US-amerikanischer Firmen nicht anzurühren.
Doch die Absicht Kubas, nationale Unabhängigkeit zu erreichen, lief den Interessen des US-Kapitals zuwider. Die von der Regierung Castro durchgeführte Landreform rief den Widerstand US-amerikanischer Firmen wie der United Fruit Company hervor. Die kubanische Bourgeoisie fürchtete um ihren Besitz. Die radikalisierten kubanischen Massen verlangten tiefgreifende Maßnahmen. Die Lage spitzte sich zu. Washington stoppte den Import von kubanischem Zucker. Castro sah sich – unter dem Druck der Massen (und auch auf Drängen Ches) – gezwungen, die Verstaatlichung aller ausländischen Vermögen zu legalisieren. Bald darauf wurden kubanische Großunternehmen enteignet.
Permanente Revolution
"Unter den gegenwärtigen historischen Bedingungen Lateinamerikas kann die nationale Bourgeoisie den antifeudalen und antiimperialistischen Kampf nicht anführen. Die Erfahrung zeigt, dass in unseren Nationen die Klasse, auch wenn ihre Interessen zu denen des Yankee-Imperialismus im Widerspruch stehen, unfähig gewesen ist, jenem die Stirn zu bieten, paralysiert durch die Angst vor der sozialen Revolution und erschreckt durch die Stimmung der ausgebeuteten Massen“, so beschrieb Che zu dieser Zeit die Situation.
Was sich auf Kuba abspielte, bestätigte die vom Revolutionär Leo Trotzki entwickelte (und zunächst auf Russland bezogene) Theorie der permanenten Revolution. Die nationale Kapitalistenklasse war historisch gesehen zu spät gekommen, nach den bürgerlichen Revolutionen in Frankreich und in anderen Ländern. Sie war zu schwach, zudem mit dem ausländischen Kapital verwoben, von ihm abhängig, ebenso mit der noch existierenden feudalen Klasse. Außerdem fürchtete sie, dass die zahlenmäßig zwar kleine, aber gerade in den Großbetrieben potenziell starke Arbeiterklasse von einem revolutionären Wandel ermutigt und weitergehen könnte. Daher kann die einheimische Bourgeoisie die Führung einer antifeudalen, auf nationale Unabhängigkeit abzielenden Revolution nicht übernehmen. Somit müssen diese Ziele im Kampf gegen die nationalen Kapitalisten durchgesetzt werden.
Zur „Permanenz“ gehört auch, dass die Revolution zwar in einem Land beginnt, aber dabei nicht stehen bleiben darf. Eine sozialistische Insel kann sich nicht auf Dauer halten. Darum ist eine Internationale mit einem klaren marxistischen Programm, verankert in der Arbeiterbewegung, zentral. Ihr kommt die Aufgabe zu, die Erfahrungen im Klassenkampf zu verarbeiten, sozialistische Ideen zu verbreiten und über Ländergrenzen hinweg aktiv zu sein. Wichtig ist es, in den verschiedenen Ländern AktivistInnen zu schulen, die revolutionäre Entwicklungen nutzen können.
Arbeiterklasse
Während in Russland 1917 die Arbeiterklasse die Trägerin der Revolution war und – vor der Stalinisierung – die Macht durch demokratisch gewählte Sowjets ausübte, war es in Kuba gerade mal eine kleine Führung, die die Forderung der Massen umsetzte, nicht die Massen selbst. Das Batista-Regime war so schwach, dass es kippte, noch bevor die Arbeiterklasse den Ereignissen ihren Stempel hätte aufdrücken können. Dieser Umstand half beim Aufstieg einer Schicht, die Kuba dominierte und von niemandem kontrolliert wurde.
Hier zeigt sich auch die Beschränktheit des Guerillakampfes. Auf dem Land kann dieser ein legitimes Mittel sein. Aber nur als Ergänzung, nicht als Ersatz zum Kampf der Arbeiterklasse in den Städten. Schließlich sind es die ArbeiterInnen, die durch ihre Rolle im Produktionsprozess ganz anders als die Bauernschaft ein kollektives Bewusstsein entwickeln und in gemeinsamen Handlungen das Kapital treffen können. Die Arbeiterklasse ist in der Lage, die Wirtschaft und das ganze öffentliche Leben lahm zu legen. Gleichzeitig kann sie Strukturen bilden, die erst Kampforgane, dann Organe zur Machteroberung und schließlich Organe zum Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft werden können. Demgegenüber ist der Guerillakampf von militärischen Strukturen geprägt, die Stellvertretertum fördern und die Selbstorganisation der Massen erschweren.
Keine Privilegien
Che Guevara wurde erst Präsident der kubanischen Nationalbank und später Industrieminister. Che lehnte jegliche Privilegien ab. Schon während der Kämpfe in der Sierra Maestra teilte er das Leben seiner Mitkämpfer. Während Castro ab Jahresende 1957 ein vergleichsweise komfortables Quartier mit Plattenspieler und dazugehörigem Koch besaß, schlief Che neben seinen Genossen auf der Erde. Als Industrieminister verzichtete er auf sein Ministergehalt und erhielt nur seine Bezüge als Commandante. Mit 250 Dollar im Monat hatte er sehr viel weniger in der Tasche als der durchschnittliche kubanische Funktionär.
Eines Tages besuchte er mit seiner Tochter Hilda ein Fahrradwerk. Sie fragte immer wieder, ob sie ein Fahrrad bekommen könne. Schließlich, am Ende der Inspektion, wollte der Direktor Hilda ein Fahrrad schenken. Che fuhr ihn an, man verschenkt doch kein Volkseigentum!
Che arbeitete rund um die Uhr: Montag bis Sonnabend saß er im Ministerium. Am Sonntag Vormittag ging er regelmäßig zu Arbeitseinsätzen auf den Bau oder zur Zuckerrohrernte. Für seine Familie blieb ihm häufig nur der Sonntag Nachmittag.
Gegen Bürokratismus
Bei seinen Besuchen in der Sowjetunion musste er schmerzlich erkennen, dass die dort regierende bürokratische Kaste, die sich während der Herrschaft Stalins etabliert hatte, eigene Interessen verfolgte. Ihr ging es nicht darum, die Revolution voranzubringen und den Sozialismus aufzubauen, sondern darum, die eigenen Privilegien zu sichern. Zu seinem Freund Padilla sagte Che: „Ich weiß, dass es ein Schweinestall ist; ich habe es selber gesehen.“
Im April 1963 verfasste Che Guevara in Sorge über die Prozesse in Kuba einen wütenden Artikel unter dem Titel: „Gegen den Bürokratismus“ und bemerkte darin: „Der Bürokratismus ist der Strohhalm für jenen Funktionärstyp, der seine Probleme auf welche Weise auch immer aus der Welt schaffen will.“ Zwar las er auch Leo Trotzki, der neben Lenin der führende Kopf der Russischen Revolution gewesen war und als Marxist den Kampf gegen den Stalinismus aufgenommen hatte. Trotzki hatte analysiert, wie eine Bürokratie entsteht und ein Programm zum Sturz dieser herrschenden Clique entwickelt. Che verinnerlichte diese Gedanken jedoch nicht. Seine Ideen zum Kampf gegen die Bürokratie blieben in Ansätzen stecken. Anders als bei Trotzki sollte bei Che die Arbeiterklasse nur reagieren, auf die Beschlüsse der Führung. Ches ganzer Kampf gegen den Bürokratismus baute, neben einer noch stärkeren Kontrolle von oben, auf einer umfassenden Bildung auf (was völlig richtig ist) und der Schaffung des „neuen Menschen“, des unbestechlichen, fehlerlosen Kaders, der mit dem Volk verwachsen ist. Der sollte durch die Führung aus der Masse herausgefiltert werden – doch eben diese Führung hatte sich bereits zum großen Teil bürokratisiert. Somit hatte sie auch kein Interesse, Ches Kader auszuwählen. Ches Programm gegen den Bürokratismus war somit zum Scheitern verurteilt.
„In der Folge bot sein Industrieministerium Asyl für Opfer sowohl der dogmatischen Altkommunisten als auch der Säuberungsaktionen Fidels“, wie Jon Lee Anderson in seiner Che-Biografie berichtete. In Ches Ministerium sammelte er zahlreiche Revolutionäre, die von den bürokratischen Säuberungen auf Kuba bedroht waren. Zu ihnen zählten der ehemalige Informationsminister Enrique Oltuski, sowie die Dichter Herbert Padilla und Alberto Mora, der sich nach Ches Weggang aus Kuba, unter dem Druck der Bürokratie stehend, das Leben nahm.
Immer heftiger stieß Che mit der Bürokratie auf Kuba und der herrschenden Clique im Ostblock zusammen. Kiwa Maidanek, in den sechziger Jahren Lateinamerika-Experte der KPdSU, bezeichnete Che Guevara als einen „Abenteurer, Parteigänger der Chinesen und Trotzkist“. Tatsächlich war er weder das eine, noch das andere, obwohl er Trotzkis Ideen vor kubanischen StudentInnen lobte.
Aus Sicht des Kreml überspannte er im Februar 1965 bei einer Rede zu „Wirtschaft und Außenhandel in der heutigen Welt“ in der algerischen Hauptstadt Algier den Bogen. Moskau hatte kein Interesse an revolutionären Bewegungen international. Schließlich hätte ein erfolgreicher Sturz des Kapitalismus unter Führung der Arbeiterklasse den Weg Richtung sozialistischer Demokratie weisen können. Das wäre eine direkte Herausforderung der stalinistischen Ein-Parteien-Regime gewesen. Deshalb gab der Kreml zwar immer wieder Gelder für Befreiungsbewegungen in der „Dritten Welt“, arbeitete aber stets auf die Unterordnung gegenüber bürgerlichen Kräften hin. Dazu Che: „Wenn wir dieser Art Beziehung zwischen den beiden Gruppen von Nationen zustimmen, müssen wir uns darüber klar sein, dass die sozialistischen Länder sich in gewisser Weise zu Komplizen der imperialistischen Ausbeutung machen.“ Als Folge für diese Worte verlangte der sowjetische Botschafter auf Kuba, Che Guevara endlich zum Schweigen zu bringen.
Kongo
Der Bürokratisierungsprozess auf Kuba, der Druck der herrschenden Clique auf Che und nicht zuletzt Castros Haltung, der Che Guevaras harte Kritik an der UdSSR als kontraproduktiv ansah, ließen in Che den Entschluss reifen, von Kuba wegzugehen.
Als Castro Che bat, kubanische Truppen im Kongo zu befehligen, musste er ihn nicht lange überzeugen. Che reiste inkognito in den Kongo, um an der Spitze der kubanischen Soldaten die kongolesischen Guerilleros unter Kabila auszubilden. Diese hatten nach der Ermordung des kongolesischen Ministerpräsidenten Patrice Lumumba durch den CIA den Kampf aufgenommen.
Che war entsetzt von der Situation, die er vorfand. Die Führer der Revolution waren nicht nur hoffnungslos zerstritten, sie reisten zudem mit prall gefülltem Geldbeutel in alle Herren Länder und ließen die im Kongo kämpfenden Guerilleros im Stich. Diese plünderten ihrerseits die Bauern aus, statt sie vor den Regierungstruppen zu schützen und misshandelten Gefangene.
Die Folge all dessen war die Niederlage der kongolesischen Revolution. Ches Lehren aus diesem Debakel waren höchst widersprüchlich. Er erkannte sehr viel mehr als früher die Notwendigkeit, den Marxismus in der Bevölkerung zu verankern. „Daraus ergibt sich, als wichtigste Aufgabe […] der Aufbau einer Revolutionspartei auf nationaler Ebene mit im Volk verankerten Zielen und anerkannten Kadern.“ Doch die Arbeiterklasse wird seiner Meinung nach in diesem Prozess nur eine zweitrangige Rolle spielen, schließlich sei sie im Gegensatz zu den Bauern „durch die kleinen Bequemlichkeiten der Zivilisation“ von der Bourgeoisie korrumpiert.
Bolivien
Nach der Niederlage der kongolesischen Revolution wandte sich Che Guevara wieder dem Kontinent zu, auf dem seiner Meinung nach die schwerste Schlacht ausgefochten werden wird: Lateinamerika. Von Bolivien aus wollte er ein Übergreifen des revolutionären Krieges in die angrenzenden Länder wie Peru und Argentinien organisieren. Doch es kam zum Desaster.
Im April 1967 wurden die Guerilleros auf ihrer Hacienda entdeckt. Kurze Zeit später musste Che einen Teil seiner Leute zurücklassen, da sie erkrankt waren, unter ihnen auch die aus der DDR stammende Tamara Bunke. Die Trennung sollte nur ein paar Tage dauern und ermöglichen, den Hauptteil der Guerilla-Streitmacht in Bewegung zu halten und dem bolivianischen Militär auszuweichen. Doch die beiden Einheiten begegneten sich nie wieder. Am 31. August wurden die versprengten Guerilleros gefunden und in einem Gefecht getötet.
Anfangs gelang es Che Guevara noch, dem Militär teils schwere Niederlagen beizubringen. Unterdessen hatten Gefangene dem bolivianischen Geheimdienst gegenüber erklärt, dass Che die Guerilleros führt. Sofort wurde die Jagd auf die Einheit verstärkt. US-amerikanische Rangers trafen ein, um das bolivianische Militär auszubilden. CIA-Agenten unterstützten die Suche nach den Guerilleros.
Viel schwerer wirkte sich jedoch die Haltung der Bauern aus. In der Revolution 1953 wurde eine umfangreiche Landreform durchgeführt. Das machte die Bauern weniger empfänglich, einen Guerillakampf zu unterstützen. Beim Eintreffen der Revolutionäre flohen sie teilweise sogar aus ihren Dörfern. Ches Konzeption von einer „Bauernrevolution“ rächte sich nun bitter. Von den bolivianischen ArbeiterInnen und ihrer großen revolutionären Tradition isoliert, erreichte er diese nicht, während die Bauern sich auch nicht einreihen wollten.
Schließlich kreiste das bolivianische Militär ihn am 8.Oktober ein, vernichtete seine Truppe vollständig, nahm ihn gefangen und ermordete ihn.
Ches Vermächtnis
Che Guevaras kompromissloser Einsatz gegen Unterdrückung und seine Opferbereitschaft geben heute noch all denen Kraft, die den Kampf für eine bessere, eine sozialistische Gesellschaft führen wollen. Bei Protesten in Lateinamerika malen Jugendliche immer noch Graffitis an die Wände: „Che vive – Che lebt“. Ches Ablehnung von Bürokratie und Privilegien, sein Internationalismus und sein Engagement für den Sozialismus bieten nach wie vor Inspiration.
Es ist in Ches Sinne, sich kritisch mit seinen Ideen und seiner Politik auseinander zu setzen. Schließlich hatte er selber sein Leben lang versucht, politisch weiterzukommen, hatte sich mit anderen Positionen beschäftigt. Immer darauf aus, den Kampf für eine sozialistische Welt zu stärken.
So richtig es ist, jede sich bietende Chance für eine revolutionäre Veränderung kühn zu ergreifen, so nötig ist es auch, die jeweiligen Bedingungen zu berücksichtigen und sich in der arbeitenden Bevölkerung zu verankern. Diese Erkenntnis ergibt sich aus den Resultaten von Ches Handeln, zuletzt in Bolivien.
Bolivien führte vor Augen, dass er mit seiner Orientierung auf die Bauernschaft als Träger der Revolution falsch lag. Den Bauern fällt es auf Grund ihrer Lebens- und Arbeitsverhältnisse viel schwerer als der Arbeiterklasse, ein kollektives Bewusstsein zu erlangen. Demgegenüber zeigte die Russische Revolution, dass die Arbeiterklasse die Führung übernehmen kann, selbst wenn sie eine Minderheit, (in dem Fall zehn Prozent der Bevölkerung), darstellt. Russland bewies auch, dass eine von den Lohnabhängigen getragene Revolution die Möglichkeit dafür bietet, dass die unterdrückten Massen ihre eigenen Organe schaffen und damit den Grundstein für eine sozialistische Demokratie legen können. Auf Grund der Rückständigkeit und Isolation Russlands ließ sich das damals tragischerweise nicht verteidigen. Es kam zum Stalinismus.
Kuba unterstreicht die Überlegenheit von Verstaatlichung und Planwirtschaft. Im Vergleich zu anderen unterentwickelten Ländern, die kapitalistisch blieben, kam es in Kuba zu bedeutenden sozialen Verbesserungen. Aber leider fehlte es an einer Arbeiterdemokratie. Das förderte die wirtschaftlichen Probleme Kubas. In Kuba sind einschneidende Veränderungen nötig, nicht bei den Produktions- und Eigentumsverhältnissen, aber im politischen Überbau. Bürokratismus und Privilegien müssen beseitigt werden. Auf allen Ebenen muss die arbeitende Bevölkerung das Sagen haben – über demokratische Diskussions- und Entscheidungsorgane, ob diese nun Räte oder anders heißen. Che ahnte dies alles. (Vor seiner Ermordung wollte er sich gerade intensiver mit den Schriften Trotzkis befassen). Aber er war in seinen Schlussfolgerungen nicht so konsequent wie Trotzki, der ein Programm gegen den Stalinismus und für die sozialistische Demokratie entwickelte – das auch heute nichts von seiner Gültigkeit eingebüßt hat.
Steve Kühne ist Mitglied des SAV-Bundesvorstandes