Bahn: Tarifkonflikt geht weiter

Der Tarifkonflikt zwischen Bahn-Management und der Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) geht in die nächste Runde: unter Vermittlung der CDU-Politiker Geißler und Biedenkopf wurde sich darauf geeinigt, dass die LokführerInnen im Rahmen des für alle geltenden Tarifvertrags eigene Entgelt-, Arbeitszeit und Schichtregeln erhalten. Diese sollen unter der Tarifführerschaft der GDL ausgehandelt werden. Die Zugbegleiter fallen aus dieser Einigung heraus, für sie wird von den beiden anderen Bahngewerkschaften Transnet und GDBA weiter verhandelt.


 

von Sascha Stanicic, Berlin

Damit hat die GDL zwar keinen eigenen Spartentarifvertrag für das Fahrpersonal erreicht, was ihre ursprüngliche Forderung war, aber faktisch wird es ein eigenes Tarifwerk für Entlohnung, Arbeitszeit und Schichtpläne der LokführerInnen geben, auch wenn dieses Teil des allgemeinen Tarifvertrags sein wird.

Vor allem hat die GDL damit die Anerkennung als entscheidende Tarifpartei der LokführerInnen durchgesetzt. Auch ist zu erwarten, dass dieses Zwischenergebnis eine höhere Lohnsteigerung für LokführerInnen zur Folge haben wird, als die (offiziell) 4,5 Prozent, die von Transnet und GDBA für die Bahnbeschäftigten für eine Laufzeit von 19 Monaten ausgehandelt wurden.

Teilerfolg der GDL

Der bisherige Verlauf der Auseinandersetzung zwischen Bahn-Bossen und der GDL hat gezeigt, dass ein offensives Vorgehen einer Gewerkschaft die Arbeitgeber in die Defensive drängen kann und Verbesserungen durchsetzbar sind. Die hohe Forderung nach einem Einstiegsgehalt von 2.500 Euro hatte für die LokführerInnen eine mobilisierende Wirkung. Sie zeigte, dass es sich diesmal lohnen könnte, zu kämpfen. Die gesellschaftlichen Debatten über eine durch den möglichen Bahnstreik lahmgelegte Republkik haben die potenzielle Kraft der Arbeiterklasse zum Ausdruck gebracht. Viele KollegInnen und Gewerkschaftsmitglieder wünschten sich in den letzten Wochen, dass ihre Gewerkschaftsführung ähnlich hohe und offensive Forderungen aufstellen würde, wie die GDL.

Bittere Pillen

Aber das Zwischenergebnis von gestern ist nicht ohne bittere Pillen: die GDL verzichtet bis zum 30. September auf Streiks, ohne dass sie materiell bisher irgend etwas erreicht hätte.

Es ist zwar davon auszugehen, dass für die LokführerInnen ein besseres Ergebnis herauskommen wird, als es für die restlichen Bahnbeschäftigten erreicht wurde. Aber der Verzicht auf Streiks bedeutet eine vertane Chance, in den nächsten Wochen – während der weiteren Verhandlungen – den Druck auf das Bahn-Mangement zu maximieren. Offensichtlich hat der Gegenwind aus Regierung, Medien, Transnet-Führung und Unternehmerlager bei dem ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Schell Angst vor der eigenen Courage ausgelöst.

Es wurde auch darauf verzichtet durch einen Streik ein Signal für eine andere Gewerkschaftspolitik zu geben, die keinen Verzicht übt, sondern angemessene Forderungen kämpferisch durchsetzt.

Stattdessen hat sich die GDL-Führung wochenlang an die Kette legen lassen und auf ihre wichtigste Waffe, den Streik, verzichtet. Zweifellos wurde der Tarifbewegung dadurch Dynamik genommen und besteht die Gefahr, dass das Ergebnis unter den Möglichkeiten für die LokführerInnen liegen wird.

Kampf noch nicht vorbei

Aber die LokführerInnen sollten GDL-Chef Schell beim Wort nehmen, wenn er betont, dass die Gewerkschaft ihre Forderungen aufrecht erhält.

Sie genießen viel Sympathie in der Masse der Bevölkerung. Dies wäre zweifellos noch zu steigern, wenn die GDL-Führung erklären würde, dass sie nicht nur für die LokführerInnen höhere Löhne durchsetzen will, sondern dies als Bestandteil eines Kampfes für bessere Löhne für alle Bahnbeschäftigten und die Lohnabhängigen generell betrachtet.

Deshalb sollten GDL- und Transnet-KollegInnen zusammen kommen und sich auf gemeinsame Aktionen vorbereiten. Dass es bis zum 30.9. keine Streiks geben soll ist nicht gut. Aber es kann dafür gesorgt werden, dass ab 1. Oktober alle Räder still stehen, wenn das Bahn-Management die GDL-Forderungen bis dahin nicht akzeptiert hat. Transnet-KollegInnen sollten fordern, dass das Ergebnis der LokführerInnen auf alle Beschäftigten übertragen werden soll. So könnte eine einheitliche Kampffront aller Beschäftigten wieder hergestellt werden

Nein zur Privatisierung

Außerdem sollte der Tarifkampf mit einer Kampagne gegen die Privatisierung der Bahn verbunden werden, was bisher leider nicht geschehen ist. Dagegen ist nach neuesten Umfragen eine Mehrheit der Bevölkerung. DIE LINKE und der DGB, aber keine der Bahngewerkschaften, lehnen die Privatisierung komplett und in jeder Form ab. Eine Verbindung des Kampfes um höhere Löhne mit dem Kampf gegen die Privatisierung würde die Unterstützung in der arbeitenden Bevölkerung für die Bahnbeschäftigten noch weiter steigern.

Die Einigung auf die Erarbeitung einer neuen Entgeltordnung für die Beschäftigten der Bahn lässt aber nichts Gutes vermuten. Die Erfahrungen mit ähnlichen Tarifreformen in der Metallbranche (ERA – Entgeltrahmenabkommen) und im öffentlichen Dienst (TVÖD bzw. TV-L) zeigen, dass solche "Reformen" von den Arbeitgebern zu massiven Verschlechterungen genutzt werden, insbesondere wenn diese in der Friedenspflicht ausgehandelt werden. Es ist zu befürchten, dass höhere Löhne für LokführerInnen durch Kürzungen bei anderen Beschäftigten kompensiert werden sollen. Sollten GDL, Transnet und GDBA dem zustimmen, wäre das ein Skandal. Bahnbeschäftigte sollten also wachsam sein und in ihren Gewerkschaften durchsetzen, dass eine Tarifreform zu keinerlei Verschlechterungen für keinen Teil der Belegschaft führen darf!