Kein Angebot für Einkommenserhöhungen bei Landesbeschäftigten. Statt dessen Ausweitung des Überwachungsstaats
von Daniel Behruzi, zuerst veröffentlicht in der jungen Welt, 22.8.07
Der Berliner Senat zeigt gegenüber seinen Bediensteten weiter Härte. Bei seiner Sitzung am Dienstag beschlossen die Regierungsmitglieder von SPD und Die Linke, den Gewerkschaften kein Angebot zur von ihnen geforderten Erhöhung der Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst vorzulegen. Lediglich über eine »kostenneutrale Übernahme« des bundesweit geltenden Tarifrechts wolle man verhandeln, erklärte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) im Anschluß an die Sitzung.
Härte zeigt »rot-rot« auch in puncto »Innere Sicherheit«. Es wurde eine Reihe von Gesetzesänderungen verabschiedet, die eine Ausweitung der Überwachungsmöglichkeiten durch die »Sicherheitsbehörden« der Hauptstadt zur Folge haben. Insbesondere in den Fahrzeugen der BVG soll die Videoüberwachung ausgeweitet werden.
Am Dienstag morgen waren die Senatoren – nicht alle, einige benutzten den Hintereingang – auf ihrem Weg ins Rote Rathaus von mehreren hundert Personalräten mit einem gellenden Pfeifkonzert empfangen worden. Damit wollten die Beschäftigtenvertreter der Gewerkschaftsforderung nach Übernahme der bundesweit erfolgten Einkommenssteigerungen – konkret will die Tarifgemeinschaft aus ver.di, GEW, GdP und IG BAU drei Einmalzahlungen von jeweils 300 Euro durchsetzen – Nachdruck verleihen.
Im Anschluß an die Aktion versammelten sie sich zu einer Personalrätekonferenz in einem der Säle des Regierungsgebäudes. Thema hier: ein vorliegender Entwurf für ein neues Landespersonalvertretungsgesetz, das eine weitereichende Einschränkung der Mitbestimmungsrechte im Landesdienst vorsieht (Siehe Interview Seite 8). Entgegen Körtings ursprünglicher Planung kam das Thema bei der Senatssitzung zwar nicht zur Sprache, zur Frage der Tarifforderung übernahm die Landesregierung jedoch die harte Haltung ihres Innensenators.
Nach der Sitzung kündigte dieser an, den Gewerkschaften in den kommenden Tagen ein »Angebot« zukommen zu lassen. »Wir werden die Übernahme des neuen Tarifrechts für den öffentlichen Dienst, TVÖD bzw TV-L, anbieten«, konkretisierte Körting die Offerte und betonte, damit sei das Land bereit, sich »beim Tarifrecht wieder in den Geleitzug mit den übrigen Ländern zu begeben«. 2003 hatte der Senat die Gewerkschaften mit seinem Ausstieg aus dem Arbeitgeberverband zum Abschluß eines »Anwendungstarifvertrags« bewegt, der Einkommenskürzungen zwischen acht und zwölf Prozent bei gleichzeitiger Arbeitszeitreduzierung vorsieht. Zusätzlich müssen die Landesbediensteten in der Hauptstadt – anders als in fast allen anderen Ländern und Kommunen –seither auf jegliche Lohnsteigerungen verzichten. Dennoch werde man der Gewerkschaftsforderung nach Einkommenserhöhungen nicht nachkommen, betonte Körting. »Die finanzielle Situation des Landes ist nach wie vor angespannt«, begründete der Senator dies. Die günstigeren Haushaltszahlen im kommenden Jahr seien ausschließlich auf den Verkauf der Landesanteile an der Bankgesellschaft zurückzuführen und müßten zum Schuldenabbau verwendet werden.
Ohnehin sieht sich der Senat nicht in der Pflicht, die bundesweite Tarifentwicklung nachzuvollziehen. Die Gewerkschaften hätten den »Anwendungstarifvertrag« schließlich unterschrieben, »wohl wissend, daß es sehr schwierig werden würde, davon noch einmal etwas zu ändern«, so Körting. Das Abkommen sehe lediglich eine »winzige Öffnungsklausel« vor, die die Regierung dazu verpflichte, die Übernahme anderswo vereinbarter Tarifregelungen »zu prüfen«. »Wenn wir dieser Verpflichtung nachkommen, dann gehe ich davon aus, daß in diesem Punkt kein Streikrecht besteht«, erklärte er auf jW-Nachfrage nach einem möglichen Arbeitskampf.
Bei Gewerkschaftern und Personalvertretern sorgen diese Äußerungen naturgemäß für Empörung. »Den TVÖD ohne die entsprechende Tariferhöhung vereinbaren zu wollen – das ist doch wohl ein Witz«, sagte Uwe Januszewski, Vorsitzender des Hauptpersonalrats, gegenüber jW. Auch die Berliner Landesbediensteten hätten einen Anspruch auf Ausgleich der Preissteigerungen, betonte er. »Die Forderung nach Lohnerhöhungen ist für uns zentral, das brennt den Kolleginnen und Kollegen auf den Nägeln«, hob auch die Verhandlungsführerin der Gewerkschaften und stellvertretende ver.di-Landesbezirksleiterin Astrid Westhoff auf jW-Nachfrage hervor. Selbstverständlich hätten die Beschäftigten das Recht, dies auch mit einem Streik durchzusetzen. Westhoff widersprach auch der Argumentation Körtings, für Lohnerhöhungen fehle das Geld: »Erstens hat das Land mit dem Anwendungstarifvertrag wesentlich mehr eingespart, als ursprünglich geplant: insgesamt 500 Millionen Euro. Zweitens ist die Einnahmeentwicklung des Landes viel besser als erwartet, und drittens hat Berlin durch den massiven Personalabbau in den letzten Jahren die Kosten enorm verringert.« Die Tarifkommission der beteiligten Gewerkschaften wird am Freitag über das weitere Vorgehen beraten. »Wenn es tatsächlich kein Lohnangebot gibt, gehe ich davon aus, daß sich die Auseinandersetzung verschärfen wird«, drohte Westhoff.