In Stuttgart hat die ver.di-Betriebsgruppe am Klinikum im Herbst letzten Jahres eine Kampagne für mehr Stellen in der Pflege der Psychiatrie gestartet. Ursel Beck befragte dazu Dieter Janßen vom ver.di-Vertrauensleute-Vorstand Klinikum Stuttgart.
Was habt Ihr bis jetzt erreicht?
Der Gemeinderat hat beschlossen, den Neubau der Psychiatrie um acht Jahre vorzuziehen. Dies ist ein wichtiger Erfolg, weil die derzeitigen baulichen Verhältnisse für Patienten wie Beschäftigte schier unerträglich sind. Außerdem haben wir Anfang des Jahres sechs Stellen zusätzlich zum Budget bekommen. Anfangs hieß es, dass diese Stellen sofort wieder abgebaut werden, aber im Verlauf der Auseinandersetzung haben wir erreicht, dass diese Stellen bis auf weiteres besetzt werden können. Natürlich ist das nicht genug. Wir liegen damit immer noch um siebzehn Stellen unter der Personalbesetzung der Psychiatrie-Personalverordnung.
Wie sah eure Kampagne bisher konkret aus?
Im Herbst letzten Jahres sind wir zum ersten Mal an die Presse gegangen und haben die skandalösen baulichen und personellen Verhältnisse bekannt gemacht. Das Management hat uns daraufhin vorgeworfen, das sei „geschäftsschädigend“. Die Lokalpresse hat es aber groß aufgegriffen. Es gab Leserbriefe, die unsere Position bestätigten. Weil die Überlastungssituationen anhalten und die sechs zusätzlichen Stellen bei weitem nicht ausreichen, sind wir im April noch mal an die Presse gegangen. Die Geschäftsleitung sah sich diesmal gezwungen, uns, so wörtlich, „zu 90 Prozent Recht“ zu geben.
Wir wurde die Belegschaft in die Kampagne einbezogen?
In unserem ver.di-Krankenhausinfo berichten wir regelmäßig. Wir ermutigen unsere Kolleginnen und Kollegen, Überlastungssituationen durch Überlastungsanzeigen gegenüber Vorgesetzten darzustellen. Seit Anfang 2007 gab es über 100 Überlastungsanzeigen – allein aus der Psychiatrie. Anfang Mai haben wir eine Teilpersonalversammlung der Psychiatrie gemacht. Es kamen über 80 Kolleginnen und Kollegen und nahmen kein Blatt vor den Mund. Diese Versammlung hat den entscheidenden Druck aufgebaut, dass die sechs zusätzlichen Stellen bis auf weiteres erhalten bleiben.
Wir haben dann eine Unterschriftenaktion gemacht, bei der 180 Beschäftigte eine Mindestbesetzung entsprechend der Psychiatrie-Personalverordnung gefordert haben. Die Unterschriften haben wir Ende Mai anlässlich einer Sitzung des Krankenhaus-Ausschusses an die Gemeinderäte übergeben. Nachdem die SPD bereits im Dezember mehr Stellen für die Psychiatrie beantragt hatte, wurde Anfang Juli auf Antrag der Grünen noch mal über die Personalsituation beraten. Vor dieser Sitzung haben wir dann eine Protestaktion gemacht. Zum wiederholten Mal haben wir die Gemeinderäte mit unserer Forderung nach mehr Stellen konfrontiert.
Was war das Ergebnis der Sitzung des Krankenhaus-Ausschusses?
Die Mehrheit im Gemeinderat hat es abgelehnt, die dringend nötigen Stellen aus dem Haushalt der Stadt zu finanzieren. Der grüne Krankenhaus-Bürgermeister Murawski hat am Ende der Sitzung stattdessen den Vorschlag gemacht, dass bei Personalnot einfach keine Patienten mehr aufgenommen werden sollen. Dieser Vorschlag ist ungeheuerlich. Denn die Stadt entledigt sich damit ihrer Verantwortung. Man muss dabei hinzufügen, dass die Stadt Stuttgart in Geld schwimmt. Im letzten Jahr hat die Stadt mehr als 180 Millionen Euro mehr eingenommen als ausgegeben. De facto ist die Stadt schuldenfrei. Außerdem wird im Zweifelsfall kein Arzt einen Patienten abweisen, der in einer psychischen Krise steckt. Und deshalb werden wir weiter Druck machen für mehr Stellen.