Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) lehnt den von den Gewerkschaften Transnet und GDBA vereinbarten Tarifabschluss für die Bahn-Beschäftigten ab, fordert mehr und will dafür streiken. Ist Kritik oder Solidarität angebracht?
von Ursel Beck, Stuttgart
Spitzenfunktionäre wie Frank Bsirske und Michael Sommer schieben im Monat 13.500 Euro und mehr ein. Aber den Lokführern, die ein bescheidenes Anfangsgehalt von brutto 2.500 Euro (statt bisher 1.970 Euro) und eine Stunde Arbeitszeitverkürzung fordern, wird aus den Reihen der DGB-Spitze vorgeworfen, sie seien egoistisch.
Provokation für DGB-Führung
Um was geht es wirklich? Hohe Tarifforderungen gepaart mit Entschlossenheit und Streik zur Durchsetzung sind eine Bedrohung für die Politik des Verzichts und der Streikvermeidung der DGB-Gewerkschaften. Mit den politischen Argumenten, die dabei aufgefahren werden, entlarven sich unsere Spitzenfunktionäre offen als Handlanger der Arbeitgeber. So wird gegenüber den Lokführern argumentiert, ihre Forderungen würden Arbeitsplätze vernichten. Es ist auch heuchlerisch, wenn Bsirske und Co., die seit Jahren mit Spartentarifverträgen, Öffnungsklauseln und der Verbetrieblichung der Tarifpolitik die Spaltung der Beschäftigten betreiben, die GDL mit dem Vorwurf der Entsolidarisierung konfrontieren.
Allein das offensive Auftreten der GDL setzte Transnet unter Druck, 7,5 Prozent zu fordern. Selbst der Warnstreik von Transnet war ein Aufspringen auf einen Warnstreik der GDL. Die erzielten 4,5 Prozent für 19 Monate nennt Transnet den „historisch besten Abschluss“. Allerdings entspricht das einer jährlichen Erhöhung von 2,6 Prozent. Gleichzeitig wird für 2007 und 2008 eine Inflationsrate von knapp zwei Prozent erwartet.
Lokführer unterstützen
Es gibt mit den Lokführern eine sehr hohe Identifikation in der Bevölkerung, weil sie „Normalverdiener“ sind. Selbst diejenigen, die durch ein Lahmlegen des Berufsverkehrs direkt von den Warnstreiks der Lokführer betroffen waren, zeigten Verständnis. Und mehr noch. Es gibt das Bewusstsein, dass sie stellvertretend für Millionen einen längst überfälligen Kampf gegen Bonzen wie Hartmut Mehdorn führen. Ein erfolgreicher Streik der Lokführer wäre eine Ermutigung für alle abhängig Beschäftigten und würde in den DGB-Gewerkschaften den Druck auf die Bürokratie erhöhen.
Was Mehdorn kassiert
Bahn-Chef Mehdorn bezog letztes Jahr 3,18 Millionen Euro. Das ist pro Tag etwa dreimal so viel wie das von den Lokführern geforderte Monatsgehalt.
Hamburger Abendblatt vom 30. März
GDL
Der Übertritt der Mehrheit der Lokführer und zunehmend aus dem anderen Fahrpersonal in die GDL liegt einzig und allein in der Verantwortung der Transnet-Führung um Norbert Hansen. Die GDL tritt radikaler auf. Allerdings hat die GDL-Führung jahrelang die Politik des Lohnverzichts durch Transnet mitgemacht. Der GDL-Vorsitzende Manfred Schell ist CDU-Mitglied. Die GDL-Spitze betonte in den letzten Wochen, sie sei gegen die Privatisierung der Bahn. Die offizielle Position ist jedoch, dass man die Bahn derzeit nicht für börsenfähig hält. Ein politischer Streik gegen die Privatisierung kommt für die GDL nicht in Frage.
Genauso wie in den DGB-Gewerkschaften stellt sich für die Lokführer die Notwendigkeit, die demokratische Kontrolle über den Streik und über die GDL herzustellen und einen konsequenten Kurs durchzusetzen.
Der Streik der Lokführer in der GDL kann aktuell einen tatsächlichen Beitrag zur Verbesserung der Lage der Beschäftigten leisten und muss deshalb von allen Linken und GewerkschafterInnen unterstützt werden. Die DGB-Führung muss unter Druck gesetzt werden, den Lokführern den Rücken zu stärken, statt sie zu bekämpfen. Gleichzeitig sollten GDL-Aktive den Mitgliedern von Transnet eine Zusammenarbeit anbieten und klar machen, dass sie die Bedingungen für alle Bahn-Beschäftigten verbessert sehen und Einheit im Kampf erreichen wollen.
Ursel Beck ist gewerkschaftspolitische Sprecherin der SAV