DIE LINKE / NRW: Hält die »solide Feindschaft«?

Die Linke in Nordrhein-Westfalen sieht sich im Aufwind. Spekulation über Regierungsbeteiligung nach 2010. SPD gibt sich sozialpolitisch engagiert


 

von Daniel Behruzi, zuerst veröffentlicht in junge Welt, 14.8.07

Die Linke in Nordrhein-Westfalen sieht sich im Aufwind. Auf sechs Prozent der Wählerstimmen kommt der größte westdeutsche Landesverband der Partei in einer aktuellen, vom WDR-Magazin Westpol in Auftrag gegebenen Umfrage – und schafft damit erstmals in einer Prognose den Sprung über die Fünfprozenthürde. Seither stellen nicht nur die Medien Vermutungen an über die Möglichkeit eines Bündnisses aus SPD, Grünen und Linken, das nach der Landtagswahl 2010 die unionsgeführte Koalition ablösen könnte. Beflügelt werden derartige Spekulationen durch Aussagen der SPD-Landeschefin Hannelore Kraft, die Koalitionsaussagen ablehnt und erklärt, man dürfe die Linke nicht »in die Schmuddelecke« stellen.

»In den Zeitungen wird viel über die Möglichkeit von Rot-rot-grün geschrieben, in der Partei selbst spielt diese Debatte aber bislang kaum eine Rolle«, erklärt Thies Gleiss aus Köln, der im bundesweiten Parteivorstand sitzt, gegenüber jW. Er selbst habe als Linker zwar »jederzeit die Machtfrage im Auge«, aber der Begriff Regierungsbeteiligung suggeriere, daß es einen Partner gebe, mit dem eine Koalition möglich sei. »Den gibt es aber weit und breit nicht – auch nicht mit Hannelore Kraft«, betont Gleiss. In Nordrhein-Westfalen, wo sowohl Linkspartei als auch WASG von Strömungen dominiert würden, die im bundesweiten Vergleich eher links stünden, bestehe bei beiden Partnern eine »solide Feindschaft« zur Sozialdemokratie.

Diese Haltung wird derzeit allerdings auf eine gewisse Probe gestellt. Versucht sich die SPD in der Opposition zu Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) doch als linke, sozialpolitisch engagierte Kraft zu positionieren. »Im Moment lehnt die NRW-SPD die Novellierung des Landespersonalvertretungsgesetzes ab, die eine drastische Einschränkung der Mitbestimmungsrechte im öffentlichen Dienst bedeuten würde. Sie spricht sich gegen Privatisierungen und gegen die Auflösung der Versorgungsämter aus – alles sehr vernünftige Positionen. Allerdings haben wir mit der SPD als Regierungspartei ganz andere Erfahrungen gemacht«, so Wolfgang Zimmermann, Sprecher der Partei Die Linke in dem Bundesland. Die SPD-Grünen-Koalition habe 2004 beispielsweise die Arbeitszeiten der Beamten per Dekret verlängert und deren Weihnachts- sowie Urlaubsgeld gekürzt.

Völlig ausschließen mochte Zimmermann ein Bündnis mit den Sozialdemokraten bei einem kürzlich von Welt online moderierten Streitgespräch mit SPD-Chefin Kraft dennoch nicht. »Eine Zusammenarbeit von SPD, Grünen und uns sehe ich nur, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind«, hatte Zimmermann dabei erklärt. Voraussetzung sei, daß SPD und Grüne sich mit einem grundlegenden politischen Richtungswechsel in Nordrhein-Westfalen einverstanden erklären, erläuterte er auf jW-Nachfrage. Das hieße u.a. die Ablehnung von Sozialabbau, Privatisierungen, Tarifflucht, Arbeitszeitverlängerung und Stellenabbau im öffentlichen Dienst. »Das sind Grundsätze, die man als Linke auch in der Regierung nicht verlassen darf«, betonte Zimmermann.

Andere in der NRW-Linken vertreten in dieser Frage einen strikteren Kurs als ihr Landessprecher. So erteilt beispielsweise Claus Ludwig, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Linken im Kölner Stadtrat, Gedankenspielen über ein Bündnis mit Sozialdemokraten und Grünen eine klare Absage: »SPD und Grüne unterscheiden sich nicht qualitativ von CDU und FDP. Daß sich die SPD in der Opposition ein wenig sozialer gibt, ist zum einen Folge des Drucks der Linken, zum anderen vor dem Hintergrund der offen reaktionären Politik der Rüttgers-Regierung nicht sonderlich schwer.« Konsequenz dieser Analyse sei, daß Die Linke die SPD womöglich vor sich hertreiben und gemeinsam mit ihr bestimmte Beschlüsse in den Parlamenten durchsetzen könne, Teil eines gemeinsamen Lagers sei man deshalb aber nicht. Ludwig verweist in diesem Zusammenhang auf die einstige Satzung der WASG, die Regierungsbeteiligungen, die nicht zu einem grundlegenden Politikwechsel im Interesse der arbeitenden und erwerbslosen Menschen führen, ablehnt. Abschreckendes Beispiel sei die Politik der Privatisierung und des Sozialabbaus durch den Berliner SPD-Linke-Senat. Auch in NRW seien Mehrheiten für einen mehr als nur kosmetischen Politikwechsel aber ganz und gar nicht in Sicht. Ludwigs Fazit: »Statt Debatten über Regierungsbeteiligung brauchen wir eine flächendeckende Vertretung der linken Opposition in den Kommunalparlamenten und im Landtag – und zwar als Hebel, die sozialen Kämpfe voranzubringen.«

Zumindest in NRW scheint die aus der Fusion von Linkspartei und WASG hervorgegangene Partei das Potential hierfür zu haben. Dafür sprechen nicht nur die Umfragewerte. Mehr als 900 Mitglieder habe der Landesverband in den vergangenen zwei Monaten hinzugewinnen können, berichtet Zimmermann. Insgesamt kommt Die Linke in NRW damit auf geschätzte 5500 Mitglieder. »Den genauen Überblick haben wir nicht, die Listen sind noch nicht vollständig bereinigt«, sagt Zimmermann. Spätestens bis zur offiziellen Gründung der Landerspartei am 20./21. Oktober in Gladbeck dürfte sich das geändert haben.