Eines kann man der hiesigen Unternehmerschaft nicht vorwerfen: Daß sie nicht konsequent und kompromißlos ihre Interessen vertreten würde.
von Daniel Behruzi, zuerst veröffentlicht in junge Welt, 15.8.07
Hartz-Gesetze, »Agenda 2010« und diverse »Steuerreformen« zugunsten der Vermögenden waren ja schon ganz schön, so der Tenor auf der Pressekonferenz des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) am Dienstag in Berlin. Nur seien die »Reformen zu klein, zu langsam, nicht mutig genug« ausgefallen, erklärte BDI-Präsident Jürgen Thumann. Er forderte, die große Koalition müsse in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode nachlegen: Die »Lohnzusatzkosten« – also die Ausgaben für den Sozialstaat – müßten weiter gesenkt werden; ebenso die Unternehmenssteuern. Beim Klimaschutz dürfe die »Wettbewerbsfähigkeit« und bei der Kontrolle ausländischer Anleger die »Investitionsfreiheit« nicht eingeschränkt werden.
Eigentlich ist das deutsche Kapital ganz zufrieden mit den Regierenden, ob mit Gerhard Schröder oder Angela Merkel. »Beiden Regierungen gebührt Anerkennung, dennoch fordern wir mehr Mut für schnellere und größere Reformschritte«, ließ Thumann die Pressevertreter wissen. Pünktlich zur heutigen Rückkehr der Kanzlerin aus dem Sommerurlaub präsentierte der BDI-Chef seinen Forderungskatalog. Darin findet sich u.a. eine weitere Kürzung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung: Statt wie geplant auf 3,9 soll dieser auf 3,2 Prozent sinken. Auch bei Unternehmens- und Erbschaftssteuern ist die »Entlastung« der Vermögenden oberstes Gebot. Das von der Regierung vorgelegte »Abschmelzmodell« bei der Vererbung von Betrieben begrüßte Thumann zwar, es müßten aber noch »Schwachstellen« behoben werden. Diese sieht der BDI-Mann vor allem in der vorgenommenen Unterscheidung zwischen produktivem und unproduktivem Vermögen, wodurch er »neue Belastungen auf sehr viele Familienunternehmen« zukommen sieht. Das gesamte Betriebsvermögen müsse vom Fiskus verschont bleiben, forderte Thumann. Bei der Unternehmenssteuer ist dem BDI vor allem die geplante Besteuerung von Auslandsinvestitionen ein Dorn im Auge.
Befürchtungen hegt der Unternehmerverband auch wegen des von der Bundesregierung geplanten Klima- und Energieprogramms. Zwar versicherte Thumann, daß die Industriellen das Thema »sehr, sehr ernst nehmen«, stellte jedoch sogleich klar, wie das gemeint ist: Statt hierzulande in den Klimaschutz zu investieren – »das muß alles ja auch bezahlbar bleiben« –, »sollten wir in anderen Ländern, in denen das mehr bringt, unsere Technologie dort vor Ort einbauen«. Deutschland sei schließlich nicht umsonst Weltmarktführer bei den Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energien, fügte er an. Und erklärte die Industrie – einer der Hauptverursacher des Klimawandels – flugs zum »Problemlöser«.
Zu Überlegungen, »Heuschrecken« einer Kontrolle oder überhaupt Regeln zu unterwerfen, sagte Thumann: »Eine Einschränkung der Investitionsfreiheit mag vor unerwünschten Investoren schützen, schreckt jedoch gleichzeitig potentielle Investoren ab.« Zwar habe er »ein gewisses Verständnis für Regularien, die das zumindest überwachen«, einen Genehmigungsvorbehalt für ausländische Anleger lehnte er aber strikt ab.
»Thumanns Platte hat einen Sprung«, kommentierte Herbert Schui von der Linksfraktion die BDI-Verlautbarungen. »In Aufschwungphasen darf das zarte Pflänzchen Konjunktur durch Belastungen der Unternehmen nicht gefährdet werden – und in Abschwungphasen verbieten sich Belastungen sowieso«, faßte Schui die Logik des Industriellenverbandes in einer Erklärung zusammen.