Ich bin trockene Raucherin. 35 Jahre habe ich geraucht, seit einem Jahr nicht mehr. Nicht der erste Versuch, aber hoffentlich der erfolgreichste. Mit dem Nichtrauchen verändert sich die Perspektive: Konnte ich mir bis dahin nicht vorstellen, wie eine Nichtraucher-Kneipe überhaupt aussehen könnte, so finde ich es heute unangenehm, in einer Kneipe im Qualm sitzen zu müssen.
von Angela Bankert, Köln
Dass sich die Nichtraucher-Zonen immer mehr ausdehnen, ist gut so. Allzu lange hat die Rücksichtslosigkeit der RaucherInnen regiert (meine eingeschlossen), gedeckt von den Fanfaren-Klängen der Tabakindustrie, die in ihrer Werbung das Menschenrecht auf Rauchen in jeder Lebenslage propagierte.
Kapitalismus mach (sucht-)krank
Hat der Mensch nicht ein Recht auf Drogen und Rausch? Mag sein. Die Frage scheint mir eher: Geht es um gelegentlichen Genuss oder um getriebenes Suchtverhalten? Besonders die hastige Zigarette auf einem zugigen Balkon macht einem klar: Das hat nichts mit Genuss zu tun, die reine Sucht ist das.
Als Genussmittel taugen unsere handelsüblichen Zigaretten mit ihren unzähligen Zusatz- und Suchtstoffen ohnehin nicht. Guter, reiner Tabak in Maßen – das könnte man sich als Genuss vorstellen. Doch sicher nicht das zwanghafte Einsaugen von Tabakdreck und Chemikalien aus der Giftküche der Tabakindustrie. Ähnlich bei anderen Drogen, insbesondere Alkohol.
In der bestehenden Gesellschaft mit ihrem Leistungsdruck, Existenzängsten und allen möglichen anderen Problemen wird es wohl immer suchtähnliches Verhalten geben. Auch deswegen nehmen viele Ex-Raucher zu. Das Nichtrauchen an sich macht ja nicht dick, sondern die Hinwendung zu anderer Suchtbefriedigung. Daher verfallen viele auch immer wieder neuen Süchten: Spiel-Sucht, Shopping-Sucht, Internet-Sucht…
Ausgeprägte Süchte zerstören nicht nur die Gesundheit, sie haben dazu noch den Effekt, dass man schlechter in der Lage ist, sich um die Verbesserung seiner Lebensumstände und die Beseitigung gesellschaftlicher Missstände zu kümmern. Deswegen war in der früheren Arbeiterbewegung der Abstinenz-Gedanke einmal stark verankert.
Hat die Regierung ein Herz für Nichtraucher?
Also, alles in allem: ein klares Ja zum Nichtraucher-Schutz. Den Schutz unserer Gesundheit sollten wir aber nicht der Regierung überlassen. Sie und ihre Stichwortgeber aus der Wirtschaft verfolgen dabei nämlich ihre eigenen Interessen. Beschäftigte, die durch das Rauchen krank werden, schmälern den Profit.
Außerdem wird den RaucherInnen hier wieder individuell Schuld in die Schuhe geschoben: „Raucher ruinieren die Volksgesundheit und die Krankenkassen.“ Ähnlich wie der „Unterschicht“ die schlechte Ernährung und das Fernsehprogramm angelastet wird.
Aber warum geht die Regierung beim Rauchen inzwischen relativ rigoros vor, während dieselbe Regierung beim ebenso schädlichen Alkoholkonsum alles laufen lässt? Die Empörung über Flatrate-Partys ist da kein Widerspruch, die Botschaft lautet nämlich: Saufen an sich ist o.k., aber nicht bis zum Umfallen, sondern, bitteschön, nur bis kurz davor. Deshalb wird die Alkoholwerbung an jeder Ecke und vor jedem Fußballspiel auch nicht in Frage gestellt.
Der entscheidende Unterschied liegt in dem politischen Einfluss, den die Tabak- und Bierbranche in Deutschland haben. Von den sieben international tätigen Tabakkonzernen hat kein einziger seinen Firmensitz in Deutschland. Der bekannteste deutsche Tabakkonzern, Reemtsma, ist inzwischen vollständig im Besitz der Imperial Tobacco Group mit Sitz in Großbritannien.
Beim Bier sieht es ganz anders aus. Die zehn größten in Deutschland aktiven Braugruppen sind mehrheitlich in der Hand deutscher Unternehmen. Die vielen mittleren und kleinen Brauereien sowieso. Entsprechend stark sind die direkten Beziehungen und Verflechtungen zu den Entscheidungsträgern in der Politik.
Was fordern?
Also: Nichtraucher-Schutz ja. Aber auch die (Noch-?)RaucherInnen müssen irgendwie zum Zug kommen dürfen. Darum:
– Rauchverbot in allen geschlossenen öffentlichen Räumen, in denen sich auch NichtraucherInnen aufhalten
– Nichtraucher-Schutz am Arbeitsplatz – aber nicht in Form von arbeits- oder dienstrechtlichen Anweisungen mit der möglichen Folge, unliebsame Mitarbeiter bei Verstoß abzumahnen
– Räumliche Lösungen für RaucherInnen
Wie das konkret umzusetzen ist, darüber können und sollen am besten die Beschäftigten selber entscheiden, zum Beispiel auf Betriebsversammlungen.
Bei all dem sollte uns bewusst sein: Um eine Gesellschaft zu erreichen, die die Menschen nicht mehr (sucht-)krank macht, muss sich mehr ändern als ein paar Gesetze.