DGB-Chef kritisiert Lokführer
von Daniel Behruzi
zuerst veröffentlicht in der jungen Welt, 23.7.07
Einem wahren Trommelfeuer öffentlicher Kritik sieht sich die Lokführergewerkschaft GDL ausgesetzt, die heute ihre Urabstimmung über einen Streik des Fahrpersonals bei der Deutschen Bahn (DB) einleitet. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sorgt sich um die Urlauber, ihr Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) um das Wohlergehen der deutschen Wirtschaft und der Fahrgastverband »Pro Bahn« um die Umwelt. Konzernchef Hartmut Mehdorn will »nicht zulassen, daß wenige Gewerkschaftsfunktionäre die beispiellose Sanierungsleistung von 230000 Bahnmitarbeitern kaputt machen«. Und Norbert Hansen, Chef der Gewerkschaft Transnet, die die Forderungen der miserabel bezahlten Lokführer und Zugbegleiter jahrelang ignorierte, hält den Streik ohnehin für »völlig überflüssig«.
Nun hat sich auch DGB-Chef Michael Sommer zu Wort gemeldet. Dieser erweckte ja schon zu anderen Gelegenheiten den Eindruck, als bereiteten ihm kämpferische Gewerkschafter mehr Alpträume als alle Attacken von Unternehmern und Regierung zusammen. Im Nachrichtenmagazin Focus erklärte er zu dem Versuch der GDL, die Einkommen des Fahrpersonals per Spartentarifvertrag zu erhöhen: »Das spaltet die Bahnbeschäftigten. Wenn sie damit Erfolg hat und vielleicht sogar Nachahmer finden sollte, was ich nicht glaube und hoffe, dann könnte das zu einer Gefährdung für den Flächentarif werden.«
Im Schienenverkehr müßte jener Flächentarifvertrag allerdings erst einmal erkämpft werden, da bei der Bahn AG und ihren Konkurrenten bislang jeweils nur Konzern- bzw. Firmentarifverträge gelten. Die GDL hat sich die mittelfristige Überwindung der daraus resultierenden Konkurrenzsituation ja gerade auf die Fahnen geschrieben und beispielsweise bei dem norddeutschen Mitbewerber Metronom bereits eine Angleichung der Einkommen an das DB-Niveau durchgesetzt.
Auch in anderen Branchen geht die Gefahr für den Flächentarif nicht in erster Linie von sich eigenständig organisierenden Berufsgruppen aus – so sehr man diese Entwicklung auch bedauern mag. Denn es sind die DGB-Gewerkschaften selbst, die einen Großteil Verantwortung für die fortgesetzte Zerfaserung der Flächentarife tragen. Und das gilt nicht nur für die Vielzahl von »Notlagen-«, »Sanierungs-« oder »besonderen« Tarifverträgen, die zum Beispiel die ver.di-Spitze in den vergangenen Jahren abgesegnet hat. Auch der Spartentarifvertrag ist keine Erfindung der GDL, sondern war das Mittel, mit dem ver.di bzw. ihre Vorgängerin ÖTV die kampfstarken Verkehrsbetriebe vom restlichen öffentlichen Dienst abgekoppelt hat – mit fatalen Folgen für beide Seiten.
GDL-Chef Manfred Schell zeigt sich von der DGB-Schelte bislang völlig unbeeindruckt. Und auch auf die Kritik des Bahnmanagements an der Lohnforderung für die Lokführer hat er die passende Antwort: Bei einer Steigerung der Vorstandsbezüge von 2005 auf 2006 um satte 62 Prozent könne man dem Fahrpersonal wohl kaum überzogene Ansprüche vorhalten.