Tour de Pharmacie: Großes Reinemachen beim Doping im Radsport?

Tour de France – man nennt sie auch die schnellste Apotheke der Welt.
Grund ist der schamlose Umgang mit jeder Art von leistungssteigernden oder dies versprechenden Substanzen im Radsport.


 

von Johannes Bauer, Köln

Der eigentliche Skandal bei der Berichterstattung und der damit verbundenen Diskussion ist aber die Heuchelei aller Beteiligten. Flächendeckendes Doping im professionellen Radsport ist immer ein offenes Geheimnis gewesen. Seit den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde die gesundheitliche Gefährdung der Fahrer durch unkontrollierten und laienhaften Konsum von Pharmaka zur Leistungssteigerung problematisiert. Es dauerte aber bis 1966, um eine erste Liste von verbotenen Substanzen ins Reglement aufzunehmen.

In der Folgezeit blieben die Kontrollen lax, die Strafen lächerlich. Als die erste unangemeldete Kontrolle bei der Tour de France 1966 durchgeführt wurde, streikten die Fahrer bei der nächsten Etappe dagegen. Ein Jahr später fiel der britische Fahrer Tom Simpson buchstäblich tot aus dem Sattel, nachdem er einen Amphetamincocktail mit Alkohol konsumiert hatte. Seine letzten Worte sollen gewesen sein: „Hebt mich aufs Rad.“

Hier wird sichtbar, welche Kombination von Faktoren die besondere Situation im Radsport schafft: Die Veranstalter haben ein Interesse an immer spektakuläreren Rennen. Die körperlichen Belastungen sind enorm. Jeder Fahrer denkt – meist zu Recht – dass seine Konkurrenten auch etwas nehmen.

Ausnahmefahrer als „Verlierer“

Zudem ist der Leistungsdruck im Radsport extrem. Die Tour ist das größte jährlich stattfindende Sportereignis der Welt. Während es im Profi-Fußball Hunderte von Sportlern gibt, die über ihre Karriere einen dauerhaften wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg schaffen, sind es im Radsport nur eine kleine Zahl von Superstars, für die das gleiche gilt.

Es gibt in diesem Sport viele prestigeträchtige Wettbewerbe, aber das Interesse der Öffentlichkeit fokussiert sich auf die Tour. Wer kennt den Namen eines Weltmeisters, eines deutschen Meisters oder Olympiasiegers? Selbst der Zweite der Tour de France ist nicht mehr als der erste Verlierer, wie der deutsche Fahrer Jan Ullrich Jahr für Jahr schmerzhaft erfahren musste. Ihm war zu Beginn seiner Karriere ein Sieg bei der Tour gelungen, danach scheiterte er wiederholt an Lance Armstrong. Von der Presse wurde dieser Ausnahmefahrer behandelt wie ein Versager.

Schärfere Kontrollen haben bisher nur dazu geführt, dass die Spirale der Manipulationen sich weiter dreht. Solange der Sport den Regeln der kapitalistischen Wirtschaft unterworfen bleibt, wird der Spitzensport auch ein Abbild der zugespitzten Widersprüche des Kapitalismus sein. Erlaubt ist, was schnell macht und den Sieg bringt.

In der aktuellen Debatte wird der Eindruck erweckt, mit einem großen, klärenden Skandal ließe sich ein Neuanfang machen. Hinter den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen steckt auch das wirtschaftliche Interesse der Sponsoren, die ihr Image nicht durch einen Dopingskandal in ihrer Mannschaft beschädigen lassen wollen und die auf diese Weise ihre Investitionen schützen möchten. Das ist eine Illusion.

Wird es Doping auch in einer sozialistischen Gesellschaft geben? Im Sozialismus wird der Konkurrenzdruck des Kapitalismus verschwunden sein. Fortschritt und Leistungssteigerung werden als kollektive Leistung und nicht als individuelle erreicht und bewertet werden. Angeglichene soziale Lebensbedingungen in der Bevölkerung werden die Bereitschaft, die eigene Gesundheit aufs Spiel zu setzen, um Erfolg zu haben, verschwinden lassen. Damit werden die Voraussetzungen geschaffen, spannenden Leistungssport unter fairen Bedingungen zu erleben.