Berlin: Alarm bei der Feuerwehr

Gewerkschaft kritisiert geplante Reduzierung der Nachtbesetzungen in Berliner Feuerwachen und warnt vor Gefährdung von Menschenleben
von Daniel Behruzi


 

Berlins Gewerkschaft der Polizei (GdP) schlägt Alarm: Wegen fehlenden Personals bei der Feuerwehr sei der minimale Sicherheitsstandard, insbesondere in den Nachtdiensten, künftig nicht mehr zu halten. »Die Einschränkungen der Einsatzfähigkeit der Berliner Feuerwehr sind nicht mehr hinnehmbar. Dadurch können Menschenleben gefährdet werden«, heißt es in einem Brief, den die Organisation – die neben Polizeibeamten auch Feuerwehrleute vertritt – kürzlich an die Bezirksbürgermeister der Hauptstadt verschickt hat. Grund hierfür sei »die kompromißlose Haushaltspolitik« des SPD-Linke-Senats.

Hintergrund ist eine Richtlinie der Europäischen Union, nach der die Höchstarbeitszeit pro Woche begrenzt und damit eine Verkürzung der Dienstzeiten erzwungen wird. Derzeit werden die Berliner Feuerwehrleute inklusive Bereitschaftszeiten bis zu 55 Stunden in der Woche eingesetzt. Künftig dürfen es laut EU-Richtlinie, deren Gültigkeit für die Feuerwehr von einem deutschen Gericht 2005 bestätigt wurde, nur noch 48 Stunden sein. »Diese sieben Wochenstunden weniger bedeuten, daß im Jahr 2007 insgesamt circa 720000 Stunden Mehrarbeit anfallen, weil die Berliner Feuerwehr die Arbeitszeiten ungeachtet der EU-Richtlinie nicht angepaßt hat«, rechnet Klaus Krzizanowski, Mitglied des geschäftsführenden GdP-Vorstands, im jW-Gespräch vor. Das entspreche mehr als 400 Stellen. Seine Konsequenz: »Um den aktuellen, schon jetzt nur als Minimalversorgung zu bezeichnenden Sicherheitsstandard zu halten, müssen mindestens 300 Feuerwehrleute zusätzlich eingestellt werden.« Bereits in den vergangenen Jahren habe die Berliner Feuerwehr aufgrund der »Sparvorgaben« des Senats einen drastischen Arbeitsplatzabbau zu verkraften gehabt. Während nach der Zusammenführung der Ost- und Westberliner Feuerwehren im Jahr 1990 noch rund 5500 Menschen bei der Behörde tätig waren, sind es jetzt nur noch knapp 4000. Die Zahl der Einsätze hat im gleichen Zeitraum um fast zwei Drittel zugenommen.

»Es gibt keinen Zweifel, daß wir aufgrund der Reduzierung der Arbeitszeiten einen gewissen Mehrbedarf an Personal haben«, bestätigt Landesbranddirektor Wilfried Gräfling zwar auf jW-Nachfrage. Ein Teil des Personals könne jedoch »durch Outsourcing und Umschichtungen innerhalb des Hauses« bereitgestellt werden. So könnten Beschäftigte, die derzeit in der Leitstelle und bei Serviceeinheiten eingesetzt oder eingeschränkt dienstfähig sind, in den Einsatzdienst versetzt werden. Wie weit das möglich sei, werde bis Ende Juni mithilfe einer »Verwendungsmatrix« überprüft. Aufgrund des geplanten »vernünftigeren Umgangs mit Ressourcen« liege der zusätzliche Personalbedarf bei lediglich 50 bis 100 Stellen, so die Rechnung des Feuerwehrchefs. GdP-Mann Krzizanowski befürchtet hingegen, daß Beschäftigte, die beispielsweise gesundheitliche Probleme haben, nicht so ohne weiteres wieder in den mitunter gefährlichen Dienst eingebunden werden können. »Es hat eben auch seinen Grund, weshalb aktuell nur Feuerwehrleute in der Brandbekämpfung eingesetzt werden, die keine gesundheitlichen Probleme haben«, betont er.

Der heikelste Punkt ist für die Gewerkschaft jedoch die im »Einsatzkonzept 2006« vorgesehene Reduzierung der Nachtbesetzungen. Dagegen hatte die GdP bereits im vergangenen Jahr 75000 Protestunterschriften gesammelt. Den Planungen zufolge sollen nachts erheblich weniger Löschfahrzeuge, Drehleitern und Rettungswagen eingesetzt werden. »Es ist irrsinnig, daß in einer Millionenstadt wie Berlin die Feuerwehr nachts nur noch eingeschränkt zur Verfügung stehen soll«, kritisiert Krzizanowski. »Bei mehr als einem normalen Wohnungsbrand können wir dann schnell in die Bredouille kommen«, befürchtet er. Landesbranddirektor Gräfling hält dem entgegen, daß die Statistik für die Nachtstunden eine geringere Zahl von Bränden ausweist als am Tage. Zudem seien nachts zwar weniger Fahrzeuge, nicht aber weniger Feuerwehrleute im Dienst. »Ich halte diese bedarfsgerechte Anpassung für vertretbar«, betont Gräfling. Auch die Sprecherin des Innensenats, Nicola Rothermel, weist die Kritik der GdP unter Berufung auf »statistische Untersuchungen« zurück. Eine Gefährdung der Bürger sei nicht gegeben, so Rothermel gegenüber jW. Gewerkschafter Krzizanowski kontert: »Leider hält sich der Notfall nicht an Statistiken oder Computersimulationen.« Insbesondere in den Bezirken am Rande der Stadt sei ein schnelles Eintreffen zukünftig gefährdet. Gerade bei Wohnungsbränden oder Herzinfarkten sei oftmals entscheidend, daß ausreichendes Personal den Einsatzort schnell erreicht. Zudem sei die Brandbekämpfung nachts wesentlich gefährlicher als am Tage. Schon deswegen, weil die Brände später entdeckt und gemeldet würden, so Krzizanowski. »Durch den Abbau in den vergangenen Jahren haben wir bereits an Qualität verloren und sind langsamer geworden«, gibt er zu bedenken und fordert: »Diese Politik der Sicherheit nach Kassenlage muß endlich aufhören.«

zuerst veröffentlicht in der jungen Welt, 25. Juni 07