Telekom-Beschäftigte äußern sich skeptisch zum Ergebnis der Tarifverhandlungen. Besonders Lohnverlust tut weh.
von Daniel Behruzi
Es ist nicht viel los an diesem Mittwoch, 20. Juni, vormittag im Innenhof des Berliner ver.di-Hauses. Wo sich in den vergangenen Wochen sonst oft Hunderte Streikende der Telekom versammelten, sind die Bierbänke unter den aufgespannten Sonnenschirmen heute größtenteils leer. Nur wenige Beschäftigte sitzen an den Tischen, spielen Karten oder unterhalten sich in gedämpftem Ton. Viel wissen sie noch nicht über das in der Nacht zuvor im rheinland-pfälzischen Bad Neuenahr erzielte Tarifergebnis. Die Gewerkschaft will sie erst am nächsten Tag – nach der Entscheidung der großen Tarifkommission – über die Details der Vereinbarung informieren. Doch was bereits durchgesickert ist, sorgt für Frust, bei manchen auch für Empörung.
»Das kann doch nicht wahr sein«, sagt eine 40jährige Frau leise. Sie und die anderen Streikenden, die an einem der Tische in dem sonnendurchfluteten Hof zusammensitzen, stört vor allem die Gehaltskürzung von 6,5 Prozent. »Man kann irgendwann seinen Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten. Was da alles dranhängt, können sich die da oben überhaupt nicht vorstellen«, meint die Mutter eines Kindes. Auch daß die Absenkung in den kommenden Jahren durch Lohnerhöhungen ausgeglichen werden könnte, besänftigt sie nicht. »Die Inflation schreitet ja auch voran. Das heißt also: jedes Jahr weniger Kaufkraft.« »Das Geld ist verplant, ohne bekommt man dann schon Probleme«, ergänzt ein jüngerer Kollege. Die Verlängerung der Arbeitszeiten hält er für weniger schlimm. Ein großes Problem sieht er hingegen in der Schlechterstellung Neueingestellter. »Dann sitzen wir den Neuen, die weniger verdienen, gegenüber, und wenn die eingearbeitet sind, fliegen wir raus«, glaubt der Übertragungstechniker.
»Wir sind mit dem Ergebnis nicht so glücklich«, drückt sich ein 43jähriger an einem anderen Tisch vorsichtig aus. »Nach fast sechs Wochen Streik ist das jedenfalls alles andere als ein gleichberechtigter Kompromiß.« Sein Kollege findet dagegen, gemessen an den ursprünglichen Forderungen der Konzernspitze habe man mit dem Streik »eine ganze Menge erreicht«. Ein anderer in der Gruppe – alle sind in der TK-Niederlassung sonst mit dem Verlegen und der Instandhaltung von Kabeln beschäftigt – sieht das völlig anders. »Ganz am Anfang war das Ziel, die Ausgliederung zu verhindern – deshalb habe ich mitgemacht«, meint er. Die kürzlich erworbene Unkündbarkeit könne er sich nun »hinter den Spiegel hängen«, so der Mann, der seit 1983 im Unternehmen ist. Besonders sauer macht ihn, daß die ausgegliederten Gesellschaften nur bis 2010 vor einem Verkauf geschützt sind. »Zweieinhalb Jahre sind nicht lange hin«, gibt er zu bedenken. »In anderen Betrieben können die jetzt machen, was sie wollen – und das nach sechs Wochen Streik.« Allerdings gehe der Arbeitskampf »ehrlich gesagt doch schon sehr, sehr lange«, fügt er müde hinzu.
Eine andere Beschäftigte betont hingegen, die Fortführung des Streiks sei durchaus möglich. »Die Kollegen sind eher noch saurer geworden, weil der Vorstand immer wieder auf den alten Forderungen rumgeritten ist«, berichtet sie. Ein Abbröckeln des Ausstands habe »auf keinen Fall« stattgefunden. »Wenn wir diese Ergebnis annehmen sollen, muß noch viel Überzeugungsarbeit stattfinden«, sagt ein 49jähriger Arbeiter. Am heutigen Mittwoch wollen die ver.di-Hauptamtlichen den Streikenden das Abkommen erläutern. Dann wird der Innenhof im ver.di-Gebäude wohl wieder gut gefüllt sein.