Je länger der Arbeitskampf bei der Deutschen Telekom andauert, desto offensichtlicher ist: Obermann und Co. pfeifen auf Recht und Gesetz. Und die Bundesregierung, mit mehr als 30 Prozent der Aktien größter Anteilseigner des Konzerns, scheint das nicht zu interessieren.
Im Gegenteil, die Herren wurden schließlich dafür eingestellt, Bezahlung auf »Marktniveau« – sprich: etwa fünf Euro die Stunde – in dem ehemaligen Staatsunternehmen durchzusetzen.
von Daniel Behruzi, zuerst erschienen in junge Welt, 22.5.07
Am Montag flatterte einem Teil der Streikenden – manchen schon zum zweiten Mal – ein Einschreiben des Telekom-Vorstands ins Haus, mit dem diese zur Ableistung von »Notdiensten« aufgefordert wurden. Gemeint war damit aber nicht die Instandhaltung der Netze in Krankenhäusern und bei der Feuerwehr, sondern die Vorbereitung des G-8-Gipfels in Heiligendamm. Vor dem Hintergrund, daß ver.di und die Telekom eine Notdienstvereinbarung mit eindeutigen Regelungen unterschrieben haben, kommt das Vorgehen des Managements schlicht einer Nötigung gleich. Gleichermaßen illegal ist der aus verschiedenen Streikregionen gemeldete Einsatz von Leiharbeitern als Streikbrecher. Dieser ist sowohl laut Tarifvertrag als auch dem Arbeitnehmer-Überlassungsgesetz (AÜG) zufolge verboten.
Legal, illegal, scheißegal – das scheint das Motto der Telekom-Spitze in diesem Konflikt zu sein. Offenbar meint allein ver.di, sich streng an die Buchstaben des Gesetzes halten zu müssen. So gehen Telekom-Beamte, die ebenso von den Auslagerungsplänen betroffen sind wie ihre angestellten Kollegen, weiter brav ihrer Arbeit nach. Gleiches gilt für die Beschäftigten von T-Systems, die nur mittelbar unter der Zerschlagung des Konzerns zu leiden haben. Folge der legalistischen Haltung der Dienstleistungsgewerkschaft ist, daß jede Beschäftigtengruppe einzeln zur Schlachtbank geführt und die (noch) vorhandene Kraft nicht genutzt wird. Dabei haben die Gewerkschaften – die IG Metall bei der Auseinandersetzung um die Rente mit 67 und ver.di in den Krankenhäusern – kürzlich gezeigt, daß es auch hierzulande Mittel und Wege gibt, Beschäftigte außerhalb regulärer Tarifrunden zu Arbeitsniederlegungen zu mobilisieren. Wann, wenn nicht bei einem derart symbolträchtigen Großkonflikt, wäre es angebracht, hier nachzulegen? Denn Regierung und Unternehmer betrachten den Arbeitskampf bei der Telekom ganz offenbar als Schlacht, deren Ausgang weitreichende Auswirkungen auf andere Bereiche und Branchen haben wird.
Den G-8-Gipfel – Symbol des neoliberalen Kahlschlags, für den die Telekom das derzeit eklatanteste Beispiel abgibt – könnte ein von seiten der Gewerkschaft entsprechend entschlossen geführter Arbeitskampf ernsthaft beeinträchtigen. Die euphorische Unterstützung und Solidarität der globalisierungskritischen Bewegung wäre den Streikenden in diesem Fall gewiß.