Dokumentiert:
Rede von Lucy Redler beim Streik der Telekom-Beschäftigten in Berlin am 16. Mai.
„Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Stellt euch vor, am 2. Juni ist G8-Gipfel in Heiligendamm und keiner bekommt es mit!
Stellt euch vor: Merkel, Bush, Sarkozy und wie sie alle heißen, sitzen in Heiligendamm mit toten Telefonen und dunklen Bildschirmen. Die Pressekonferenz der Bundeskanzlerin zu G8 fällt aus. 3500 Journalisten können die Botschaften von Merkel und Freunden nicht in alle Welt transportieren. Alles, weil ihr den Gipfel durch euren Streik lahmgelegt habt und weil eure Kollegen von Media Broadcast bei T Systems, die die Bilder vom G8-Gipfel übertragen sollen, ebenfalls streiken.
Am nächsten Tag steht eben nicht in der Zeitung: „G8 reden unverbindlich über Armutsbekämpfung“, sondern dort steht:
„Die Telekombeschäftigten kämpfen gegen Ausgründung, Lohnraub und Privatisierung und stellen sich den Herrschenden in den Weg“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ohne euch läuft nichts!
Euer Streik ist absolut notwendig! Ihr habt auf die Kriegserklärung von Obermann völlig richtig reagiert. Und ihr habt unsere volle Solidarität, wenn Ihr sagt: Jetzt reichts!
Obermann rechnet euch vor, wie schlecht die Zahlen und wie hoch der Konkurrenzdruck wäre. Dabei hat die Telekom in letzten 3 Jahren 13 Mrd Gewinn gemacht. Obermann, die Manager und Anteilseigner bekommen den Hals nicht voll genug und ihr sollt für ihre Profite den Kopf hinhalten!
Die einen scheffeln die Kohle, die anderen werden ausgepresst wie Zitronen – das ist das normale Prinzip des Kapitalismus. Und es ist höchste Zeit dieses Prinzip in Frage zu stellen und sich dagegen zur Wehr zu setzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ihr streikt auch für uns! Euer Kampf ist eine Ermutigung für alle Beschäftigten, die sich zur Wehr setzen. Bei der Post, bei Siemens Nokia gegen Entlassungen, Beschäftigte im Einzelhandel, die in Tarifauseinandersetzungen stehen. Und auch nicht nur bei euch in der T-Com sind die Kollegen sauer, auch bei T Systems, T-Mobile und Vivento haben die Kollegen die Nase voll von Lohnsenkungen, Umstrukturierungen usw.
In Frankreich haben zwei Worte die Massenproteste und Streiks der letzten Jahre geprägt: Tous ensemble – alle gemeinsam.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, dass die Privatisierung der Telekom zu enormen Verschlechterungen geführt hat. Die da oben versuchen euch gegeneinander auszuspielen. Aber wann wenn nicht jetzt habt ihr die Gelegenheit, gemeinsam zu kämpfen und deutlich zu machen:
Ihr seid eine Telekom, ihr seid eine Belegschaft, ihr führt einen Kampf gegen die Zerschlagung, gegen Ausgründung, Niedriglöhne und Entlassungen – gemeinsam mit den Beamten.
Man muss sich das mal vorstellen: Erst privatisieren sie den Staatsbetrieb, dann wollen sie trotzdem die Beamten als Streikbrecher einzusetzen! Dem Hohn scheinen keine Grenzen gesetzt.
Liebe Kollegen und Kolleginnen, von hier sollte das Signal ausgehen: Wir unterstützen alle Beamten, die sich am Streik beteiligen.
Die Deutsche Postgewerkschaft hat bereits 1986 beschlossen, dass das Beamtenstreikrecht ggf durch kollektive Arbeitsniederlegungen durchgesetzt werden muss. Ich sage: was vor 20 Jahren richtig war, ist heute nicht falsch. Hätten sich Arbeiter immer an bestehende Gesetze gehalten, gäbe es heute weder Gewerkschaften noch gewerkschaftliche Rechte.
Wann, wenn nicht jetzt, ist es nötig, die volle Kampfkraft in die Waagschale zu werfen! Wenn Obermann euch den Krieg erklärt, kann es für niemanden Friedenspflicht geben.
Eine Kollegin der Telekom in Köln hat es vor ein paar Tagen auf den Punkt gebracht, als sie gesagt hat: „Früher ging es um den Lohn, heute geht es um unsere Existenz.“ Recht hat sie, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Die ganze Privatisierung hat nur den Banken und Konzernen genutzt. Wo private Interessen sind, sind auch Niedriglöhne und miese Arbeitsbedinungen, denn irgendwo müssen die Profite ja herkommen.
Interessant ist, was gerade in Venezuela passiert: Dort hat der Präsident Hugo Chavez gerade begonnen, die venezolanische Telekom wieder zu verstaatlichen. Ich weiß nicht, warum er den US-Konzernen dafür noch Geld gegeben hat, aber alles in allem wäre das doch mal ein gutes Beispiel für Deutschland.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie werden alles tun, um euren Streik bekannt zu machen und Solidarität zu organisieren – vielleicht jetzt erstmal ganz praktisch: ich habe vorhin mitbekommen, dass dort hinten ein Transparent gemalt werden soll. Dort werde ich mich jetzt praktisch nützlich machen, um euren Protest sichtbar zu machen. In diesem Sinne: Ich wünsche euch einen langen Atem und viel Erfolg. „
Lucy Redler ist Mitglied im WASG-Bundesvorstand und der BASG – Berliner Alternative für Solidarität und Gegenwehr, die auch nach der Fusion von WASG und Linkspartei die soziale Opposition in Berlin eigenständig fortsetzen werden.