Linkspartei.PDS Sachsen: Porsch bietet CDU Tolerierung an

L.PDS will raus aus der Schmuddelecke
Eine Minderheitsregierung der CDU will er unterstützen: Ein Angebot des Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei.PDS im sächsischen Landtag, Peter Porsch, an Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU).


 

von Christoph Tunger, Leipzig

17 Jahre Opposition waren Porsch offenbar zu viel. Dauernd angefeindet, stigmatisiert als rote Socke, immer nur Schmuddelecke… Auf einer Pressekonferenz zur Halbzeitbilanz der Landesregierung am 18. April 2007 rechnete Porsch zwar mit der regierenden CDU-SPD-Koalition ab: Sie sei eine “Notgemeinschaft, die nichts verbindet als der scheinbare Zwang des letzten Wahlergebnisses”. (Denn die CDU hatte 2004 nur die Wahl zwischen einer Koalition mit der SPD oder der PDS.) Ob Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit oder Bildungs- und Jugendpolitik: Laut Porsch hat die Regierung versagt, ist zerstritten und nicht handlungsfähig. Sie habe in zentralen Fragen keine Mehrheit und soll zurücktreten.

Aber dann kam der Hammer:

“Damit wäre der Weg frei für eine an Sachfragen orientierte Mehrheitsbildung. Meine Fraktion hat in diesem Jahr bereits trotz aller Störfeuer aus den Koalitionsfraktionen die Handlungsfähigkeit des Verfassungsgerichts gewährleistet. Wir sind wie bei der Wahl der Verfassungsrichter ein verlässlicher Partner für Mehrheiten der praktischen Vernunft im Interesse des Landes. In diesem Sinne sollte eine Minderheitsregierung Mehrheiten unter den demokratischen Fraktionen organisieren. Dieses offene parlamentarische Verfahren würde Potenzialen unseres Landes besser gerecht als abgeschottete Koalitionszirkel.”

Und die Anbiederung geht noch weiter:

Es ist “uns gelungen, mit unserem zum vierten Mal vorgelegten Alternativ-Haushalt zu beweisen, dass eine Politik mit den Schwerpunkten der Förderung von Beschäftigung, Bildung und sozialem Ausgleich auch in Sachsen möglich wäre, ohne von der anerkanntermaßen soliden Finanzpolitik der Staatsregierung abzuweichen.”

Wohin geht “DIE LINKE”?

Eine Minderheitsregierung der CDU, die von der Linkspartei.PDS (L.PDS) bzw. von der “neuen” Partei DIE LINKE toleriert wird – das wäre ein bundesweit einmaliges Modell. Der Vorstoß von Porsch kam nicht nur kurz nachdem Sachsens CDU-SPD-Regierung im Bundesrat der Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre zugestimmt hat. Er kam auch kurz nachdem L.PDS und WASG auf ihren Bundesparteitagen beschlossen haben, dass sie zur Partei DIE LINKE “verschmelzen” wollen.

In den dort beschlossenen “Programmatischen Eckpunkten” heißt es zu Regierungs-beteiligungen, sie müssten “die Veränderung der Kräfteverhältnisse nach links” fördern. Maßstab sei unter anderem “die Verbesserung der Lage von Benachteiligten”. Vorausgegangen war eine heftige Debatte über die bisherige Politik der L.PDS in Landesregierungen. Gerade in Berlin wurde die Lage von Benachteiligten durch den SPD-L.PDS-Senat noch weiter verschlimmert. Die Programmatischen Eckpunkte sind ein Kompromiss zwischen den L.PDS-Politikern, die in Parlamenten und Regierungen so richtig mitmachen wollen bei der Verwaltung der kapitalistischen Sachzwänge, und denen (vor allem aus der WASG), die eher auf Protest setzen.

Doch in der Debatte ging es eigentlich immer um mögliche Koalitionen mit der SPD. Der Vorstoß von Porsch Richtung CDU zeigt, wo die “Realpolitiker” der L.PDS mit ihrem Kurs in letzter Konsequenz landen. Aufschlussreich sind da auch die lobenden Worte, die die sächsische FDP in einer Presseerklärung für den Vorschlag von Porsch fand:

“FDP-Fraktionschef Holger Zastrow signalisierte umgehend Sympathien für die Idee (…). Dass wechselnde Mehrheiten in Sachsen funktionieren könnten, beweise (…) das «Dresdner Modell». In der Landeshauptstadt habe eine «Koalition der Vernunft» aus CDU, FDP, der Hälfte der Linksfraktion.PDS und die Bürgerfraktion zusammen die Entschuldung der Kommune durch den Verkauf der kommunalen Wohnungsgesellschaft Woba durchgesetzt (…).”

WASG hilflos

Geknickt hingegen ist die WASG in Sachsen. Oder das, was von ihr nach anderthalb Jahren Fusionitis übrig geblieben ist. Gerade noch hatte man sich über die anstehende “Verschmelzung” gefreut – und nun so was! Gleich am nächsten Tag schrieb der Landesvorstand an die L.PDS, dies habe “zu erheblichen Irritationen in der sächsischen WASG und darüber hinaus” geführt. Sie baten “um eine Klarstellung, wie ernst die Offerte Peter Porschs gegenüber der CDU Sachsen und dem Ministerpräsidenten gemeint ist bzw. inwieweit sich die Mitglieder unserer Partei und auch der Linkspartei.PDS Sachsen sowie die Mitglieder in unserer gemeinsamen Bundespartei auf eine solche oder ähnliche Konstellationen bzw. Bestrebungen vorzubereiten haben.”

Doch weder die Aufforderung der WASG, lieber “der bankrotten Politik der CDU-SPD-Koalition etwas entgegenzusetzen”, noch mahnende Worte von der L.PDS-Landesvorsitzenden Cornelia Ernst und Landesgeschäftsführer Rico Gebhardt hinderten Porsch daran, eine Flugblatt-Aktion zu starten, um seine Botschaft an die WählerInnen zu verbreiten. Die WASG rief daraufhin ihre Mitglieder in einem Rundschreiben am 28. April dazu auf, die Flugblatt-Aktion nicht zu unterstützen. Der Landesvorstand sei “erheblich besorgt über das Erscheinungsbild der Partei DIE LINKE. Sachsen, die am 14./15. Juli 2007 in Chemnitz konstituiert werden soll.”

Doch was hat er eigentlich erwartet? Der Landesvorstand hat die Politik des Sozialkahlschlags der Berliner L.PDS mitbekommen. Verschlechterungen für Beschäftigte wurden dort durchgesetzt – wie der Ausstieg des Landes aus dem Arbeitergeberverband – die sich die CDU nicht getraut hätte. Trotzdem hat der WASG-Vorstand in Sachsen den Wahlkampf der L.PDS für das Berliner Abgeordnetenhaus unterstützt – auch gegen die eigene Partei, die WASG!

Er hat auch mitbekommen, wie die Hälfte der Dresdner L.PDS-Stadtratsfraktion der Privatisierung sämtlicher städtischer Wohnungen zugestimmt hat. Dagegen wurde in L.PDS und WASG zwar mächtig Rabbatz gemacht. Das hat aber nichts daran geändert, dass sich die Logik der Haushaltskonsolidierung und der Standortsicherung zugunsten der Unternehmen tief in die L.PDS eingefressen hat. Sie hat keine grundlegende gesellschaftliche Alternative zum Profit- und Konkurrenzsystem zu bieten. Also macht sie eben unter den gegebenen kapitalistischen Bedingungen “das Beste” draus.

Um die Verhältnisse über den Haufen zu werfen…

Die SAV hat die WASG – auch in Sachsen – mit aufgebaut. Wir haben in der WASG einen positiven Ansatz für eine kämpferische Interessensvertretung von abhängig Beschäftigten, Erwerbslosen, Jugendlichen und RentnerInnen gesehen, gerade weil sie Regierungs-beteiligungen mit Sozialabbau-Parteien eine Absage erteilt hat. Die Idee einer vereinigten Linkspartei haben wir nicht abgelehnt. Aber wir haben eine Vereinigung auf politischer Basis der L.PDS-Politik als Schritt in die falsche Richtung abgelehnt, denn die Regierungsbeteiligungen in Koalitionen mit der SPD führen zu einer Politik gegen Lohnabhängige und Erwerbslose. Auch haben wir davor gewarnt, dass eine auf L.PDS und WASG verengte Vereinigung vor allem in Ostdeutschland nicht weit kommen wird.

Wir haben uns – vor allem im Wahlkampf zu den Bundestagswahlen 2005 – für eine breite Bewegung für eine neue Partei eingesetzt. Ein größerer Zustrom ganz neuer AktivistInnen aus Gewerkschaften und sozialen Bewegungen, aus Betrieben und Stadtvierteln wäre in Ostdeutschland nötig gewesen, um die Dominanz der L.PDS aufzubrechen und wirklich den Grundstein für etwas Neues zu legen. Im Wahlkampf haben uns viele Menschen gesagt, dass sie die Idee der WASG gut fanden. Aber eine Unterstützung der L.PDS komme für sie nicht in Frage.

Ein Programm zur Mobilisierung von vielen tausenden Menschen muss in Ostdeutschland kämpferisch und radikal sein. Es muss möglichst unabhängig von den alten SED-Traditionen sein und eine grundlegende, wirklich demokratische und wirklich sozialistische Alternative zum herrschenden System anbieten. Sonst werden Menschen, die sich politisieren und für ihre Interessen kämpfen wollen, keinen Sinn darin sehen, sich in so einer Partei zu engagieren.

…ist etwas anderes nötig!

In den ostdeutschen Bundesländern verfügt die L.PDS über einen festgefügten Apparat und lange “pragmatische” Traditionen in Kommunal- und Landesparlamenten. Dem größten Landesverband der L.PDS standen in Sachsen nicht mal 300 WASGler gegenüber. Dennoch haben Funktionäre der WASG 2005 und 2006 in Sachsen davon geredet, dass sie “auf gleicher Augenhöhe” mit der L.PDS verhandeln wollen. Schließlich könnten wir die Partei “verändern”, wenn wir unsere knapp bemessene Freizeit in irgendwelchen paritätisch besetzten Kommissionen verbringen. Nun stand nicht bei allen diesen Funktionären bewusste Täuschung dahinter. Bei manchen auch Naivität, bei anderen Größenwahn. Wie auch immer, entscheidend ist nur eins: Es gab einen wichtigen und lehrreichen Anlauf für den Aufbau einer neuen kämpferischen Arbeiterpartei. In Ostdeutschland ist er gescheitert. Im Westen ist die neue Partei weder im Land noch in Kommunen an Regierungen beteiligt und viele linke AktivistInnen setzen Hoffnungen in sie. Aber ob in in Dresden, Leipzig oder Rostock: hier ist die “neue” Partei DIE LINKE immer noch die alte PDS. Und die Tolerierungswünsche von Peter Porsch zeigen, wie weit die Sehnsüchte mancher Parlamentarier, endlich von der bürgerlichen politischen Elite als Ihresgleichen anerkannt zu werden, inzwischen gehen. Dass in der Partei demnächst auch ein paar Ex-WASGler sind, wird die alte PDS nicht daran hindern, in Ostdeutschland diesen ihren Weg weiter zu gehen.