Nach wie vor hat die Sozialdemokratie Kontrolle über die Gewerkschaften
In Bayern entschied der DGB, SPD-Politiker, die am 1. Mai als Redner vorgesehen waren, wieder auszuladen. Ein richtiger Schritt. Wobei sich die Frage stellt, was SPD-Politiker überhaupt noch bei Gewerkschaftsveranstaltungen zu suchen haben. Schließlich ist die ehemalige Arbeiterpartei längst zu einer Unternehmerpartei geworden.
von Ursel Beck, Stuttgart
Die SPD hat durch Agenda 2010 und die Zerschlagung des staatlichen Renten- und Gesundheitswesens das Geschäft des Kapitals erledigt. Sie hat dazu beigetragen, dass die Arbeiterklasse ideologisch entwaffnet wurde. Durch die Dominanz sozialdemokratischer Positionen in den Gewerkschaften wird effektive Gegenwehr blockiert.
Abkehr von der SPD
Doch die Zeiten ändern sich. Der SPD laufen in Scharen WählerInnen und Mitglieder davon. Seit der Riester-Rente häufen sich die Bruchpunkte zwischen Gewerkschaftsbasis und SPD. Die Protestwelle gegen Hartz IV war der letzte Anstoß zur Gründung der WASG. Eine Schicht von Gewerkschaftsfunktionären der mittleren Ebene hatte dazu die Initiative ergriffen. Seitdem fürchtete die SPD die WASG als potenziellen politischen Bezugspunkt für die Gewerkschaften. 2005 zogen WASG-Mitglieder auf der Liste der Linkspartei in den Bundestag ein.
Der Konflikt zwischen DGB und SPD ist aber auch ein Konflikt in den Gewerkschaften selbst. Ständig blockt die heutige DGB-Spitze Gegenwehr ab. Wobei ein Teil des Apparates versucht, die Wut in den Betrieben zu kanalisieren, um begrenzt, unter eigener Kontrolle Proteste zu organisieren. Spitzenfunktionäre wechseln heute vom Betriebsrat auf den Sessel des Arbeitsdirektors oder vom Gewerkschaftsvorsitzenden ins Ministeramt. Walter Riester, der die Teilprivatisierung der gesetzlichen Rente eingeführt hat, war früher im Vorstand der IGM Metall. Die DGB-Bürokraten sind politisch in der Profitlogik des Kapitalismus und persönlich in der Gehaltsklasse des Establishments angekommen. Ihr Motto: Wir machen fast alles mit – Hauptsache, wir werden nach unserer Unterschrift gefragt.
Anstatt die betrieblichen Proteste gegen die Rente mit 67 zu steigern, bemühten sich DGB-Chef Michael Sommer und Co., die SPD für eine flexible Ausstiegsregelung der Beschäftigten aus den Betrieben zu gewinnen. Damit soll die SPD dann – unterstützt von der Gewerkschaftsspitze – bei der nächsten Wahl auf Stimmenfang gehen können.
Vor dem 1. Mai hat die SPD eine Unterschriftensammlung für einen Mindestlohn gestartet. Weder das Wort „gesetzlich“ noch eine konkrete Zahl tauchen darin auf. Aber Sommer, Peters und Bsirske hatten kein Problem, sich als Erstunterzeichner dafür herzugeben.
DIE LINKE
Mit einer neuen Partei, die konsequent die Arbeitnehmerinteressen vertritt, und einer kämpferischen innergewerkschaftlichen Opposition kann der politische Einfluss der Sozialdemokratie in der Arbeiterklasse gestoppt werden. Die WASG-Gründung war dafür ein Ansatz. Leider wird es im Juni zur Fusion mit der Linkspartei.PDS kommen. Die neue Partei soll DIE LINKE heißen. Diese Partei wird voller Widersprüche sein. So unterstützt sie zwar häufig betriebliche Proteste, Oskar Lafontaine fordert das Recht auf Generalstreik. Grundlegend wird sie jedoch dem Kurs der bisherigen L.PDS folgen: Anbiederung an die sozialdemokratische Gewerkschaftsführung, Regierungsbeteiligungen statt auf außerparlamentarischen und betrieblichen Widerstand zu setzen. Gregor Gysi, Klaus Ernst und andere Abgeordnete der Linksfraktion haben die SPD-Unterschriftenliste für einen Mindestlohn unterschrieben, statt die Heuchelei zu entlarven.
Ein Kampf gegen sozialdemokratischen Einfluss im DGB macht den Kampf für eine programmatische und personelle Alternative in den Gewerkschaften nötig – gegen Co-Management und Verzichtspolitik, für kämpferische und demokratische Gewerkschaften.