Gruppe von ReferendarInnen hat an Gewerkschaften vorbei Verbesserungen des Tarifvertrags durchgesetzt
Lehramts-ReferendarInnen konnten erfolgreich gegen Kürzungen vorgehen. Der ursprüngliche Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes war von ver.di und der GEW mit der Behauptung abgeschlossen worden, mehr sei nicht drin gewesen.
von Max Höhe, Köln
„Mit den Bezügen kann ich die Monatsrate für den Kredit nicht abstottern, den ich aufnehmen musste, um meine Familie durch die finanzielle Notzeit des Referendariats zu bringen!“, brachte ein Kollege auf der Vollversammlung der ReferendarInnen in Köln im vergangenen Oktober die Auswirkungen des neuen Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes (TV-L) auf den Punkt. Die Anfangsgehälter für angestellte LehrerInnen liegen nach dem neuen Tarifvertrag bei netto 1.036 Euro für eine Vollzeitstelle. Das ist eine Tarifabsenkung um 50 Prozent. Auf die Lebenszeit gerechnet verlieren die Lehrer 250.000 Euro. Der Stundenlohn (bezogen auf eine volle Zeitstunde) liegt nur noch bei knapp über neun Euro!
Ein anderer Wutausbruch ging sinngemäß so: „Die locken uns mit ihrer Werbekampagne ‘Zukunftsberuf Lehrer in NRW’, viele hängen daraufhin ihre alten Jobs an den Nagel, hoffen, in sicheres Fahrwasser zu kommen und nun das. Und von mir wird Fairness, Gelassenheit und Toleranz erwartet! – Dass ich nicht lache!“
Aus Wut wird Widerstand
Der Widerstand begann vor einem dreiviertel Jahr. Nach Bekanntwerden der Kürzungspläne müssen die Telefone in der hiesigen Geschäftsstelle der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) heiß gelaufen sein. Jedenfalls sah sich die Kölner GEW gezwungen, kurzfristig eine Infoveranstaltung für ReferendarInnen einzuberufen, zu der im September gut 80 KollegInnen – die meisten mit Sicherheit zum ersten Mal in ihrem Leben – ins Gewerkschaftshaus kamen. „Du wirst nicht von mir erwarten, dass ich meine eigene Gewerkschaft schlecht rede“, lautete die Antwort der Rechtsberaterin auf die Frage einer Kollegin, warum die Gewerkschaft denn so einen miesen Abschluss unterzeichnen konnte.
Beim zweiten landesweiten Treffen im Februar 2007 wurde der anwesende stellvertretende Vorsitzende der NRW-GEW abermals auf die Mitschuld der Gewerkschaft am Betrug an den ReferendarInnen angesprochen. „Ich entschuldige mich für diesen Abschluss“, so seine Reaktion. Die eigentlichen Fakten über das neue Tarifrecht erhielten die LehramtsanwärterInnen auch nicht vom Gewerkschaftsapparat, sondern vom Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di, das sich auch von Anfang an mit dem Kampf der ReferendarInnen solidarisch erklärte.
Go, get organized!
Mittlerweile hat sich der Widerstand der ReferendarInnen in Köln auf Landesebene ausgeweitet. Eine Unterschriftenkampagne, über 400 Petitionsbriefe und eine sehr gut besuchte Homepage haben dazu geführt, dass sich das NRW-Schulministerium bereits vier Wochen nach Beginn der Proteste genötigt sah, mit einem extra Erlass erste Zugeständnisse zu machen. Diejenigen ReferendarInnen, die vor Inkrafttreten des TV-L bereits im Vorbereitungsdienst waren, erhalten demnach bei ihrer Anstellung eine Bezahlung in Anlehnung an den alten, besseren BAT.
Damit wollen sich die ReferendarInnen nicht zufrieden geben. Denn wenn dieser Erlass nicht für alle gilt und wir ihn akzeptieren, dann legitimiert dies die volle Breitseite auf die nachfolgenden ReferendarInnen-Jahrgänge. Deshalb geht der Kampf weiter. Zum vierten landesweiten Referendar-Treffen kamen Ende April 180 ReferendarInnen nach Köln. Das Ziel heißt: Alle Neuen im Referendariat so schnell wie möglich erreichen. Der Begriff „Arbeitskampf“ fällt dabei immer öfter.
Nicht nur angestellte LehrerInnen, sondern sämtliche Angestellten und ArbeiterInnen im öffentlichen Díenst sind Opfer der Absenkungstarifverträge TvöD/TV-L. Die Initiative der LehramtsanwärterInnen muss Schule machen. Der Aufstand gegen solche Tarifverträge und gegen Gewerkschaftsfunktionäre, die dafür ihre Unterschrift geben, muss sich bundesweit ausdehnen. Spätestens in der Tarifrunde 2008 müssen Nachbesserungen für alle erstreikt werden.