Es gibt in der deutschen Sprache die Erkenntnis, wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben. Eine Reise nach Kosova macht da keine Ausnahme. Im Gegenteil das UNMIK-Protektorat, welches aus der Verwaltung durch die UN nach dem Ahtisaari-Plan unter das direkte Kommando der EU gestellt werden soll, hat dem Reisenden einige erstaunliche Dinge zu bieten.
Ein Reisebericht von Max Brym
Unmittelbar nach meiner Ankunft versuchte mir mein Freund Arben (ein Scherzbold) die Lage im Land zu erklären. Er sagte: „Hallo Max, herzlich willkommen in Unmikistan-Absurdistan“, um gleich darauf hinzuzufügen, „du hast doch sicher das Buch von Adorno über die negative Dialektik gelesen. Hier in Kosova ist die Lage dermaßen absurd und bedrückend, dass wir uns zum Teil die Dinge zynisch, witzig und theoretisch, etwas anders als ihr es gewohnt seid, erklären“.
Arben ging davon aus, dass Marx im positiven Sinn die Klassengesellschaft überwinden wollte. Arben meinte hierzu: „In Kosova wurde die Arbeiterklasse als Klasse eliminiert, eine selbständige Bauernklasse gibt es nicht mehr und wir haben auch keine reguläre Bourgeoisie die diesen Namen verdient“. Der redefreudige Arben war in seinem Wortschwall kaum zu bremsen, er fügte noch grinsend hinzu: „Marx wollte doch auch den Staat abschaffen, wir haben hier keinen Nationalstaat, sondern eine internationale Verwaltung, die vorgibt internationalistisch zu sein, und behauptet nur neutral Dinge zu verwalten“.
Auf meine Frage im Auto, ob er das ernst meine grinsten alle nur und sie antworteten: „Die Lage hier ist so katastrophal, dass wir viel Lachen müssen und Arben bietet uns immer wieder Anlaß dazu.“
Nach einigem Nachdenken und einigen Tagen in Kosova stellte ich fest, dass Arben auf eine gewisse Art Recht hat.
Armani Anzüge und Gucci-Taschen
Im Stadtzentrum von Prishtina rund um die Gebäudefestung der UNMIK bewegt sich neben der internationalen Beamtenschar eine besonders auffällige Spezis von Albanern. Die Herren stecken in teuren Armani-Anzügen, führen ihre Damen mit der Gucci-Tasche spazieren und plaudern in ihren Spezialcafés gerne über Freiheit und Unabhängigkeit. Mit der UNMIK sind sie zufrieden, diese Herrschaften sind auch begeisterte Anhänger des Ahtisaari-Planes.
Zur sozialen Frage in Kosova geben sie nur gelangweilte Erklärungen ab. Wenn sie sich dann doch zu einer Meinung durchringen verweisen sie auf die Segnungen der Marktwirtschaft, die sich schon noch einstellen werden. Ihrem Gehabe ist anzumerken inwieweit für sie die soziale Frage schon gelöst ist.
Rund 6 Prozent der Bevölkerung gilt in Kosova als reich. Die Kinder dieser neureichen Schicht besuchen oftmals die „Amerikanische Universität“ in Prishtina. Ein Semester kostet dort zwischen 3.000 und 5.000 Euro. Diese Leute besitzen moderne Villen, fahren die neuesten Wägen und saufen teuren Cognac.
Die Herkunft ihres Vermögens bleibt offiziell im Dunkeln. Aber jeder weiß, wie stark die Korruption im Lande ist, es wird von einer Mafiokratie gesprochen. Hinter vorgehaltener Hand wird einem erklärt, welche Parteien und welche Parteiführer in kriminelle wirtschaftliche Aktivitäten verwickelt sind.
Der AAK wird unterstellt mit „Zigaretten zu handeln“, der PDK wird nachgesagt im „Benzinschmuggel“ führend zu sein und der LDK und der LDD wird nachgesagt im Bereich Immobilien und Bauwirtschaft sowie in Sachen „Korruption“ ganz weit vorne zu liegen.
Behxhet Shala vom Menschenrechtsverein (KMDLNJ) erklärte die Situation folgendermaßen: „Wir befinden uns in einem kriminellem El-Dorado die offiziellen Parteien sind Mafiaclans, die mit voller Rückendeckung durch die UNMIK ihren Geschäften nachgehen.“ Dafür hat die UNMIK die Garantie von diesen Clans politisch abgesichert zu werden. „Um die Interessen der einfachen Menschen kümmert sich weder die UNMIK noch ihre neureiche einheimische politische Kaste“.
Nach Shala hat weder die UNMIK noch die ihr ergebene albanische Verhandlungsgruppe ein Interesse an Demokratie, sozialem Fortschritt und dem nationalem Selbstbestimmungsrecht. Shala meinte noch: „Kosova ist ein einziges Gefängnis, regiert von einer kolonialen Verwaltung, hier geht es unsozial repressiv und antidemokratisch zu“. Dieser Diagnose ist nur zuzustimmen.
Soziale Frage und Gewerkschaft
Im Dezember 2006 wählte die Gewerkschaft BSPK eine neue Leitung. Dies war auch notwendig, denn wer einmal mit Herrn Shabani (ehemaliger Vorsitzender der BSPK) gesprochen hat, muss sich die Frage stellen, wie sich ein solcher Typ überhaupt als Vorsitzender eines gewerkschaftlichen Dachverbandes über einige Jahre halten konnte.
Nach seiner Abwahl gründete Herr Shabani im Februar 2007 mit etwa 20 Anhängern eine eigene Gewerkschaft im Wesentlichen, um seinen Sitz in der von der UNMIK geschaffenen Privatisierungsagentur AKM behalten zu können. Der fein herausgeputzte Herr Shabani empfängt den Besucher in seinem frisch eingerichteten Büro in der Bill-Clinton-Strasse gleich mit folgender Erklärung: „Im Interesse der Arbeiter ist es, den Privatisierungsprozess der Wirtschaft entscheidend voranzutreiben.“
Auf den Einwand, dass es doch einen Gegensatz zwischen den Interessen der Arbeiter und dem von ihm favorisierten ausländischen Investoren geben könnte, lässt sich Herr Shabani überhaupt nicht ein. Er fragt den Besucher, ob er nicht Kontakte zur Firma Siemens vermitteln könne, denn die haben ja Interesse an den Rohstoffen Kosovas speziell im Kombinat Trepca bekundet. Shabani erklärte wörtlich: „Ich weiß, welchen Reichtum Trepca hat [bis in die achtziger Jahre hatte das Kombinat die zweithöchste Förderquote mit Zink, Nickel, Kupfer und Blei in Europa], ich bin auch Spezialist bezüglich des gesamten Kombinats, bringen Sie die Herren zu mir, wir werden die Sache schon regeln“.
Nach diesem Gespräch benötigt man selbst am hellichten Tag einen Cognak.
Die eigentliche Gewerkschaft BSPK
Nach dem Gespräch mit dem herausgeputzten Gockel Shabani ging es zu einem Treffen mit dem stellvertretenden Vorsitzenden des BSPK Hasan Abazi. Wir durften einen freundlichen älteren Herren mit einfachem Jackett und einer abgewetzten Ledertasche begrüßen.
Anfangs war Abazi dem Gesprächspartner gegenüber durchaus reserviert. Er hat wohl schlechte Erfahrungen mit den deutschen Privatisierungskommissaren der UNMIK gemacht. Aus diesem Grund war er auch am Anfang gegenüber einem Menschen, der sich als deutscher Journalist vorstellte durchaus reserviert. Nach einigen Minuten war aber das Eis gebrochen und Abazi lederte gegen die Wirtschaftspolitik der UNMIK los. Dazu sollte man wissen, dass das vierte Büro der UNMIK für die Wirtschaft absolut zuständig ist. Dieser Pilar IV steht seit Beginn der UN-Mission unter europäischer Leitung. Speziell der deutsche Lambsdorff und zuletzt Joachim Rücker (jetziger Chef der UN-Mission) taten sich als Leiter der Privatisierungswelle in Kosova hervor.
Abazi zog eine vernichtende Bilanz der Privatisierung. Nach Abazi gibt es in Kosova eine dramatische Zunahme der Arbeitslosigkeit auf über 60 Prozent, er erwähnte, dass andere Quellen von mindestens 70 Prozent Arbeitslosigkeit ausgingen.
Abazi erläuterte, wie der Privatisierungsprozess konkret abläuft: „In den meisten Betrieben bekommen die Arbeiter von der Direktion, wenn ein Betrieb zur Privatisierung ausgeschrieben ist keinerlei Lohn mehr. Die Clans rechtfertigen dies, mit einem UNMIK-Gesetz, wonach nur Beschäftigte übernommen werden, die in den letzten drei Jahren im Betrieb gearbeitet hätten.“ Nach der Schilderung von Abazi lehnt die UNMIK jegliches Kündigungsschutzgesetz ab.
Nach seiner Erfahrung nehme nach der Privatisierung der Lohn der Beschäftigten ab, die wenigsten würden übernommen werden und die Übernommenen bekommen nur befristete Arbeitsverträge zwischen einem und drei Monaten.
In den noch öffentlichen Betrieben erhält ein Arbeiter zwischen 120 und 200 Euro im Monat. Die Beschäftigten in den privatisierten Betrieben im Schnitt nur 80 Euro.
Dann erwähnte Abazi konkrete Beispiele, zu dem Fall Ferronikel in Drenas erklärte Abazi: „Vor über einem Jahr wurde der moderne Industriegigant gegen den Widerstand der Arbeiter verkauft. Den Zuschlag erhielt die Firma Alferon mit einem Betrag von 33 Millionen Euro. Ein anderer Mietbieter bot 49 Millionen Euro. Es wurden durch Herrn Rücker (damals Leiter der AKM) Millionen verschenkt. Hier ging es doch nicht mit rechten Dingen zu.“
Außerdem meinte Abazi breche die UNMIK, wenn es ihr in den Kram passt ihre eigenen Gesetze. Konkret sprach Abazi über die IMK-Stahlröhren-Fabrik in Ferizaj.
Die IMK-Stahlröhren-Fabrik in Ferizaj
Vor einem Jahr klagten 912 IMK-Angestellte vor dem Obergericht in Pristina gegen die Verschleuderung ihres Werkes. Das Gericht stellte fest, dass der Betrieb mindestens 25 Millionen Euro Wert sei. Dennoch verschacherte die AKM (sie steht unter direkter Kontrolle der UNMIK) das Werk für 3,6 Millionen Euro.
Dabei ignorierte die Privatisierungsagentur selbst noch ihr eigenes Regulativ für die Privatisierung. Nach den Regeln müssen mindestens 3 Bieter vorhanden sein, in diesem Fall waren es aber nur 2 und die UNMIK verkaufte gegen den Widerstand der Arbeiter trotzdem. Der einst stolze Betrieb hatte während seiner Blüte in den achtziger Jahren rund 1.400 Personen Arbeit geboten.
IMK-Pipelines wurden in die ganze Welt exportiert. Der Niedergang setzte mit der Entlassung der albanischen Belegschaft zu Beginn der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts ein. Gegenwärtig beschäftigt der Betrieb rund 600 Arbeiter. Der Käufer ist unbekannt und wird von der UNMIK als seriös verkauft. Das einzige was die UNMIK für unseriös hält sind Einwendungen der Arbeiter oder gar deren Eigentumsansprüche an den Produktionsmitteln. Die Gewerkschaft BSPK lehnt mittlerweile den Privatisierungsprozess ab.
Auf welcher Basis privatisiert die UNMIK?
Mit Beginn der UNMIK Herrschaft in Kosova machte sie sich zum Herren über die Ökonomie des Landes. Alle formal staatlichen Betriebe mitsamt der ausländischen Beteiligungen wurden dem Pilar IV der UNMIK unterstellt. Die UNMIK bestimmte wieviel Personen in einem Betrieb arbeiten durften und wer Aufträge erhielt. Das Baukombinat „Ramiz Sadiku“ mit einst 5.000 Beschäftigten in Prishtina bekam unmittelbar nach dem Krieg keinerlei Bauaufträge. Die Aufträge wurden an Firmen in Mazedonien, Griechenland, aber auch an deutsche Bauunternehmen vergeben. Das Ziel bestand darin, die örtlichen Betriebe abzuwerten um sie dann für einen Apfel und ein Ei zu verhökern. Das Baukombinat „Sadiku“ ist mittlerweile privatisiert. In dem einst stolzen Kombinat arbeiten noch 200 Personen zu Hungerlöhnen.
Die rechtliche Basis für den Umgang mit der Wirtschaft bilden die sogenannten Wirtschaftsreformen aus der Milosevic-Periode. Im Jahr 1990 wandelte Milosevic per Gesetz die Betriebe in sogenannte staatliche Aktiengesellschaften um. Bis zu diesem Gesetz waren die Betriebe im Gruppeneigentum der Arbeiter. Das Gesetz machte aus den Arbeitern Aktionäre. Ihr Anteil am Betriebskapital betrug 20 Prozent. Die restlichen Anteile wurden in drei Richtungen verkauft: Privilegierte Bürokraten erwarben größere Anteile, dazu kamen ausländische Kapitalisten und gewisse Anteile erwarb der serbische Staat.
Das Ziel der „Reform“ bestand darin, eine eigene serbische Bourgeoisie zu bilden im Bund mit ausländischen Investoren. Besonders stark investierte französisches, griechisches und russisches Kapital in den neunziger Jahren in Kosova. All diese gegen die Arbeiter durchgesetzten Maßnahmen betrachtet die UNMIK als Basis für ihre „Privatisierung“.
Gegen Ende des Jahres 2004 stoppte der deutsche Wirtschaftskommissar Lambsdorff die Privatisierung, weil er der Meinung war, dass bereits verkauftes Eigentum nicht nochmals verkauft werden dürfe. Der Konflikt aus dem Jahr 2004 gibt eine Ahnung davon inwieweit bereits unter Milosevic die Privatisierung der Ökonomie vorangeschritten war.
Joachim Rücker verkündete dann als Nachfolger des Grafen Lambsdorff, dass der Prozess der „Privatisierung weitergehe und bis Ende 2005 abgeschlossen sein müsse“. Wird ein Betrieb nach den Regularien der UNMIK auf Basis der Milosevic Gesetze verkauft, erhalten die Arbeiter offiziell 20 Prozent. Den großen Rest erhalten internationale Investoren, welche bereits unter Milosevic Anteile kauften sowie serbische Bürokraten und der serbische Staat. Die Geleimten sind die Arbeiter in doppelter Hinsicht: Erstens wird durch die Entwertungsstrategie der UNMIK ihr Anteil immer weniger Wert und zweitens müssen sie von der UNMIK als Arbeiter anerkannt sein. Der Großteil der Arbeiter welche einst in den Betrieben arbeiteten und unter Milosevic entlassen wurden, werden von der UNMIK nicht anerkannt. Ergo die Entlassungswelle gegenüber den albanischen Arbeitern unter Milosevic wird von der UNMIK teilweise sanktioniert.
Die nicht anerkannten Arbeiter haben keinerlei Ansprüche auf Abfindungen. Ansprüche gelten nur für Beschäftigte die die letzten drei Jahre vor der Privatisierung in den Betrieben arbeiteten. Die ausländischen Investitionen halten sich bis dato in Kosova in Grenzen obwohl über 90 Prozent der Betriebe zur Privatisierung ausgeschrieben sind.
Etwas über 1.000 Menschen arbeiten im Kombinat Trepca auf Probe. An Trepca ist die Thyssen Group und die Firma ITT interessiert. Das Kaufinteresse wird durch erworbene Optionsscheine abgesichert. Kein Bedarf besteht allerdings an den verarbeitenden Kapazitäten des Kombinats. Außerdem fordern die Firmen „deutliche Lohnsenkungen, gesteigerte Arbeitsproduktivität und einen Körperschaftssteuersatz der unter den vergleichbaren Sätzen in der Region liegt. In Serbien liegt der Satz gegenwärtig bei 10 Prozent und in Montenegro bereits bei 9 Prozent.
Es findet ein Dumpingwettbewerb am Balkan zugunsten der großen Konzerne statt. Die UNMIK und der Ahtisaari-Plan schreiben Kosova die „Pflicht zur Freien Marktwirtschaft“ vor. In diesem Sinn soll jetzt die staatliche Energieversorgung Kosovas vollständig privatisiert werden. Kosova hat den höchsten Braunkohlereichtum in der Region. Mit dem Bau der Thermozentrale Kosova C durch ein schwedisch-amerikanisches Konsortium soll die Privatisierung der Energieversorgung eingeleitet werden. Die Blöcke Kosova A und B werden stillgelegt.
Diese Planung geht von der UNMIK aus, was zu weiter steigenden Preisen und Arbeitsplatzverlusten im Energiesektor führen wird. Die UNMIK benutzt die mangelhafte Energieversorgung in Kosova um den Energiesektor absolut von der Kontrollmöglichkeit durch die Gesellschaft zu befreien.
Anmerkungen zur sozialen Lage im Land
Nach der neuesten Studie der Weltbank leben 15 Prozent der Bevölkerung in Kosova in „extremer Armut“. Darunter versteht die Weltbank ein Einkommen von unter einem Dollar pro Tag. Weitere 36 Prozent müssen von weniger als zwei Dollar am Tag ihr Leben fristen. Anspruch auf soziale Unterstützung hat nur derjenige, der keinen Esel und keinen Verwandten im westlichen Ausland hat.
Die „Sozialunterstützung“ beträgt maximal 50 Euro im Monat. Die Rentner beziehen eine Einheitsrente von 40 Euro im Monat. Das ist zum Sterben zuviel und zum Leben zuwenig.
Die medizinische Versorgung wird immer mehr eingeschränkt und privatisiert. Auf Rezept gibt es fast keine Medikamente mehr. Wer allerdings genügend Knete in der Tasche hat, bekommt jedes Medikament in den Apotheken. Die Ausstattung der öffentlichen Krankenhäuser verschlechtert sich. Dafür wird eine Privatklinik neben der anderen gegründet.
Kosova ist auch ein Experimentierfeld des Neoliberalismus. Besonders betroffen von der Arbeitslosigkeit ist die Jugend, insbesondere die weibliche. Kosova hat eine enorme Anzahl junger Menschen, von den 2,2 Millionen Einwohnern sind 50 Prozent unter 25 Jahre alt. Die Unzufriedenheit ist hier besonders weitverbreitet. Nicht umsonst wird in bestimmten westlichen Medien von einer Explosionsgefahr in Kosova geschrieben.
Die Generation Kurti
Der ehemalige Studentenführer Albin Kurti und die Bewegung für Selbstbestimmung (LPV) dominieren die jugendpolitische Szene Kosovas. Die LPV lehnt eine Dominanz Kosovas durch den serbischen Staat genauso ab, wie den Kolonialismus der UNMIK. Sie fordert für Kosova das Recht auf Selbstbestimmung in allen nationalen, politischen, sozialen und kulturellen Fragen. In der LPV finden sich bürgerlich-demokratische Positionen, es finden aber auch Debatten über die Lösung der sozialen Frage und die Notwendigkeit der Überwindung des Kapitalismus statt. Sie setzt sich für Minderheitenrechte der SerbInnen, Sinti, Roma und anderen Minderheiten ein, ohne aber bisher ein konkretes Programm für diese Fragen entwickelt zu haben. Zweifellos beinhaltet das auch die Gefahr, dass rechte Nationalisten versuchen können, die LPV zu beeinflussen. Die LPV wird von der UNMIK und der führenden politischen Kaste Kosovas zunehmend als Bedrohung empfunden. Anders ist die Gewalteskalation anlässlich der LPV-Demonstration am 10. Februar in Prishtina nicht erklärbar.
Am Abend des blutigen Samstags wurde Albin Kurti festgenommen. Seit 10. Februar ist Albin Kurti in Untersuchungshaft, seine Richterin ist eine deutsche Frau mit dem weit verbreiteten Namen Schmidt. Kurti sitzt aus rein politischen Gründen in Haft, bis jetzt ist von der Anklage nur zu vernehmen, „dass er die internationale Sicherheit gefährden würde“.
Dieses Konstrukt setzt Albin Kurti mit Bin Laden gleich, gegen den formaljuristisch dieselbe Anklage erhoben wird. Im Fall Kurti geht es allerdings darum, jegliche Opposition auszuschalten, die für Kosova lediglich das Selbstbestimmungsrecht einklagt, was in diversen UN-Resolutionen verankert ist.