Hartz IV: In 80 Tagen durch die ARGE

Erlebnisse einer ALG-II-Empfängerin
Ich bin 28 Jahre alt und Ergotherapeutin. Im Dezember wurde mir betriebsbedingt zum Jahresende gekündigt. Da ich noch nicht lange genug sozialversicherungspflichtig beschäftigt war, habe ich nur Anspruch auf Hartz IV.
 

von Tina Backe, Köln

14. Dezember 2006

Ich melde mich ab 1. Januar 2007 bei der ARGE arbeitslos. ARGE ist die Arbeitsgemeinschaft aus Stadt und Arbeitsamt für Hartz-IV-Empfänger. Ein persönlicher Fallmanager, Herr S., wird mir zugewiesen, bei dem ich den ausgefüllten Arbeitslosengeld-II-Antrag am 19. Dezember abgeben soll.

19. Dezember

Ich gebe meinen ALG-II-Antrag ab. Herr S. macht mir ein Arbeitsangebot: bei der AWO, Betreuung von älteren Menschen, Hilfestellung im Haushalt – für eine „Mehraufwandsentschädigung“ von einem Euro pro Stunde. Herr S. droht mir, ich müsse mit einer 30-prozentigen Kürzung des ALG-II-Geldes rechnen, wenn ich diesen Ein-Euro-Job ablehnen würde. Deshalb unterschreibe ich die entsprechende Eingliederungsvereinbarung. Von einem Termin für ein Kurzprofiling rät er mir ab, mit der Begründung, der Ein-Euro-Job sei schon eine Eingliederungsmaßnahme und somit das Profiling überflüssig.

21. Dezember

Ich wende mich an eine Erwerbsloseninitiative, die mir rät, meine Unterschrift unter der Eingliederungsvereinbarung schriftlich zu widerrufen, was ich daraufhin auch mache. Inzwischen habe ich im SGB II §15 gefunden: „Dem Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung geht zwingend ein umfassendes und systematisches Profiling voraus.“

31. Dezember

Mein Kontoauszug zeigt immer noch keinen Eingang des letzten Lohnes für Dezember 2006 an.

2. Januar 2007

Mein Lohn wurde heute überwiesen, zwei Tage zu spät. Weil ich ihn am 2. Januar und nicht am 31. Dezember erhalten habe, bekomme ich für den Januar kein ALG II. Laut Gesetz habe ich doch Geld, um Miete und Essen für Januar zu bezahlen.

3. Januar

Bei der Jobbörse. Frau S. hört mir zu. Sie erkennt, dass ich qualifizierte Berufsanfängerin bin. Der Ein-Euro-Job als Eingliederungsmaßnahme erscheint ihr nicht angebracht und sie verspricht, mit Herrn S. Kontakt aufzunehmen. Ich bin den Ein-Euro-Job los.

4. Januar

Ich bin den Ein-Euro-Job doch nicht los. Frau S. ruft mich an und berichtet empört, dass Herr S. sich weigert, mir einen Vermittlungsgutschein auszustellen. Ich muss doch bei der AWO antreten. Ich treffe mich mit den Leuten von der Erwerbsloseninitiative und setze ein Fax an die Beschwerdestelle der ARGE auf.

5. Januar

Der Herr von der Beschwerdestelle ruft mich an und nach vielem Diskutieren und weiteren Telefonaten teilt er mir schließlich

mit, dass ich für den 8. Januar einen Termin bei einem anderen Arbeitsvermittler, Herr B., habe. Der Beginn des Ein-Euro- Jobs ist auf eine Woche nach hinten verschoben worden.

8. Januar

Ein Mitglied der Erwerbsloseninitiative und ich sitzen im Büro von Herrn B. Ich erhalte eine neue Eingliederungsvereinbarung und einen Vermittlungsgutschein für die Jobbörse. Der Ein-Euro-Job ist gestrichen. Herr B. ist nun mein neuer Arbeitsvermittler.

1. Februar

Herr B. ist nicht mehr mein Arbeitsvermittler. Per Zufall erfahre ich, dass nun eine Frau B. zuständig für mich ist.

21. Februar

Seit drei Wochen versuche ich Frau B. Telefonisch zu erreichen, ohne Erfolg.

22. Februar

Ich erhalte einen Brief von der ARGE. Über meinen ALG-II-Antrag könne noch nicht entschieden werden, da noch Unterlagen fehlen würden. Diese habe ich aber schon mit meinem Antrag im Dezember eingereicht.

27. Februar

Ich rufe erneut die Beschwerdestelle der ARGE an.

1. März

Die Beschwerdestelle ruft zurück, die Unterlagen sind wieder aufgetaucht. Ich muss nur noch meine Kontoauszüge von Januar bis März vorlegen.

2. März

Ich erhalte bei der Abgabe der Kontoauszüge den Hartz-IV-Satz für Februar.

7. März

Der noch ausstehende Restbetrag für März wird mir überwiesen. Seit meinem ersten Termin bei der ARGE sind 80 Tage vergangen.