SDS: Aufbruch und Niedergang

Die Politik des sozialistischen Studentenbundes und Lehren für heute
Die Geschichte des SDS geht zurück auf die Gründung als ein parteinaher Studierendenverband der SPD im Jahr 1946. Während die SPD nach rechts ging, lehnte der SDS Atompolitik und Wiederbewaffnung der Bundeswehr konsequent ab. Mit dem Godesberger Programm von 1959 verabschiedete die SPD sich auch programmatisch von sozialistischen Ideen. Bei dieser Rechtsentwicklung stand der linke SDS im Weg.


 

von Sebastian Foerster, Fulda

Nachdem erst einzelne unliebsame linke und sozialistische Mitglieder des SDS durch die SPD-Führung ausgeschlossen worden waren, wurde der SDS 1961 endgültig aus der SPD hinausgeworfen.

Der unabhängige SDS radikalisierte sich. Aus dem „Seminarmarxismus“ entwickelte sich eine Organisation, die revolutionäre Ideen vertrat. Der SDS gewann an Attraktivität auch für SchülerInnen, Lehrlinge und Gewerkschaftsjugendliche. In seiner Hochphase wuchs er auf 2.500 Mitglieder an. AktivistInnen wie Rudi Dutschke prägten den SDS, der sich als sozialistisch, undogmatisch und „antiautoritär“ verstand. Antiautoritär hieß für ihn, „gegen jede Form von Herrschaft von Menschen über andere Menschen“ und für eine völlige Demokratisierung der Gesellschaft zu kämpfen.

Die Regimes von DDR und Sowjetunion lehnte die Mehrheit als nicht sozialistisch ab. Eine große Anziehungskraft übten aber die kolonialen Befreiungsbewegungen und die Revolutionen in Kuba, Vietnam und China auf den SDS aus. Hierbei machten sich die Mitglieder allerdings große Illusionen über die angeblich „sozialistischen“ Verhältnisse in diesen Ländern.

SDS und APO

Vor allem durch die Kombination aus sozialistischer Programmatik, radikalen Aktionen und allgemeinpolitischen Anspruch konnte der SDS in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre die treibenden Kraft in der Studierendenbewegung und in der Außerparlamentarischen Opposition (APO) werden. Die Proteste der APO zielten vor allem gegen den Vietnamkrieg die Lage an den Hochschulen („Unter den Talaren – Muff von tausend Jahren“) und gegen die Springer-Presse. Auch viele SchülerInnen sowie junge ArbeiterInnen schlossen sich den Demonstrationen an.

Auf dem Höhepunkt der Bewegung im Mai 1968 erließ die nun regierende Große Koalition aus SPD und CDU/CSU die so genannten Notstandsgesetze. Diese ermächtigten die Regierung dazu, die Bundeswehr im Innern einzusetzen und demokratische Rechte erheblich einzuschränken, wenn ihrer Meinung nach die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ in Gefahr sei. Gegen dieses repressive Vorhaben formierte sich Widerstand.

Arbeiterbewegung

Auch ArbeiterInnen beteiligten sich stark an den Protesten gegen die Notstandsgesetze. Von linken ArbeiterInnen wurde der Generalstreik als Kampfmittel gefordert. In der von vielen Protesten, Demonstrationen und auch Streiks geprägten Stimmung Ende der sechziger Jahre fehlte eine ausreichende Verbindung zwischen den Kämpfen der Studierenden und der Arbeiterklasse. Anknüpfungspunkte der Studentenbewegung an Klassenkämpfe hätte es damals zahlreiche gegeben. Bereits 1966 bis 1967, während der ersten Rezession in der Nachkriegs-BRD, gab es starke Proteste von ArbeiterInnen gegen die Große Koalition. Vor allem an der Ruhr kochte die Wut gegen Zechenschließungen hoch, teilweise wurde auf Demonstrationen auch deren Sozialisierung gefordert. Von Frühling bis Herbst 1969 kam es dann zu einem mächtigen Aufschwung des Klassenkampfs, unabhängig von den Aktionen des SDS. Spontane Streiks für Lohnerhöhungen wurden an den Gewerkschaftsführungen vorbei organisiert. Nicht nur deren Funktionäre waren von der Bewegung überrumpelt. Insgesamt unterschätzte der SDS die Rolle der Arbeiterklasse und sah in ihr nicht länger die entscheidende Kraft, die die gesellschaftlichen Verhältnisse verändern kann. Die der StudentInnen kam damals aus eher gehobenen Verhältnissen.

Auflösung des SDS

Nachdem der SDS in der zweiten Hälfte der Sechziger zum organisatorischen Anziehungspunkt der Studentenbewegung geworden war, zerfiel er ab 1969 zunehmend in kleine Gruppen mit unterschiedlichen politischen Ausrichtungen. 1970 löste er sich schließlich auf.

Viele AktivistInnen schlossen sich den JungsozialistInnen an und schoben dadurch den Jugendverband der SPD nach links. setzten ihren Protest in neuen sozialen Bewegungen fort, wie der Friedensund Umweltbewegung und feministischen Gruppen. Manche schlossen sich kleineren und maoistischen Gruppierungen an, einige ehemalige SDSler und SDSlerinnen gründeten die RAF.

Der SDS verschwand von der politischen Bühne, weil er keine konsequente Abgrenzung vom Stalinismus vornahm und keine klare Vorstellung hatte, wie eine sozialistische Gesellschaft erreicht werden kann. Und weil er es versäumte, politisch und organisatorisch die Verbindung zur arbeitenden Bevölkerung, deren Organisationen und deren Kämpfen zu suchen. Das Abebben der Studierendenbewegung offenbarte seine politische Perspektivlosigkeit.

Aber die Aufbruchstimmung und die Linksverschiebung in der Gesellschaft als Folge der Proteste der „Antiautoritären“ hatte trotzdem noch Auswirkungen. Sie beeinflussten die Bewegungen und politischen Gruppierungen der siebziger Jahre und führten zu gesellschaftlichen Veränderungen, zum Beispiel mit einer reformorientierten Schulpolitik oder in den Strukturen der Hochschulen.