Der Spielbudenplatz auf der Reeperbahn in Hamburg war heute Mittag lebendiger als an manchem Samstag Abend. 20.000 Kollegen und Kolleginnen der Airbus-Werke aus Deutschland waren zu der Protestaktion der IG Metall angereist.
von Andreas, Hamburg und Sascha Stanicic, Berlin
Nicht nur sie. Viele Angehörige standen Seite an Seite mit den Beschäftigten. Die Stimmung war laut, kämpferisch und solidarisch. Auf vielen Transparenten standen Losungen wie „Wir lassen uns nicht spalten- Airbus bleibt erhalten“ oder „Kampf um jeden Arbeitsplatz- Keine Entlassungen“. Dementsprechend ernteten die kämpferischsten Ansagen von der Rednertribüne auch den lautesten Applaus. So wurde der Ausspruch von Jürgen Peters „Wer uns angreift, greift uns alle an“ mit tosendem Beifall beantwortet. Diese lautstarke Manifestation der Kolleginnen und Kollegen ist eine selbstbewusste Kampfansage an das sogenannte „Sanierungsprogramm Power 8“ des Managements. Einer der Kollegen sagte treffend „die machen die Fehler und wir sollen das ausbaden“. Bis zu 10.000 KollegInnen sollen europaweit auf die Straße geworfen werden. Deswegen war dieser europaweite Aktionstag ein erster Schritt in die richtige Richtung.
„Haut den Bossen auf die Flossen- Widerstand statt Arbeitslosigkeit“
Im Gegensatz zu manch anderer Gewerkschaftsveranstaltung war diese Kundgebung keine Altherrenaktion. In den Reihen der Kundgebung befanden sich viele Jugendliche. Viele hatten selbstgemachte Schilder mit Slogans wie „Arbeitslos? Keine Lehrstellen- nicht mit uns“ oder „Haut den Bossen auf die Flossen- Widerstand statt Arbeitslosigkeit“. Nicht nur viele Azubis waren darunter, sondern auch SchülerInnen. Insbesondere aus Nordenham waren ganze Schulen mobilisiert worden. Dieser Schulterschluss ist ein guter Anfang. Denn die Vernichtung von Arbeitsplätzen trifft nicht nur die Entlassenen selbst. In Zeiten der Massenarbeitslosigkeit ist es in unser aller Interesse, dass um jeden Arbeitsplatz gekämpft wird. Deswegen sollten Beschäftigte, Erwerbslose, SchülerInnen und Studierende gemeinsam auf die Straße gehen.
Laut reden, aber nix sagen
Skandalöserweise lud die IG Metall verschiedene Ministerpräsidenten und Spitzenpolitiker der CDU ein, auf dieser Kundgebung zu reden. Aus den „Airbus-Bundesländer“ Hamburg, Bremen, Niedersachen und Baden-Württemberg waren unter anderem die Ministerpräsidenten Wulff und Oettinger dabei. Es ist wahrhaft ein Kunststück so viele wohlklingende Versprechungen zu machen ohne irgendwas konkretes zuzusagen. Ein kleiner Seitenhieb gegen das Management, einige Schmeicheleien und das Versprechen „alles zu tun was möglich ist“ – aber was genau eigentlich? Im Grunde genommen stehen die KollegInnen nach diesen Reden mit denselben leeren Händen da wie vorher.
Wulff und Oettinger sind nicht die ersten Politiker welche sich als Anwälte bedrohter Belegschaften ausgeben. Ob beim Zechensterben im Ruhrgebiet, dem Werftensterben an der Küste oder dem Holzmann-Konzern. Nie hat es an Politikern gefehlt die „alles mögliche“ versprochen haben solange sich die KollegInnen „kompromissbereit“ geben. Kompromissbereit- das bedeutet auf wirkungsvolle Aktionen wie Streiks oder Betriebsbesetzungen zu verzichten. Die Vernichtung Tausender von Arbeitsplätzen haben diese Versprechungen noch nie verhindert. Deswegen sollten wir uns nicht auf Leute verlassen, welche ein paar vage Absichtserklärungen abgeben und anschließend in ihrer schicken Audi& Mercedes-Flotte wieder davonbrausen.
Hinzu kommt, dass diese Herren der Kundgebung einen bewusst "deutsch-nationalen" Charakter gaben. Sie wollen die "deutschen Interessen" verteidigen statt der Interessen der bei Airbus abhängig Beschäftigten in allen Ländern und Fabriken. Nichts liegt ihnen ferner als internationale Solidarität. So muss sich die IG Metall-Führung den Vorwurf gefallen lassen, dass sie mit dieser Art von Kundgebung nationalistischen Vorurteilen den Weg ebnet. Die Tatsache, dass die ursprünglich angekündigte gemeinsame internationale Demonstration der Airbus-Beschäftigten aller Länder in Brüssel kurzfristig abgesagt worden war und es dann nur zu einem "Internationalen Aktionstag" mit nationalen Aktionen kam, ist vor diesem Hintergrund noch kritikwürdiger.
Her mit dem Kampfprogramm
Jürgen Peters kommentiert die Politiker-Reden treffend „Wir werden die Politiker an ihren Taten, nicht an ihren Worten messen“. Sehr richtig. Das gilt aber auch für die zuständigen Gewerkschaftsfunktionäre. Zwar sprach Peters davon, dass „wir europaweit zusammen stehen“ und „alle Standorte müssen eine Zukunft haben“. Aber konkrete Forderungen und Maßnahmen hat er auch nicht präsentiert. Eigentlich hat er nur gesagt was ohnehin schon klar war. Angesichts der Massenentlassung ist ein europaweiter Aktionstag ein Anfang, mehr aber auch nicht. Wie können wir es schaffen, dass jeder Arbeitsplatz erhalten wird? Und wie kann in Zukunft das Missmanagement verhindert werden?
Solch ein Kampfprogramm können nur die Belegschaften selbst entwickeln. Aus den Erfahrungen der letzten Arbeitskämpfe müssen die notwendigen Schlussfolgerungen gezogen werden. Zum Beispiel haben die Hafenarbeiter durch europaweite Proteste das „Port Package“, welches die Arbeitsbedingungen verschlechtert hätte, kippen können. Vor kurzem konnten die Hamburger Hafenarbeiter nun durch Verweigerung der Überstunden die Privatisierungspläne des Hamburger Senats in die Schranken weisen. Diese Beispiele zeigen, dass Streikaktionen das wirkungsvollste Mittel sind, um sich zu wehren. Solange die Power 8 Pläne nicht vom Tisch sind, sollten entsprechende Streikmaßnahmen vorbereitet werden. Die spontanen Arbeitsniederlegungen in Varrel, Nordenham und Laupheim und auch in Frankreich waren instinktiv die richtige Antwort. Mit Medienspektakeln allein kann nicht genug Druck entstehen. Und sollten die Streiks nicht genügen, wäre es ja auch denkbar wie bei Opel Bochum für ein paar Tage Informationsveranstaltungen durchzuführen.
Nötig ist ein entschlossener und international koordinierter Kampf. Ähnlich wie es die Belegschaft bei Opel Bochum im Herbst 2004 tat, sollte die Arbeit unbefristet niedergelegt werden. Eine internationale Konferenz von Airbus-Vertrauensleuten könnte einen solchen Arbeitskampf einleiten und aus ihrer Mitte ein internationales Streikkomitee demokratisch wählen. IG Metall, die anderen DGB-Gewerkschaften und der Europäische Gewerkschaftsbund wären aufgerufen eine bundes- und europaweite Solidaritätskampagne mit Demonstrationen und Solidaritäts-Arbeitsniederlegungen zu organisieren. Vor etwas mehr als zwanzig Jahren sorgte hielt der Arbeitskampf der Krupp-Stahlkocher in Duisburg-Rheinhausen die ganze Republik im Atem. Es kam zu einer Generalstreik-ähnlichen Situation im Ruhrgebiet. Die Airbus-Belegschaft kann sich der Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung in den Regionen der verschiedenen Werke sicher sein, wenn diese denn effektiv durch die Gewerkschaften organisiert würde. Auch WASG und Linkspartei.PDS müssten dazu durch eine wirksame Öffentlichkeitskampagne und praktische Unterstützung ihren Beitrag leisten.
Wie bei Opel Bochum und Krupp Rheinhausen sollten die Airbus-KollegInnen nicht darauf warten, dass die Gewerkschaftsapparate entschlossene Kampfmaßnahmen einleiten. Es bedarf organisierten Druck von der Gewerkschaftsbasis und selbständige Initiativen und Aktionen von unten, um wirklichen Widerstand zu entwickeln.
Uns interessiert nicht die Profitrate sondern unsere Zukunft!
Eines ist klar: Nicht die KollegInnen aus den Werken sind ein Hindernis für die Entwicklung von Airbus, sondern die Profitmacherei.
Trotz voller Auftragsbücher und steigender Produktivität werden bei Airbus und Boing Tausende auf die Straße geworfen, weil die Profitrate nicht stimmt. Deswegen dürfen sich die Belegschaften, egal in welchem Land, egal in welchem Konzern, nicht gegeneinander ausspielen lassen. Uns interessiert nicht die Profitrate, sondern dass wir und unsere Kinder eine Zukunft haben. Nicht wir sind überflüssig, sondern diese krankhafte Profitsucht!
Deshalb muss der Kampf um folgende Forderungen geführt werden:
– Erhalt aller Arbeitsplätze bei Airbus
– Nein zu Ausgliederungen und Lohnverzicht
– Für die Überführung des Konzerns in einhundert Prozent öffentliches Eigentum bei demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die Belegschaft und demokratisch gewählte GewerkschaftsvertreterInnen