Anfang Juni wird die Stadt Rostock und Umgebung einer belagerten Festung gleichen. Auf der einen Seite sollen bis zu 18.000 Polizisten die „hohen Gäste“ des Gipfels selbst, nebst ihrer Journaille, „schützen“ und auf der anderen Seite werden bis zu hunderttausend DemonstrantInnen dagegen protestieren.
von René Henze, Rostock
Bei den Vorbereitungen des Protestes in den verschiedenen Gruppen bundesweit und in Rostock, als auch in den diversen Diskussionsforen im Internet, wird viel von der Demo am 2. Juni, der Organisierung des Protestcamps und von Blockaden gesprochen. Das ist alles gut und richtig. Aber diese Pläne beziehen sich leider fast ausschließlich auf die „Protestszene“. Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs), attac, linke (zumeist studentische) Gruppen… diskutieren überwiegend untereinander.
Es gibt viel zu wenig Versuche, Schritte hin zu den Beschäftigten, den Arbeitslosen und zu den Jugendlichen zu machen. Dabei sind sie es gerade, die am meisten unter dem gnadenlosen globalen Wettbewerb und der neoliberalen Politik leiden. Wenn man sich in den Betrieben, in den Fluren der Arbeitsämter und ARGEn, sowie in den Schulen oder im Viertel umhorcht, sieht und hört man den Unmut über Merkel, Bush und „die ganze Politik“. Das spiegelt sich viel zu wenig in der globalisierungskritischen Bewegung wider.
Das Geheimnis von Seattle 1999 und Genua 2001
Im November 1999 tagte in Seattle die Welthandelsorganisation WTO – und auf den Straßen protestierten StudentInnen, NGOs, Umweltschützer, indische Bauern… Doch erst mit den Zehntausenden von ArbeiterInnen, darunter ein großes Kontingent von Stahlarbeitern, war die Blockade „perfekt“. Die insgesamt 50.000 DemonstrantInnen sorgten dafür, dass sich der Beginn der Konferenz um Stunden verzögerte.
Beim Protest gegen den G8-Gipfel in Genua gingen am 21. Juli 2001 300.000 auf die Straße – und es war gerade der hohe Anteil von Beschäftigten, Arbeitslosen und Jugendlichen, der den Protest so massiv werden ließ. Entscheidend war, dass die Basisgewerkschaften (Cobas), die Metallgewerkschaft FIOM und die Partei Rifondazione Comunista (die eine nicht unerhebliche Basis unter ArbeitnehmerInnen und Arbeitslosen hat) die Proteste maßgeblich organisierten und dafür auch mobilisierten.
Von einer derartigen breiten Mobilisierung ist in Deutschland und in Rostock noch nichts zu spüren. Im Gegenteil: Einer der Organisatoren der Demo am 2. Juni berichtete uns, dass es eine Initiative des DGB-Vorsitzenden von Mecklenburg-Vorpommern, Peter Deutschland, beim Bundes-DGB gab, wonach der DGB und seine Einzelgewerkschaften bundesweit zum Protest gegen den G8-Gipfel aufrufen und mobilisieren soll. Doch das wurde abgelehnt.
Demonstrieren, blockieren, streiken
Um den G8-Gipfel zum Scheitern zu bringen – und ebenso eine Polizeieskalation zu verhindern – werden die Demo am 2. Juni und die nachfolgenden Blockaden der Zufahrtsstraßen nach Heiligendamm nicht ausreichen. Aber wenn die gesamte Region durch eine allgemeine Arbeitsniederlegung lahmgelegt wird – dann würde nicht nur die Logistik des Gipfels selbst unterbrochen, sondern es wäre auch ein scharfes Signal an die Vertreter von Politik und Wirtschaft, dass wir uns eben nicht mehr alles stillschweigend gefallen lassen.
Genau diese Diskussionen führen Mitglieder von SAV (einschließlich der Bürgerschaftsabgeordneten Christine Lehnert) und widerstand international! gerade in Rostock mit verschiedenen Betriebs- und Personalräten, mit Gewerkschaftssekretären und Beschäftigten in der Stadt. Zudem gibt es Überlegungen, auf einen Schülerstreik hinzuarbeiten.
Ein erster Schritt, um in diese Richtung gehen zu können, sind Diskussionen in den Schulen, an den Unis, in Betrieben. Wichtig sind jetzt Veranstaltungen, Öffentlichkeitsarbeit und Stadtteilversammlungen. Nötig ist es, bei der bundesweiten Mobilisierung gegen den G8-Gipfel den Zusammenhang zwischen der Politik der acht mächtigsten Staats- und Regierungschefs und dem sozialen Kahlschlag in der Bundesrepublik herzustellen. Es gilt, an VertreterInnen in Betrieben und Gewerkschaften heranzutreten – mit dem Ziel, die Proteste bekannt zu machen, zu unterstützen und aktiv zu werden. Und auch die Bundestagsfraktion der Linken könnte mehr machen. Es reicht nicht, nur die Demo am 2. Juni zu unterstützen. Auftritte im Bundestag oder in Talkshows sollten genutzt werden, um öffentlich für die Proteste gegen G8 aufzurufen. Gleichzeitig muss die Mitglied- und Wählerschaft mobilisiert werden.
Die Stadtregierung von Rostock, die Landräte von Bad Doberan und die Landesregierung denken im Augenblick, dass im Juni 2007 der normale Alltag in Rostock und Umgebung weiter läuft wie bisher, dass Beschäftigte ganz normal zur Arbeit gehen, dass die Straßenbahnen fahren, die Stadtverwaltung läuft, Schiffe gebaut werden und SchülerInnen brav in der Schule sitzen… Machen wir ihnen einen Strich durch die Rechnung.