Statt den Widerstand auszuweiten, schalten Gewerkschaftsspitzen Gang zurück
Die Auseinandersetzung um die Rente mit 67 geht in die entscheidende Phase. Am 9. März will die Große Koalition den Bundestag und am 30. März den Bundesrat über die Erhöhung des Renteneintrittsalters beschließen lassen. Bereits am 1. Mai soll das Gesetz in Kraft treten. Höchste Zeit also, die Proteste gegen diese asoziale „Reform“ massiv auszuweiten.
von Daniel Behruzi, Berlin
Die bisherigen Aktionen haben gezeigt, was möglich ist. Allein die IG Metall hat mehr als 300.000 ArbeiterInnen und Angestellte zu Demonstrationen mobilisiert. Trotz der Versuche, die Generationen gegen einander auszuspielen, sind ältere und junge Beschäftigte gemeinsam auf die Straße gegangen. Und trotz des Gezeters über die angebliche Illegalität politischer Streiks und vielfacher Einschüchterungsversuche wurde in fast allen großen Metallbetrieben die Arbeit vorübergehend niedergelegt.
ver.di untätig
Doch was haben die anderen Gewerkschaften getan? So gut wie nichts. Und das gilt nicht nur für die Spitze der IG BCE, die als Schoßhündchen der SPD ohnehin jeglichen Sozialprotest ablehnt. Bis auf ein paar Flugblätter und wenige rühmliche Ausnahmen – bei denen linke Funktionäre zu Demonstrationen gegen den Rentenklau aufriefen – war auch von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) nichts zu sehen. Darüber sind AktivistInnen in der IG Metall – und nicht nur dort – zu Recht empört.
Doch auch die Führungsriege der Metallergewerkschaft schaltet jetzt offenbar gleich mehrere Gänge zurück und beschränkt sich weitgehend auf Lobbyarbeit bei Politikern. Dabei wäre das Gegenteil nötig: Im nächsten Schritt müsste an einem Tag in möglichst allen Betrieben die Arbeit niedergelegt und zu gemeinsamen Demonstrationen mit RentnerInnen, Erwerbslosen und Studierenden mobilisiert werden. Das wäre eine machtvolle Demonstration der Solidarität und Stärke der arbeitenden Bevölkerung und würde die „Einsicht“ bei Politikern und Unternehmern sicherlich befördern. Denn bislang ist von Letzterem nicht viel zu sehen. Lediglich über eine Nachfolgeregelung zur Altersteilzeit wird nun nachgedacht. Das reicht aber nicht! Es geht nicht nur um einen gleitenden Ausstieg aus dem Arbeitsleben, sondern um die Verhinderung der Rente mit 67 – einer faktischen Kürzung des Ruhestandsgeldes.
Große Kampfbereitschaft
Die Wut und Kampfbereitschaft in den Betrieben ist groß. Das haben nicht nur die Proteste gegen die Rentenpläne der Großkoalitionäre gezeigt. In einer Vielzahl von Metallunternehmen hat es in den vergangenen Wochen – oftmals spontane, aus den Belegschaften heraus eigenständig organisierte – Aktionen gegen Lohnkürzungen durch die Umsetzung des Entgelt-Rahmen-Abkommens (ERA) gegeben. Auch die Debatte über die Tarifforderung zeigt, dass sich einiges angestaut hat. So haben die Beschäftigten beispielsweise bei Porsche und DaimlerChrysler in Wörth die Forderung nach 9,5 Prozent mehr Geld aufgestellt. Bei DaimlerChrysler Bremen waren es gar zehn Prozent.
Die anstehende Tarifrunde bietet den Gewerkschaften die Gelegenheit, endlich aus der Defensive zu kommen. Die Auftragsbücher sind voll, so dass die Kapitalisten einen ernsthaften Streik vermeiden möchten. Und wenn selbst Blätter wie der stern entdecken, dass die Beschäftigten höhere Einkommen verdient haben, sagt das einiges über die gesellschaftliche Stimmung. Diese und die Kampfbereitschaft der Belegschaften gilt es jetzt zu nutzen – gegen die „Reformen“ bei Rente und Gesundheit, gegen Lohnkürzungen durch ERA und für ordentliche Tariferhöhungen.