23. Februar: Auf dem weiten Hamburger Rathausplatz dreht eine Eisenbahn aus dekorierten Gepäckwagen seine Runden. Ihm folgen etwa 100 Menschen. Ein verirrter Karnevalsumzug? Nein, es ist die Protestaktion des DGB-Hamburg zur Rentenreform.
von Andreas, Hamburg
Unter dem Motto „ Mit Angies Geisterbahn in die Sackgasse oder mit dem Gewerkschaftsexpress in die Zukunft“ hatte der DGB für Freitag, den 23. Februar mobilisiert – leider nur virtuell per E-Mail. Die Themen Rente mit 67, Gesundheitsreform und Mindestlohn gehen uns alle an, daher ist es gut, dass die Gewerkschaft Aktionen startet. Nur ohne das Verteilen von Flugblättern, Kampagnezeitungen oder Plakaten erfährt kaum jemand von diesen Aktionen. E-Mails über die Gewerkschaftsverteiler zu schicken reicht nicht aus, um eine Demonstration zu initiieren.
Zudem macht eine Demonstration der Gewerkschaft zwischen 11 und 13 Uhr nur Sinn, wenn sie mit einem Streikaufruf verknüpft wird. Wer soll da sonst hinkommen? Sicher war es ein positives Zeichen, dass viele Senioren sich an der Aktion beteiligt haben. Aber die Senioren hätten bestimmt nichts gegen einen Termin gehabt, welcher auch für Beschäftigte und Jugendliche geeignet gewesen wäre. Also wenn schon Vormittags, warum ohne einen Streikaufruf?
Protest- und Streiktag ist überfällig
Es ist bedauerlich, dass auf der Kundgebung zwar viele Allgemeinplätze zur sozialen Ungleichheit erzählt wurden, aber kaum ein Wort darüber verloren wurde wie der Widerstand aufgebaut werden kann gegen diese soziale Ungleichheit. Mit kleinen kreativen Aktionen für die Presse werden wir nicht genug Druck aufbauen, um diese Reformen zu kippen. Dafür sind schon Streiks und Massenproteste notwendig. Privatisierung des Hamburger Hafens, Lohnkürzungen bei den städtischen Kindertagesstätten, Massenentlassungen bei der Telekom, Entlassungen bei Airbus – die Zeit ist reif für einen gemeinsamen Protest und Streiktag in Hamburg. Und nicht nur Hamburg.
Gummientchen & Co werden uns nicht retten
Unter diesen Bedingungen ist es kein Wunder, dass nur 100 Menschen demonstriert haben, obwohl das Thema für die gesamte Arbeiterklasse von Bedeutung ist. Viele Teilnehmer waren enttäuscht, sprachen von einem „Trauerspiel“. Doch dürfen wir uns von solchen Aktionen nicht entmutigen lassen.
Dass nur 100 an dieser Demonstration teilgenommen haben, liegt nicht an mangelnder Demonstrationsbereitschaft bei Kolleginnen und Kollegen, sondern am Charakter des Protests. Die Art der Mobilisierung, der Zeitpunkt und das Fehlen weitergehender Pläne belegen, dass überhaupt nicht mehr geplant war als solch eine kleine Aktion für die Presse.
Genau dieselbe Taktik mussten wir schon während des Streiks im Öffentlichen Dienst erleben: Statt entschlossenen Aktionen, wurden zum Beispiel Gummientchen in die Alster gesetzt. Diese Taktik ist schon beim Streik gescheitert und wird auch in diesem Fall nichts ausrichten.
Der Gewerkschaftsexpress wird sein Ziel nicht mit angezogner Handbremse erreichen.