Jede und jeder, unabhängig vom Einkommen, soll vom Staat monatlich einen bestimmten Betrag erhalten, ob erwerbslos, beschäftigt oder selbständig, ob steinreich oder ums nackte Überleben kämpfend. Ein gleicher Betrag für alle – existenzsichernd, ohne Bedürftigkeitsprüfung, ohne Arbeitszwang.
von Aron Amm
[Haltung der SAV zum „Bedingungslosen Grundeinkommen“ ]
Völlig unterschiedliche gesellschaftliche Kräfte fordern das „bedingungslose Grundeinkommen“. Dazu gehören Teile von attac, diverse Erwerbsloseninitiativen und das 2004 gebildete Netzwerk Grundeinkommen, dessen prominenteste Fürsprecherin die Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Katja Kipping ist.
Die FDP postuliert bereits seit den achtziger Jahren ein so genanntes Bürgergeld. Mittlerweile tun sich einzelne führende Unionsmitglieder ebenfalls als Unterstützer dieser Idee hervor: darunter Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus und Bundespräsident Horst Köhler. Bekanntester Anhänger des bedingungslosen Grundeinkommens im Unternehmerlager ist der Drogeriemarktbesitzer Götz Werner.
Die Befürworter des Grundeinkommens in der Linken konnten sich bisher nicht zu einer einheitlichen Position gegenüber diesen „falschen Freunden“ durchringen. Fatal wird es, wenn man anfängt damit zu werben, dass „auch die Unternehmen gewinnen: motivierte MitarbeiterInnen, mehr Risikobereitschaft aufgrund der Einkommenssicherheit, niedrigere Lohnnebenkosten“. So versucht das Netzwerk Grundeinkommen jedenfalls, über Althaus und Co. hinaus den Bürgerlichen das „bedingungslose Grundeinkommen“ schmackhaft zu machen.
Wie hoch soll das BGE sein?
RepräsentantInnen der Linkspartei und der sozialen Bewegungen, die dieses Anliegen verfechten, treten für ein Einkommen oberhalb von Hartz IV ein. Die Vorstöße des Netzwerks Grundeinkommen weisen eine „Schwankungsbreite“ von 800 bis 1.500 Euro auf. Manuel Emmler, Frank Geraets und Thomas Poreski von den Grünen haben ein Modell vorgestellt, in dem sie die Einkommen auf 400 Euro pro Kind, 500 Euro pro Erwerbsfähigen und 700 Euro pro Rentner beziffern (gleichzeitig fallen bei ihnen Kindergeld, Bafög und andere Zuweisungen vollständig weg). Althaus will ebenfalls alle bisherigen Sozialleistungen streichen und wünscht sich wahlweise 800 oder 400 Euro, von denen 200 Euro für die Krankenversicherung vorgesehen sind. Beim höheren Betrag werden für jeden zuverdienten Euro 50 Prozent Steuern, beim geringeren Bürgergeld 25 Prozent fällig. Wegfallen soll bei Althaus außerdem die Arbeitslosenversicherung. Wer derzeit nach Verlust seines Arbeitsplatzes noch Anspruch auf 1.000 Euro und mehr hätte, würde sofort auf 600 Euro abstürzen. Dem dm-Chef Götz Werner schwebt in einer Umstiegsphase ein Grundeinkommen in ähnlicher Höhe vor, das später auf 1.500 oder 1.700 Euro aufgestockt werden darf.
Wie soll das BGE finanziert werden?
Der dm-Chef Götz Werner plädiert für eine Mehrwertsteuer von 50 Prozent. Parallel dazu möchte er alle anderen Steuern – und damit die Unternehmens- und Einkommenssteuern – streichen. Das wäre eine weitere Umverteilung von unten nach oben: Während eine Einkommenssteuer, (eine direkte Steuer), die stark progressiv ansteigt, diejenigen mehr belastet, die mehr haben, müssen bei einer indirekten Steuer wie der Mehrwertsteuer alle den gleichen Betrag für jedes Produkt aufbringen.
Katja Kipping will dagegen wie die Bundesarbeitsgemeinschaft Sozialhilfeinitiativen eine höhere Besteuerung von Einkommen, Vermögen, Börsenumsätzen und Luxusgütern. Die grünen Befürworter streben eine vereinfachte Einkommenssteuer an, die gegenüber dem heutigen Niveau deutlich angehoben werden soll.
Das Ziel des BGE
Für Erwerbsloseninitiativen, attac- und Linkspartei-Mitglieder ist der erklärte Ausgangspunkt das Bestreben, die dramatisch zunehmende Verarmung zu bekämpfen. Für Harald Rein vom Frankfurter Arbeitslosenzentrum richtet sich ein garantiertes Grundeinkommen „gegen den Zwang, Niedriglohn-Jobs oder andere Zwangstätigkeiten annehmen zu müssen, richtet sich gegen Lohnsenkung und Erpressbarkeit von Arbeitnehmern, (…) erlaubt es allen, ihre Besonderheiten, unterschiedlichen Fähigkeiten, Wünsche und Lebensstile unbekümmert zu entfalten, will eine gerechtere Verteilung von Einkommen, will ein universelles Menschenrecht auf ein Leben in Würde, tritt für ein anderes Wirtschaften und sorgsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen ein“ (express 6-7/04).
Ein Anliegen der Gegenseite bringt Thomas Straubhaar vom Hamburger Weltwirtschaftsinstitut auf den Punkt: „Die Lohnnebenkosten sind das dominante Problem auf dem Arbeitsmarkt. Das will ich aufbrechen“ (Stuttgarter Zeitung vom 15. November 2005). Die FDP geht mit ihrem Bürgergeld davon aus, dass niedrige Grundeinkommen einen Sog in den Niedriglohnsektor bewirken. Straubhaar frohlockt: „Die Löhne werden ins Rutschen kommen“ (Frankfurter Rundschau vom 4. Mai 2006). In der Süddeutschen Zeitung vom 2. Juli 2005 redete Götz Werner Klartext: „Nehmen wir an, eine Krankenschwester verdient 2.500 Euro. Nach Abzug des Bürgergeldes müsste das Krankenhaus ihr dann nur noch 1.200 Euro bezahlen.“
Aron Amm ist Mitglied der SAV-Bundesleitung und verantwortlicher Redakteur der Solidarität – Sozialistische Zeitung. Er lebt in Berlin.