WASG-BuVo: Bericht von Lucy Redler

Politische Zusammenfassung der Sitzung des WASG-Bundesvorstands am 3. Februar 07


 

von Lucy Redler, Mitglied des Bundesvorstands

Von den 15 Mitgliedern des Bundesvorstands (nach dem Rücktritt von Felicitas Weck) waren 14 Mitglieder anwesend. Vier Mitglieder nahmen mit Unterbrechung an der Sitzung teil, weil sie ebenfalls an der parallelen Tagung der Sozialistischen Linken teilnahmen, was auch im Bundesvorstand auf erhebliche Kritik stieß. Im Zentrum der Bundesvorstandssitzung stand die Vorbereitung des Bundesparteitags, der Parteibildungsprozess und die Proteste gegen die Rente mit 67.

Die Sitzung begann mit der Bekanntgabe des Rücktritts von F. Weck, die seit dem 15.0.1.07 eine Stelle bei der Linksfraktion im Bundestag angenommen hat. Aufgrund dessen soll beim Bundesparteitag im März eine Nachwahl für diesen Platz im geschäftsführenden BuVo (und falls ein Mitglied des erweiterten BuVos dafür kandidieren sollte, auch eine Nachwahl für einen Platz im erweiterten BuVo) stattfinden.

Es folgte eine Beschlussfassung über die Geschäftsordnung des Bundesvorstands (angenommen bei einer Enthaltung). Ich stelle den Änderungsantrag, dass die Protokolle der BuVo-Sitzungen im internen Bereich der WASG-Website veröffentlicht werden sollen. Dieser Antrag wurde bei zwei Fürstimmen und einer Enthaltung abgelehnt. Der Länderrat tags darauf beschäftigte sich erneut mit dieser Frage.

Kampf gegen die Rente mit 67

Anderthalb Stunden Debatte nahm daraufhin das Thema Proteste gegen die Rente mit 67 ein. Zu diesem Thema lagen dem Bundesvorstand ein Antrag von M. Schlecht und ein Antrag von mir vor. Der Antrag von M. Schlecht lautete sinngemäß, dass der Länderrat alle Gliederungen der Partei auffordern solle, sich an den Aktionen des DGB gegen die Rente mit 67 zu beteiligen.

Mein Antrag stand nicht im Gegensatz zum Antrag von M. Schlecht, sondern ging darüber hinaus. Er sprach sich dafür aus, dass Protestdemonstrationen und vereinzelte Arbeitsniederlegungen nicht ausreichen würden, um die Pläne der Bundesregierung zu stoppen und dass deshalb ein eintägiger Streik- und Protesttag nötig sei. Der Bundesvorstand der WASG solle deshalb den DGB und seine Einzelgewerkschaften auffordern, am 26. Februar (wenn der Bundestag das Thema Rente mit 67 behandelt) einen solchen Streiktag zu organisieren und lokale oder regionale Großdemonstrationen durchzuführen. Der Antrag forderte weiterhin alle Landes- und Kreisverbände auf, für einen solchen Streik- und Protesttag in den Gewerkschaften und sozialen Initiativen zu werben und den Schulterschluss mit Erwerbslosen-, Schüler und Studierendenverbänden zu suchen.

Die folgende Diskussion umfasste mehrere Fragen, die kontrovers diskutiert wurden. Erstens die Frage der momentanen Kampfbereitschaft in den Betrieben. Mehrere Mitglieder des Bundesvorstands wiesen darauf hin, dass die Kampfbereitschaft nicht so groß sei, dass ein eintägiger politischer Streik möglich wäre, was ich auf der Sitzung bestritten habe (u.a. mit Bezug auf internationale Beispiele für Massenstreiks gegen Rentenkürzungen bei niedrigeren Kampftraditionen wie in Österreich im Jahr 2003).

Ein weiteres Argument von M. Schlecht gegen meinen Antrag war, dass der Gegensatz von Basis contra Führung in den Gewerkschaften antiquiert sei. Ich beharrte im Gegensatz dazu darauf, dass wir uns nicht auf Bsirske und Sommer verlassen können, sondern dass in den Gewerkschaften von unten Druck aufgebaut werden muss gegen die Politik der derzeitigen Gewerkschaftsführung.

Ein dritter Streitpunkt betraf die Frage, ob eine politische Partei überhaupt das Recht hat, die Gewerkschaften zu Streikaktionen aufzufordern. Dies wurde von verschiedenen BuVo-Mitgliedern als belehrend oder die Autonomie der Gewerkschaften gefährdend dargestellt. Meine Argumentation war, dass es richtig ist, wenn die Linksfraktion im Bundestag das Recht auf politischen Streik fordert und Oskar Lafontaine in jeder Versammlung von der Notwendigkeit von Generalstreiks spricht. Dass dieses Recht aber nicht im Bundestag per Abstimmung, sondern in den Betrieben durch Streiks erkämpft werden muss. Und dass deshalb die Forderung an den DGB, einen Streik- und Protesttag durchzuführen, die Konkretisierung dessen ist, was Oskar Lafontaine landauf, landab bei Veranstaltungen fordert.

Bei der Abstimmung wurde der Antrag von M. Schlecht einstimmig beschlossen bei einer Enthaltung (ich habe dafür gestimmt). Mein Antrag wurde bei einer Fürstimme und einer Enthaltung abgelehnt. Kollegen des Länderrats haben denselben Antrag mit einer Änderung am Tag darauf bei der Sitzung des Länderrats erneut gestellt. Die Änderung betraf die Ersetzung des Satzes, dass die WASG den DGB auffordert, durch den Satz, dass die Mitglieder der WASG in den Gewerkschaften für einen solchen Streik-und Protesttag Druck machen sollten. Der Antrag bekam eine relevante Anzahl von Stimmen, wurde jedoch knapp verloren (15 dafür, 20 dagegen, 13 Enthaltungen).

Parteibildungsprozess und Beschlussfassung zu Berlin

Unter diesem Tagesordnungspunkt gab es erst einmal einen Bericht über den Parteibildungsprozess in den verschiedenen Bundesländern. Dabei ging es hauptsächlich um die Frage, wie die Übergangslandesvorstände im Fusionsprozess gebildet werden sollen.

Eine gesonderte Aussprache gab es zur Situation in Berlin. Dabei ging es dem geschäftsführenden Bundesvorstand um die Frage, wie die Mitglieder der Minderheit in Berlin in den Fusionsprozess mit einbezogen werden können vor dem Hintergrund, dass die Mehrheit im Landesverband gegen die Fusion ist.

Der geschäftsführende BuVo hatte hierzu einen Antrag vorgelegt, in dem es heißt:

„Der geschäftsführende Bundesvorstand wird beauftragt, die WASG-Mitglieder in Berlin zu ermuntern, den Weg in die neue Linke mitzugehen, und die Delegierten des Landesparteitags vom 10.2.2007 aufzufordern, entsprechende Beschlüsse zu fällen.

Der geschäftsführende Bundesvorstand wird beauftragt, die WASG-Mitglieder in Berlin, die sich auf Basis der vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Vorständen beider Parteien in den Parteibildungsprozess zwischen WASG und Linkspartei.PDS einbringen möchten, zu einer Versammlung einzuladen.

Diese Versammlung dient dem Zweck, die Schritte und Maßnahmen zur konkreten Parteibildung im Landesverband – und davon abgeleitet in den Berliner Kreisverbänden/Bezirksverbänden- vorzubereiten.

Dazu wendet sich der geschäftsführende Bundesvorstands vor dem 10.2.2007 in einem Brief an die WASG-Mitglieder in Berlin und lädt sie für den 29.2.2007 zu dieser Versammlung ein.“

Ich berichtete davon, dass davon auszugehen ist, dass der Landesparteitag in Berlin der Aufforderung der Bundesvorstandsmehrheit nicht folgen wird, weil für eine Mehrheit der Delegierten eine Fusion mit dieser L.PDS, die gerade die Privatisierung der Sparkasse vorbereitet und den Ladenschluss abgeschafft hat, nicht in Frage kommt. Der Antrag des geschäftsführenden Bundesvorstands wurde mit sieben Fürstimmen und zwei Gegenstimmen (Thies Gleiss und ich) beschlossen.

Repräsentanz von Frauen in den Gremien der neuen Partei

Einen größeren Raum bezüglich des Parteibildungsprozesses nahm im übrigen noch die Frage ein, in welchem Verfahren die Frauenquote bei innerparteilichen Wahlen gewährleistet werden soll. Es ging dabei um die Frage, ob die „Frauenplätze“ in einem Wahlgang (wie bei Betriebsratswahlen) oder in zwei getrennten Wahlgängen (wie es die L.PDS derzeit praktiziert) gewählt werden sollten.

Neben qualifizierten Beiträgen zur Debatte gab es eine interessante Meinungsäußerung eines bayrischen Kollegen im Bundesvorstand, der meinte, von einem Frauenplenum, welches nur ein Prozent der Frauen in der WASG vertreten würde, ließe er sich nichts sagen. Die Diskussion um die Frage der Besetzung der Frauenplätze sei unerträglich und mindestens ein so großes Problem wie Berlin.

Nicht nur diese Äußerung brachte an diesem Tag zum Ausdruck, dass eine relevante Minderheit der männlichen Kollegen im Bundesvorstand ein Problem mit der Tatsache haben, dass sich weibliche Kolleginnen organisiert in den Parteibildungsprozess einbringen.

Vorbereitung des Bundesparteitags

Eine wichtige Frage betraf das Abstimmungsverfahren der Gründungsdokumente und des Verschmelzungsvertrags auf dem Parteitag im März.

Dieses soll am Sonntag des Bundesparteitags (nach einer Rede des Kollegen Oskar Lafontaine!) wie folgt ablaufen:

1. Abstimmung der Gründungsdokumente (Satzung, Programm etc) mit einfacher Mehrheit.

2. Politische Abstimmung über die Verschmelzung von WASG und L.PDS mit Zweidrittel-Mehrheit

3. Abstimmung über den Verschmelzungsvertrag mit Dreiviertel-Mehrheit

Diesbezügliche Anträge wurden vom Bundesvorstand mit großer Mehrheit beschlossen.

Thies Gleis beantragte, dass O. Lafontaine nicht so kurz vor den entscheidenden Abstimmungen sprechen soll. Dieser Antrag wurde bei drei Fürstimmung und zwei Enthaltungen abgelehnt.

Thies Gleiss und ich stellten darüber hinaus den Antrag, dass die Bundesvorstandsminderheit unter dem Tagesordnungspunkt „Rechenschaftbericht des Bundesvorstands“ auf dem Parteitag einen Bericht der Minderheit von zehn Minuten halten kann. Dies erschien uns insbesondere deshalb wichtig, weil die Mehrheit des Bundesvorstands aus unserer Sicht wichtige Beschlüsse aus Geseke (z. Bsp. zu Regierungsbeteiligung oder Trennung von Amt und Mandat) in den Verhandlungen mit der LPDS nicht oder nur völlig unzureichend eingebracht hat. Dieser Antrag wurde abgelehnt und es wurde beschlossen, dass Klaus Ernst in seinem Bericht des Bundesvorstands auch differenziert über Minderheitenpositionen berichten solle. Wie das dann aussieht, wissen wir jedoch. Auch beim letzten Bundesparteitag hatte Klaus Ernst den Auftrag die Positionen der Minderheit mit darzustellen. Er verlor nicht einen Satz darüber.

Diskussion zur Mitgliedschaft in der Europäischen Linken (EL)

Neben den Anträgen zum Parteibildungsprozess gab es noch einen Antragsentwurf des Bundesvorstands an den Bundesparteitag, der sich für eine Mitgliedschaft in der Europäischen Linken (EL) aussprach. Der Antrag wurde von Christine Buchholz und Fritz Schmalzbauer vorgestellt. In der Diskussion wurde dann offenkundig, dass die Mehrheit des Bundesvorstands den Eintritt in die EL vollziehen will, ohne die politische Debatte über den Charakter der EL zu führen bzw. den Charakter der EL überhaupt zu kennen. Ich wies in einem Redebeitrag darauf hin, dass es in verschiedenen europäischen linken Parteien, die Teil der EL sind, starke oppositionelle Strömungen gegen die EL gibt und dass es auch eine Vielzahl von Parteien gibt (wie die SP in den Niederlanden, schottische sozialistische Parteien oder relevante Teile der französischen Linken), die nicht Teil der EL sind. Thies Gleiss argumentierte ebenfalls gegen eine Mitgliedschaft in der EL und bezeichnete die EL als einen missglückten Versuch, Gelder zu akquirieren. Christine Buchholz ruderte zurück und gab zu, dass die EL nicht der Weisheit letzter Schluss sei. Dann folgte die bekannte Argumentation, dass man doch aber von innen aus der EL heraus agieren müsse, um mitreden zu können.

Die Diskussion zur EL stand nicht im Zentrum der BuVo-Sitzung, war jedoch eines der eindrücklichsten Beispiele für die politische Kapitulation und Entmündigung des WASG-Bundesvorstands vor der Linkspartei.PDS. Nach dem Motto: Wenn die LPDS möchte, dass die WASG Mitglied in der EL wird, dann machen wir das eben, egal um was es dabei im Genauen geht.

Der Antrag an den Bundesparteitag wurde mit neun Fürstimmen und zwei Gegenstimmen beschlossen.

Organisatorisches zum Parteitag

Der Bundesvorstand diskutierte kurz darüber, ob es ein neues, der LPDS ebenbürtiges Bühnenbild beim Bundesparteitag geben solle. Angesichts der finanziellen Probleme der Partei wurde diese Idee zum Glück erstmal eher verworfen, wenn es auch noch nicht abschließend geklärt ist.

Bezüglich der Fahrtkostenregelung für Delegierte wurde einstimmig ein Zuschuss-System in Höhe von 20.000 Euro beschlossen, demzufolge die Landesverbände feste Zuschüsse vom Bundesvorstand erhalten, die für die Reisekosten für Delegierte, deren Einkommen unterhalb der Pfändungsgrenze (989 Euro) liegt, ausgegeben werden sollen. Alle, die für den nächsten Bundesparteitag diese Zuschüsse in Anspruch nehmen wollen, müssen sich demzufolge an ihre/n Landes- bzw. KreisschatzmeisterIn wenden. Die Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Zuschüsse ist die Zahlung der Mitgliedsbeiträge. Berlin erhält in diesem Plan 2000 Euro. Ein Hinweis zu den Übernachtungen: Es empfiehlt sich, frühzeitig Übernachtungen zu buchen. Ich habe bei der BuVo-Sitzung zudem die Frage einer zusätzlichen kostenlosen Bettenbörse angesprochen und werde deswegen in NRW noch einmal nachhaken, ob das möglich wäre.

Der Bundesvorstand schlug dem Länderrat zudem ein Tableau für ein Präsidium vor. Die Antragsberatungskommission muss nicht neu gewählt werden, weil der Länderrat die letzte ABK für beide Parteitage gewählt hat.

Finanzen und Mitgliederentwicklung

Dem Bundesvorstand lag eine Vorlage vor, der zu Folge seit Oktober 2006 589 Mitglieder die Partei verlassen haben. Neu eingetreten sind in dem Zeitraum 567 Mitglieder. Bei wie vielen es sich dabei um Doppelmitgliedschaften handelt, ist unbekannt. Ein Teil (ca. 20%) von Mitgliedbeitrags-rückständen konnte mittlerweile mobilisiert werden. In der zweiten Februarwoche werden nun Mahnungen an die säumigen Mitglieder rausgesandt mit einer Fristsetzung von vier Wochen. Die Landesschatzmeister und Landesmitgliederverwalter wird eine dies bezügliche Namensliste zugesandt. Mitglieder, die in dem Zeitraum von vier Wochen nicht nachzahlen, werden aus der Mitgliederliste gestrichen. Es ist anzunehmen, dass diese Maßnahme nicht zuletzt mit der geplanten bundesweiten Urabstimmung zu tun hat, bei der ein gutes Ergebnis verzeichnet werden soll.

Weiterhin wurde eine Finanzplanung für das erste Halbjahr beschlossen. Auch für den Parteitag im Juni werden entsprechend des Beschlusses aus Geseke die Fahrtkosten für Mitglieder deren Einkommen unter der Pfändungsgrenze liegt, übernommen.

Sonstiges

Zu Schluss wurden verschiedene Anträge beschlossen. Unter anderem wurde auf meinen Antrag hin eine Solidaritätserklärung des Bundesvorstands mit AntikriegsaktivistInnen in Sri Lanka, gegen die Morddrohungen veröffentlicht wurden, beschlossen. Mehr als überrascht hat mich, dass es bei der Beschlussfassung zu diesem Antrag auch drei Gegenstimmen gab (7 dafür:3 dagegen: 3 Enthal-tungen) und dass ein Bundesvorstandsmitglied meinte, dass ja täglich Menschen sterben würden und dass wir uns dann in dieser Logik täglich mit solchen Resolutionen beschäftigen müssten!

Der Stand der G8-Kampagne wurde erläutert. So wurde beispielsweise ein Gewerkschafteraufruf gegen Standortkonkurrenz und weltweites Lohndumping gestartet.

06.02.07