Welche Forderungen und Kampfmaßnahmen sind nötig?
Während in den vergangenen Jahren die Gewinne der Unternehmer explodierten, mussten die ArbeitnehmerInnen eine lange Liste von Verschlechterungen hinnehmen.
Bei den anstehenden Tarifrunden – bei Chemie, Bau, Metall, Druck und Einzelhandel in diesem Frühjahr – bietet sich die Möglichkeit, einen Teil von dem zurück zu holen, was der arbeitenden Bevölkerung in letzter Zeit genommen wurde. Von besonderer Bedeutung ist die Metall-Tarifrunde angesichts der potenziellen Stärke der IG Metall.
von Pablo Alderete, Stuttgart
- Für eine Forderung von 9,5 Prozent Lohnerhöhung
- Für mindestens 250 Euro Festgeld
- Tabellenwirksame Erhöhung statt Einmalzahlungen
- Keine Kompensationsgeschäfte
- Eine Laufzeit von zwölf Monaten
- Rücknahme der im Pforzheimer Abschluss vereinbarten Verbetrieblichung
- Kein Abschluss ohne Urabstimmung
Während der Unternehmeranteil am Volkseinkommen drastisch steigt, geht der Arbeitnehmeranteil zurück. Das drückt sich in der so genannten Lohnquote aus, die den Anteil der Löhne und Gehälter am Volkseinkommen misst. Sie ist von 72 Prozent (2000) auf 67 Prozent im Jahr 2005 gesunken. Verstärkt wird dieser Prozess durch die Regierungspolitik. Egal ob SPD und Grüne oder SPD/CDU/CSU – Hartz IV, Mehrwertsteuererhöhung, Renten“reform“ und so weiter. Auf der anderen Seite werden die Unternehmenssteuern gesenkt.
Offensive des Kapitals
Neoliberale Politik setzt darauf, durch eine schärfere Ausbeutung der Lohnabhängigen die deutschen Kapitalisten im mörderischen Konkurrenzkampf mit anderen Ländern und anderen Firmen in eine bessere Position zu bringen. Deutschland hat hier jüngst einige Länder ein- und überholt.
Die Gewerkschaften haben diesem Generalangriff bisher wenig entgegengesetzt. Die Wut der Beschäftigten ist immer wieder an die Oberfläche geschwappt, aber die Spitzengewerkschafter sind nicht bereit, eine Gegenstrategie zu entwickeln (wobei es Unterschiede im Auftreten und in der Vorgehensweise gibt). Viel mehr haben sie die Marktgesetze des Kapitalismus so weit verinnerlicht, dass sie es als Aufgabe ansehen, „ihren“ Kapitalisten oder „ihren“ Standort zu verteidigen. Dieses Co-Management geht weit über die frühere „Sozialpartnerschaft“ zwischen Kapital und Arbeit hinaus.
Tarifforderungen
Die IG Metall will nach bisherigen Verlautbarungen mit einer Forderung um die 6,5 Prozent in die Verhandlungen gehen. Der IGM-Vorstand beschließt am 6. Februar [nach Redaktionsschluss] die offizielle Forderungsempfehlung. Das Ergebnis wird Vorbildcharakter für andere Branchen haben.
In den letzten Jahren hat sich häufig die Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) dazwischen geschoben. Sie wird von Hubertus Schmoldt geführt, der sich offener als andere Gewerkschaftschefs auf die Seite der Unternehmer und der Regierung schlägt. Die Gewerkschaftsproteste gegen die Sozialreformen der Schröder- und Merkel-Regierung attackierte dieser Schröder-Freund heftig. Dieses Jahr geht die IG BCE ohne konkret bezifferte Lohnforderung in die Verhandlungen.
Die Spitzenfunktionäre von IGM und ver.di müssen an ihren Worten gemessen werden. Der Betriebsratschef von DaimlerChrysler, Erich Klemm, sagte: „6,5 Prozent sind eine ordentliche Größe […]. Wir werden aber heftig dafür kämpfen müssen, um dieses Ziel auch zu erreichen.“ Und ver.di-Chef Frank Bsirske rief 2007 zum „Jahr der Lohnerhöhungen für alle“ aus.
Die IGM-Wirtschaftsexperten gehen von einer Preissteigerung (Inflation) von zwei Prozent aus, und von einem Produktivitätszuwachs von 4,5 Prozent. Somit halten sie 6,5 Prozent für „finanzierbar“. In der Gesamtwirtschaft sehen sie den „verteilungsneutralen“ Spielraum bei 4,1 Prozent (IG-Metall-direkt, 1/2007). Diesen Ansatz halten SozialistInnen für falsch. Selbst wenn 6,5 Prozent erreicht werden, wirken sie nicht „verteilungsneutral“. Die Firmen würden trotzdem Gewinne machen. Diese Gewinne werden von den Beschäftigten erarbeitet und von den Kapitalisten privat angeeignet.
Bei Porsche forderte die Belegschaft 9,5 Prozent, bei DaimlerChrysler Untertürkheim acht Prozent, bei DaimlerChrysler Wörth (Lkw-Werk) 9,5 Prozent. Aus gutem Grund. Den Beschäftigten wird immer mehr abverlangt (Arbeitsdruck, Überstunden und so weiter). Zudem schrauben sich viele Belastungen Schritt für Schritt in die Haushaltskassen von Arbeiterfamilien. Viele Beschäftigte registrieren mit Ohnmacht und Wut, wie die Gehälter der Spitzenmanager in astronomische Höhen steigen.
In den Vorstandsetagen knallen die Sektkorken, die Autoindustrie hatte 2006 die besten zwölf Monate seit Jahren. Aber auch bei vielen kleineren Firmen darf man auf Rechentricks nicht reinfallen. Der Schokoladenhersteller Ritter Sport, der im kleinen Örtchen Waldenbuch produziert, veröffentlichte zuletzt für 2004 ein Minus von 850.000 Euro, aber die Jahre zuvor verbuchte er regelmäßig einen Gewinn von zwei Millionen Euro.
Tarifforderungen
Die Metall-Bosse werden sicher versuchen, die Prozentforderung runter zu verhandeln. Und hoffen dabei, die IGM wie das letzte Mal weichzukochen (Forderung fünf Prozent, Abschluss drei Prozent). Ob das gelingt, wird von der Stimmung und vom Druck an der Basis abhängen – aber auch von der Rolle der Gewerkschaftslinken. Nötig ist es, in den Betrieben und in der Gewerkschaft Argumente und entsprechendes Material zu liefern, sowie Initiativen bei der Frage von Forderungen und Kampfschritten zu ergreifen (Anträge, Unterschriftensammlungen, Aktionen und so weiter).
Im letzten Tarifkonflikt wurde eine ertragsabhängige Einmalzahlung vereinbart. Sie konnte in den einzelnen Betrieben zwischen 0 und 620 Euro betragen. Damit wurden zum einen schlecht organisierte Belegschaften im Stich gelassen, und zum anderen wird der Flächentarif weiter aufgerissen. Auf Einmalzahlungen – egal, in welcher Form – darf sich die IG Metall auf keinen Fall einlassen. Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Martin Kannegiesser, sagte, er plädiere für eine Lohnsteigerung mit zwei Komponenten – einer tabellenwirksamen Erhöhung und einer erfolgsabhängigen Einmalzahlung. Diese komplizierte Umschreibung bedeutet, dass nur ein Teil der künftigen Lohnerhöhung den Tabellenlohn erhöhen würde. Der andere Teil würde nach der Laufzeit vom Tarifvertrag wieder wegfallen. Dieses Beispiel zeigt ein anderes, generelles Problem auf. Viele Tarifabschlüsse und Betriebsabkommen (wie zum Beispiel das Kürzungspaket bei DaimlerChrysler 2004) sind so verklausuliert, dass nur Spezialisten im Gewerkschaftsapparat den Durchblick haben. Für die Basis ist es noch schwieriger, den eigenen Funktionären auf die Finger zu sehen.
Wofür kämpfen?
Die bei DaimlerChrysler in Wörth aufgestellte Forderung von 9,5 Prozent sollte von der IG Metall bundesweit erhoben werden. In Wörth wurde außerdem postuliert, dass mit den 9,5 Prozent mindestens ein Festgeldbetrag in Höhe von 250 Euro erreicht werden soll. Das ist deshalb nötig, weil damit die Einkommensschere innerhalb der Belegschaft – anders als bei Prozentbeträgen – nicht weiter auseinander klafft.
9,5 Prozent beziehungsweise 250 Euro Festgeld, keine Einmalzahlungen, keine betrieblichen Komponenten – damit ließe sich enorm mobilisieren. Denn damit würde nicht nur der Inflation und der Produktivitätssteigerung Rechnung getragen, sondern ein erster Schritt getan, die Umverteilung von unten nach oben zu stoppen und umzukehren. Die IG Metall sollte alles daran setzen, zu mobilisieren, statt sich runter handeln zu lassen, mit dem Ziel, die Forderung voll durchzusetzen.
Was, wenn die Verhandlungen scheitern?
Die Verhandlungen sollten in den Betrieben vorbereitet werden, indem Betriebsversammlungen organisiert und die Forderungen sowie die Kampfstrategie diskutiert werden. Damit muss umgehend – anknüpfend an die Proteste gegen die Rente mit 67 – begonnen werden, um den Schwung mitzunehmen und eine Verbindung des Lohnkonfliktes mit dem Widerstand gegen die Regierungspläne herzustellen. Demos müssen organisiert werden, um an Beschäftigte anderer Bereiche, an Jugendliche, RentnerInnen, Erwerbslose zu appellieren, den Lohnkampf zu unterstützen – weil er auch sie angeht. Außerdem kann damit Druck auf die Verhandlungen ausgeübt werden. Es gilt, rechtzeitig eine Warnstreikwelle vorzubereiten. Am 28. April endet die Friedenspflicht.
Sollte es zu einem Scheitern der Verhandlungen und zu einer Urabstimmung kommen, ist es wichtig, dass durch Linke, kämpferische AktivistInnen und Oppositionsgruppen dahin gehend eingewirkt wird, dass die IGM-Spitze den Streik nicht mit angezogener Handbremse führt. Das heißt, möglichst massiv und möglichst einheitlich viele Belegschaften rauszuholen. Es wäre die Gelegenheit, die Brücke zu anderen Branchen und anderen Tarifkonflikten zu schlagen und eine starke Bewegung gegen die Angriffe des Kapitals zu entfachen.