Unter der Überschrift „get up, stand up“ fand vom 19. bis 21. Januar 2007 der „Hochschulkongress für eine neue Linke“ statt. Die Teilnahme von offiziell 500 Studierenden, WissenschaftlerInnen und GewerkschafterInnen aus rund 40 Städten bezeugte, dass es ein großes Interesse an einer linken Hochschulvertretung und an einer bundesweiten Vernetzung gibt.
von Angelika Teweleit, Berlin
Viele waren Mitglieder der Linkspartei.PDS oder standen ihr nahe, andere waren unorganisiert und interessiert an einem Angebot auf der Linken. Die SAV hatte Flugblätter unter dem Titel „für eine linke Jugendbewegung – radikal, demokratisch, sozialistisch, unabhängig!“ verteilt. Hiermit trafen wir die Stimmung bei vielen TeilnehmerInnen des Kongresses. Es wurde bald deutlich, dass viele eine bundesweite Linke an den Hochschulen begrüßen und mit aufbauen wollen – allerdings nicht als Anhängsel der Linkspartei.PDS.
Bereits am ersten Februar-Wochenende soll es die ersten Entwürfe für Satzung und Programm geben. Im Mai soll es dann einen Gründungskongress für einen bundesweiten linken Hochschulverband geben. Einige sprachen von einem neuen „SDS“, andere davon, dass nur Linkspartei.PDS Mitglieder stimmberechtigt seien. Es bleibt offen, ob dieser Gründungskongress einen Beschluss fällt, Nicht-Mitgliedern der Linkspartei dann ebenfalls Stimmrecht zu erteilen. Nicht entschieden ist, wie stark die Anbindung an die Partei letztlich sein wird. Auch davon wird abhängen, wie attraktiv dieser neue Verband sein wird.
Kontroverse Diskussion um Berliner Regierungs-Praxis
Zwei Fragen wurden immer wieder polarisiert diskutiert: Zum einen die Regierungsbeteiligung der PDS in Berlin – wie kann eine neue Linke aufgebaut werden, wenn sie sich selbst am Sozialabbau beteiligt? Die andere Frage war die der Gesellschaftsalternative und des Sozialismus.
Schon bei der ersten Podiumsdiskussion mit Oskar Lafontaine, Katja Kipping, dem Jenaer Professor Klaus Dörre und der ver.di-Vertreterin Sybille Stamm zum Thema Prekarisierung stellte Peter Pfaffe, SAV-Mitglied von der Uni in Augsburg, die Frage des rot-roten Senats in Berlin zur Diskussion: schließlich seien Ein-Euro-Jobs Bestandteil des Prekarisierungs-Prozesses. Wenn es also darum gehe, die „neoliberale Hegemonie“ zu durchbrechen, wie die RednerInnen betonten, wie geht das dann zusammen mit den rund 35.000 Ein-Euro-Jobs in Berlin?
Oskar Lafontaine hatte in seiner Einleitung ein sehr radikale Rede gehalten: er hielt die lokalen politischen Streiks gegen die Rente mit 67 für richtig – es müsse eigentlich flächendeckende Streiks geben. In seiner Antwort auf die Fragerunde hielt er auch fest, dass wir in einer Klassengesellschaft leben und dass es innerhalb des kapitalistischen Systems keine Lösung für die Probleme gebe.
Bei seiner Antwort auf Peters Frage allerdings klaffte die Schere zwischen Theorie und Praxis und es wurde wieder das altgediente Einheits-Argument angeführt. Er, Lafontaine, würde auch nicht alles gutheißen, was die Linkspartei.PDS in Berlin mache, aber es ginge doch um die Einheit der Linken, die nicht gefährdet werden dürfe.
Viele TeilnehmerInnen waren allerdings mit dieser Antwort nicht zufrieden und in der Folge wurde immer wieder die Regierungsbeteiligung in Berlin kritisiert und betont, dass linke Politik nicht heißen kann, links zu blinken und rechts abzubiegen. Besonders in der Debatte am Samstag Abend, als die stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei.PDS Katina Schubert auf dem Podium saß, wurde der Unmut über die „Real“-Politik der Linkspartei.PDS, unter der zehntausende BerlinerInnen zu leiden haben, lautstark geäußert.
Sozialismus
In vielen Debatten und work shops wurde auch die Frage von Globalisierung und Neoliberalismus diskutiert – so auch auf dem Podium am Sonntag früh. Hier wurde von seiten des Podiums ein reformistisches Konzept klar favorisiert: Sowohl Bernd Riexinger (ver.di-Linke und WASG Baden-Württemberg) als auch Elmar Altvater zogen Rosa Luxemburgs Schrift „Refom oder Revolution“ heran. Allerdings stellten sie deren Inhalt auf den Kopf. Sie stellten den Kampf um Reformen als die wesentliche Aufgabe dar, die Gesellschaftsveränderung (Sozialismus wurde hier auch nur vage formuliert) sei das Ziel für eine unbestimmte Zukunft, auf die man nicht warten könne. Laut Rosa Luxemburg ist der notwendige Kampf um Reformen aber unmittelbar mit dem revolutionären Kampf beziehungsweise dem Erklären einer notwendigen sozialistischen Veränderung verbunden. Im Gegensatz zu Bernstein, auf den sie in ihrer Schrift eingeht, ist für sie gerade nicht „der Weg das Ziel“.
Altvater und Riexinger polemisierten gegen den Vorschlag der SAV, als Linke auch die Frage der Gesellschaftsalternative, nämlich einer sozialistischen Gesellschaft in die Anti-G8 Kampagne einzubringen. Ihrer Ansicht nach könne es nicht darum gehen, der Anti-G8-Bewegung ein sozialistisches Programm vorzuschreiben und die BündnispartnerInnen aus der Kampagne rauszuwerfen.
Dies war natürlich niemals der Vorschlag der SAV, und so äußerten einige zu uns, dass sie den Eindruck bekommen hätten, es ginge von Seiten des Podiums darum, auf Biegen und Brechen sozialistische Perspektiven aus der Debatte rauszuhalten. Ein Teilnehmer fragte treffend: „Wie kann man für eine andere, gerechtere Gesellschaft kämpfen, wenn man mit den Leuten nicht über Sozialismus sprechen will?“
Bei der Frage unterschied sich auch die Gruppe Linksruck nicht von den Akteuren der Linkspartei.PDS- und WASG-Führung. Zwar versicherten LinksruckvertreterInnen in informellen Gesprächen, dass auch sie für Sozialismus einträten, aber in ihren Reden äußerten sie lediglich Kritik am Kapitalismus, über Sozialimus als Alternative sprachen weder Christine Buchholz noch andere LinksruckvertreterInnen auf dem Podium.
Für eine radikale, demokratische, sozialistische und unabhängige Jugendbewegung!
Insgesamt waren die Debatten lebendig, und zeigten auch, dass ein beträchtlicher Teil der KongressteilnehmerInnen nach einer Systemalternative sucht. Klar ist, dass es keinen Bedarf für einen weiteren angepaßten Verband gibt. Nötig ist eine antikapitalistische, kämpferische, sozialistische Alternative an den Hochschulen. Eine wichtige Vorraussetzung wird sein, dass ein solcher Verband unabhängig, offen und demokratisch organisiert ist, um für die wachsende Anzahl von linken und antikapitalistisch gesinnten Studierenden wirklich attraktiv zu sein.