Am 23. November 2006 organisierte die Kampagne für gewerkschaftliche Rechte in Pakistan (TURCP) ihre erste landesweite Konferenz im Press Club von Lahore. Über 300 GewerkschaftsführerInnen und -aktivistInnen aus allen Landesteilen nahmen an diesem Treffen teil.
Damit waren 88 verschiedene Gewerkschaften des privaten wie öffentlichen Sektors vertreten. Kaum eine Branche also, die bei dieser Zusammenkunft nicht vertreten war.
von Fazal Abbas Shah und Rukhsana Manzoor, TURCP (Kampagne für gewerkschaftliche Rechte Pakistans), Lahore, Pakistan (28. November 2006 )
Darüber hinaus erfuhr die Konferenz große Beachtung in den landesweiten Medien. Neun landesweit erscheinende Zeitungen und vier Fernsehsender berichteten über die Versammlung. In einer überfüllten Veranstaltungshalle wurde eine Konferenz abgehalten, die von Kampfgeist und Enthusiasmus geprägt war. Der Erfolg dieser Zusammenkunft bestand aber nicht nur in der hohen Teilnehmerzahl, auch die Entscheidung, einen konzertierten Kampf gegen die arbeitnehmerfeindliche Politik und Gesetzgebung des Musharraf-Regimes auf einer gemeinsamen Grundlage durchzuführen, stellte einen großen Schritt vorwärts dar.
Das Treffen ermöglichte nicht nur Diskussionen und Austausch unter GewerkschafterInnen und innerhalb der Arbeiterklasse über die Probleme, mit denen die Bevölkerung tagtäglich konfrontiert ist, sondern es eröffnete den verschiedenen anwesenden Gewerkschaften auch die Möglichkeit, Strategien für den vereinigten Kampf gegen die neoliberalen Angriffe der Kapitalisten zu entwerfen. Die Anwesenheit von so vielen VertreterInnen der Gewerkschaften des öffentlichen und des privaten Sektors zeigt das Ansehen und Vertrauen, das die TURCP unter GewerkschafterInnen und ArbeiterInnen in Pakistan entgegengebracht wird. Unter den TeilnehmerInnen der Konferenz waren RepräsentantInnen der 15 größten Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, welche 600.000 Mitglieder haben, und der vier größten Gewerkschaftsdachverbände, die nahezu zwei Millionen Beschäftigte im privaten wie im öffentlichen Sektor vertreten.
Die TURCP-Konferenz war eines der größten Gewerkschafts-Treffen des vergangenen Jahrzehnts. Viele altgediente Gewerkschaftsführer brachten ihre Begeisterung über die Größe der Konferenz zum Ausdruck. Einige von ihnen sagten, dass sie nie gedacht hätten, dass eine solch große und repräsentative Veranstaltung von GewerkschaftsaktivistInnen in der momentan schwierigen politischen Lage überhaupt möglich sein könne , weil Frustration, Enttäuschung und Desillusionierung innerhalb der Arbeiterklasse auf einem Höhepunkt sind.
Die Versammlung brachte auch die volle Unterstützung und Solidarität mit den vom Erdbeben betroffenen ArbeiterInnen im von Pakistan verwalteten Kaschmir zum Ausdruck. Aus drei Bezirken Kaschmirs waren Gewerkschaftsführer gekommen, um an dem Treffen teilzunehmen. Sie beschrieben die fürchterlichen Bedingungen, unter denen die ArbeiterInnen in Kaschmir gezwungen sind zu leben.
Die Haupt-Debatte auf der Versammlung war auf das Thema „Globalisierung, heutige Politik, wirtschaftliche und soziale Krise und die Rolle der Gewerkschaften“ gerichtet. Khalid Bhatti, scheidender landesweiter Organisator der Kampagne, eröffnete die Debatte, die drei Stunden andauerte und in der 21 Beiträge gemacht wurden. Viele TeilnehmerInnen beschrieben diese Diskussion als die beste, die sie zu diesen Aspekten je gehört hatten. Es handelte sich hierbei nicht lediglich um eine Diskussion, sondern um eine tiefgreifende Analyse der Entwicklungen und der Richtschnur gewerkschaftlicher Aktion. Sogar einige Journalisten waren erfreut, einer derart reichhaltigen Diskussion auf einer Arbeiter-Konferenz beizuwohnen. Die meisten RednerInnen unterstrichen die Notwendigkeit des Aufbaus einer Arbeiterpartei, um die Interessen der arbeitenden Menschen zu verteidigen. Sämtliche führenden Gewerkschaftsmitglieder und AktivistInnen unterstützten die Idee einer Arbeiterpartei.
Azad Qadri, Generalsekretär der TURCP, und Rukhsana Manzoor, Landesschatzmeisterin der Kampagne, nahmen ebenfalls an der Debatte teil und erklärten, weshalb die Arbeiterklasse eine politische Stimme braucht.
Am auffälligsten an der TURCP-Tagung war, wie sehr die Wut über das momentane Regime und das verrottete kapitalistische System von den GewerkschafterInnen ausgedrückt wurde.
Die Konferenz forderte die sofortige Aufhebung des Arbeitsgesetzes IRO2002, die Außerkraftsetzung der Industriepolitik von 2003 und des Finanzgesetzes 2006.
RednerInnen betonten die Notwendigkeit für vereinigte Kämpfe, um Rechte durchzusetzen und die Angriffe des freien Marktes zu stoppen. Es herrschte allgemeine Übereinstimmung darüber, dass ArbeiterInnen und Gewerkschaften ohne Kampf und Arbeitereinheit nicht in der Lage sein werden, ihre Rechte verteidigen zu können. RednerInnen sagten, dass die jetzige Situation, der sich die Gewerkschaftsbewegung gegenüber sieht, das Ergebnis einer kompromisslerischen Vorgehensweise, des Verrats und Opportunismus der Mehrheit der Gewerkschaftsführer ist. Sie sagten, dass neue, kämpferische Gewerkschaftsführer und demokratische Gewerkschaften nötig sind, um die Arbeiterbewegung zu stärken. Die Probleme, denen sich die Arbeiterklasse gegenüber sieht, können nur durch Kampf, Streik, Demonstration und Streikposten gelöst werden. Der Kampf ist der Weg voran, doch dies setzt korrekte Strategie und Taktik voraus.
Redner aus den Betrieben Telecom, von den Eisenbahngesellschaften, der Post- und Luftfahrtbetriebe, aus den Stahlhütten und LehrerInnen zollten der TURCP ihre Anerkennung dafür, dass diese aktiv eine Schlüsselrolle in ihren jeweiligen Kämpfen gespielt hatte. Für die konsequente Unterstützung ihrer Kämpfe bedankten sie sich bei der TURCP. Sie sagten, dass sie durch die von der TURCP organisierten Soliaktionen in der Praxis über Arbeitersolidarität und Internationalismus lernen konnten. Sie sagten ihre Unterstützung für weitere TURCP-Kampagnen zu. Auch dankten sie dem CWI für seine kontinuierliche Unterstützung der pakistanischen Gewerkschaftsbewegung. Führende Vertreter der PTCL (Postbeschäftigte) brachten ihre besondere Verbundenheit mit den GenossInnen des CWI für die Organisierung der internationalen Proteste zur Unterstützung des historischen PTCL-Streiks 2005 zum Ausdruck.
Die HauptrednerInnen der Konferenz waren Azad Qadri, Khalid Bhatti, Fazal Abbass Shah, Rukhsana Manzoor, Fazl-e-Wahid, Amin Bhatti, Hameed Chana, Azam Janjuah, Baboo Ladhu, Talaat Mehmood, Sardar Khalid Mehmood, Sardar Imtiaz, Tauqeer Gillani, Muhammad Ramazan, Waqar Jaafri Mirza Fazal Ilahi, Lala Muhammad Hanif, Arshad Chaudhary, Zahoor Khan, Malik Anwer.
Neu gewählte Führung
Die TURCP wählte auf der Tagung auch ein neues Exekutivkomitee und die Bürokräfte. Diese sind:
Präsident – Faqir Hamiaty, Karachi Stahlhütten
Generalsekretär – Azad Qadri, PTCL (Telekom)
Landesweiter Koordinator – Fazal Abbas Shah, Postamt
Vorsitz – Amin Bhatti, Pakistan Electric Company
Schatzmeisterin – Rukhsana Manzoor, Arbeiter-Föderation Muttahida, Pakistanische Arbeiterkonföderation
Verantwortlicher für internationale Angelegenheiten – Khalid Bhatti, PTCL (Telekom)
Koordinator für das Gebiet Sindh – Hameed Chanah, Lehrergewerkschaft
Koordinator für das Gebiet Punjab – Talaat Mehmood Aasim, Gewerkschaft RMS
Regionale Versammlungen der TURCP sollem in allen vier Provinzen Pakistans im Jahr 2007 stattfinden.
Resolutionen
Folgende Resolutionen wurden auf der Konferenz einstimmig beschlossen:
Rücknahme von IRO2002, Labour Policy 2002, Beseitigung der Service Presidential Ordinance 2000 und Industrial Policy von 2003.
Das Verbot der Lehrergewerkschaft in Sindh muss sofort aufgehoben werden und die entlassenen Vorstände der Lehrergewerkschaft müssen sofort wieder eingestellt werden.
Stoppt die Privatisierung von öffentlichen Körperschaften und Diensten. Vergesellschaftet Industrie, Banken, Versicherungsunternehmen und Dienstleistungen unter demokratischer Kontrolle der Arbeiterklasse.
Stoppt die Privatisierung im Bildungs- und Gesundheitsbereich. Freie Bildung und Gesundheitsversorgung für alle.
Streicht alle gegen die Arbeiterklasse gerichteten Abkommen mit IWF, Weltbank, WTO und anderen imperialistischen internationalen Finanzinstitutionen.
Der Mindestlohn muss bei 10.000 Rupien monatlich festgesetzt werden (entspricht 124,- EUR; Anm. d. Übers.).
Der Benzinpreis, der Preis für Energie und Lebensmittel muss um 50% gesenkt werden –Schluss mit den Preissteigerungen!
Gewerkschaftliche Rechte für alle ArbeiterInnen des privaten wie öffentlichen Sektors. Schluss mit dem anti-gewerkschaftlichen Vorgehen der Privatkonzerne.
Abschaffung sämtlicher diskriminierender Gesetze gegen Frauen, gleiche Bezahlung und Rechte auch für Arbeiterinnen.
Schluss mit den Morden, Entführungen und dem Krieg in Sri Lanka. Die Morddrohungen gegen den Genossen Generalsekretär der United Socialist Party in Sri Lanka (CWI) müssen aufhören.
Beendet die Abschiebungen der kurdischen Flüchtlinge aus dem griechischen Teil Zyperns. Asylrecht für alle Familien der kurdischen Flüchtlinge.