11.000 Arbeitsplätze sind akut betroffen
Am Dienstag, den 21. November gab die VW-Konzernspitze bekannt, dass 4.000 von 5.400 Beschäftigte bei VW-Vorst in Brüssel entlassen werden sollen. Volkswagen will die Produktion des Golfs in Belgien beenden. Damit ist die Schließung des ganzen Werkes in Brüssel nur eine Frage der Zeit. Unmittelbar sind – die Zuliefererfirmen berücksichtigt – 11.000 Jobs in Gefahr.
von Tina De Greef, Köln
Alle traditionellen Parteien in Belgien geben sich erschüttert: Trotz Unternehmenssteuersenkungen und Investitionshilfen in Höhe von 35 Millionen Euro will Volkswagen in Belgien jetzt die Zelte abreißen. Funktioniert ihr Kapitalismus doch nicht so, wie sie gern predigen?
Lediglich die rechtsextreme Partei Vlaams Belang fällt aus der Rolle, vergießt keine Krokodilstränen, sondern erklärt, dass die Beschäftigten auf Grund zu hoher Gehälter selber schuld seien.
Sanierung der Profite
Vor zehn Jahren machte Renault das Werk im belgischen Vilvoorde dicht, obwohl es als sehr produktiv galt. Produktiv ist auch das VW-Werk im Brüsseler Stadtteil Vorst. Trotzdem steht auch hier die Schließung an. Da auch die Autofabriken von Opel in Antwerpen, Volvo in Gent und das, was von Ford in Genk noch besteht, in den nächsten Jahren dichtmachen könnten, ist es denkbar, dass es in Belgien bald keine Autoproduktion mehr gibt.
Warum? Weil in der Autobranche enorme Überkapazitäten existieren.
Die Herren in den VW-Chefetagen planen, 20 Prozent der Produktionskapazitäten in Westeuropa zu streichen. Dieses Krisenprogramm ist ein Programm zur gewaltigen Steigerung der Profite. Ziel ist bis 2008 ein Gewinn von 6,5 Milliarden Euro; im Jahr 2004 erzielte VW noch einen Gewinn von 1,1 Milliarden.
Streik und Solidarität
Gemeinsamer Widerstand ist das Gebot der Stunde. Die ArbeiterInnen in Brüssel streiken schon seit dem 17. November. Vorübergehend gingen sie auch zur einer teilweisen Besetzung des Werkes über, um den Abtransport von Produktionsteilen zu vereiteln. Außerdem wurde stundenlang die wichtigste Straße im Stadtteil Vorst blockiert. Am 2. Dezember gibt es eine internationale Solidaritätsdemonstration in Brüssel. Beschäftigte mehrerer Zulieferfirmen, da-runter Meritor, Johnsson Control und Alcoa, marschierten bereits zu den Streikposten, um ihre Solidarität zu bekunden.
Die Kampfbereitschaft ist vorhanden. Statt faule Kompromisse auszuhandeln, (oder sich gar wie der Ex-Betriebsratsvorsitzende Klaus Volkert über sein Gehalt von 60.000 Euro im Monat weiter zu bereichern), muss die Gewerkschafts- und Betriebsratsführung in Belgien, Deutschland und europaweit endlich die Kräfte bündeln und Widerstand organisieren. Nötig sind gemeinsame Proteste, Arbeitsniederlegungen und eine aktive internationale Solidaritätskampagne. Da auf die heutige Gewerkschaftsspitze kein Verlass ist, müssen Vertrauensleute und betriebliche AktivistInnen zusammenkommen und eine Kampfstrategie sowie Alternativen zu den Kahlschlagsplänen ausarbeiten. Unmittelbar sollten die Streikenden im Vorst-Werk eine Streikleitung wählen und regelmäßige Streikversammlungen organisieren.
Das Komitee für eine andere Politik, das kürzlich von GewerkschaftsaktivistInnen, SozialistInnen und anderen Linken ins Leben gerufen wurde, organisiert bereits tatkräftig Solidaritätsarbeit. Die SAV-Schwesterorganisation LSP/MAS war an der Gründung dieses Komitees maßgeblich beteiligt und bringt sich mit aller Kraft in die Solidaritätskampagne für die streikenden VW-KollegInnen ein.
Lohnverzicht rettet keine Arbeitsplätze
Ende September ließ sich die IG-Metall-Führung bei Volkswagen auf Arbeitszeitverlängerung für die 100.000 VW-Beschäftigten ein, ohne dass ihre Löhne steigen.
Nachdem Arbeitszeiten und Löhne bei VW in Westdeutschland Anfang der neunziger Jahre gesenkt wurden, sollen die KollegInnen von nun an statt 28,8 Stunden 33 Stunden pro Woche arbeiten.
Diese Vereinbarung war die Steilvorlage für das Aus von Tausenden VW-KollegInnen in Belgien. Damit werden aber auch die Arbeitsplätze in Deutschland nicht gesichert.
Abgesehen davon, dass auch hier die Streichung von Tausenden Stellen schon beschlossene Sache ist, wird die Spirale nach unten weitergehen.
Entweder die Gewerkschaftsführung organisiert grenzüberschreitend Gegenwehr oder sie lässt sich auf Lohnsenkungen, Arbeitsplatzabbau und Werkschließungen ein – um für die VW-Bosse im internationalen Konkurrenzkampf die Kastanien aus dem Feuer zu holen.